© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/07 19. Oktober 2007

"Auf das Zentrum können wir nicht verzichten"
Interview: Bernhard Jagoda, ehemaliger Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, gehört zu den Prominenten, die das Zentrum gegen Vertreibungen unterstützen
Moritz Schwarz

Herr Jagoda, Sie sind vor allem als langjähriger Präsident der Bundesanstalt für Arbeit bekannt. Warum gehören Sie zum Unterstützerkreis des Zentrums gegen Vertreibungen (ZgV)?

Jagoda: Für mich hat das Zentrum gegen Vertreibungen zwei Seiten. Eine weist in die Vergangenheit, eine in die Zukunft: Zum einen ist es das dringend notwendige Denkmal für die Millionen Opfer - nicht nur der deutschen, sondern aller Vertreibungen weltweit. Zum zweiten ist es ein Mahnmal für kommende Generationen, Vertreibungen nicht mehr zu dulden, so wie es die Grundsätze der Vereinten Nationen fordern.

Das ZgV entwickelt sich zur unendlichen Geschichte. Die Stiftung ist im September sieben Jahre alt geworden. Glauben Sie noch an eine Verwirklichung des Projekts?

Jagoda: Unbedingt! Sonst würde ich mich nicht engagieren. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß sich unsere Gesellschaft erlauben kann, darauf zu verzichten und damit diesen Teil der Geschichte nicht angemessen aufzuarbeiten. Andererseits verstehe ich, daß es natürlich in unserer Zeit viele andere drängende Probleme gibt, so daß man nicht erwarten kann, daß das Zentrum Prioritätsstufe eins genießt.

Sie waren über Jahrzehnte CDU-Bundespolitiker: Die neue unionsgeführte Bundesregierung sprach 2005 in der Koalitionsvereinbarung in bezug auf das ZgV von der Schaffung eines "sichtbaren Zeichens". Nun hat sie die Hälfte ihrer Amtszeit bereits überschritten, wo ist dieses Zeichen in Sicht?

Jagoda: Ihre Frage ist nicht unberechtigt, aber ich möchte darauf hinweisen, daß sie nahelegt, das Zenturm wäre allein Aufgabe der Politik. Das ist nicht der Fall, und es wäre auch falsch, wenn das so gehandhabt würde. Das ZgV muß ein Projekt der ganzen Gesellschaft sein. Eine solche Kernfrage unseres öffentlichen Lebens kann nur bei einem Konsens nicht nur aller wichtigen Parteien, sondern auch aller wichtigen gesellschaftlichen Gruppen funktionieren!

Das ist richtig, andererseits ist als erstes natürlich immer ein Impuls der Regierung zu erwarten, und die wird nun einmal von der Union geführt. Wenn sie aber in der jetzigen Regierungsperiode - und die ist schon zur Hälfte vorbei - die Umsetzung des Vorhabens nicht anpackt, warum sollte sie es in der nächsten tun?

Jagoda: Ich will weder die Regierung noch die Union aus der Pflicht entlassen, aber ich bin sicher, daß die Kanzlerin das Projekt nicht aus den Augen verloren hat. Und was die Legislaturperiode angeht, so bedeutet, "die Hälfte vorbei" auch, daß die Hälfte noch vor uns liegt. Sind wir doch mal ehrlich, es ist nicht die Union, die blockt. Vielmehr haben doch auch wir mit Widerstand im In- und Ausland gegen das Zentrum zu kämpfen.

Das bedeutet konkret?

Jagoda: Konkret bedeutet das, daß ich davon ausgehe, daß die Entscheidung für das Zentrum gegen Vertreibungen - und zwar mit Standort Berlin - noch in dieser Legislaturperiode fällt.

 

weitere Interview-Partner der JF


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen