© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

System der Versorgung
Opaschowskis Visionen
Heinz Fröhlich

Im Alter verarmen und "Stütze" beantragen? Jeder dritte Deutsche fürchtet, sozial abzusteigen; auch der Mittelstand zittert. Verflogen ist das goldene Wirtschaftswunder; postindustrielle Zeiten bieten keine Vollbeschäftigung. "Brasilianische Verhältnisse" kommen nach Deutschland, glaubt der "Zukunftsforscher" Horst W. Opaschowski, der immerhin schon 1995 das Platzen der New-Economy-Blase voraussah.

Millionen hängen am Tropf der Sozialleistungen. Die Konkurrenz um Arbeitsplätze wüte immer gnadenloser, und sogar manche Berufstätige brauchen staatliche Zuwendungen. Ein normales Familienleben sei oft nicht zu ermöglichen. Jobnomaden, "billig, willig und problemlos", vagabundieren durch Stellenmärkte, geplagt von Existenznot. Der Autor fordert, Daseinsvorsorge und individuelle Lebensziele neu zu bestimmen. Da es nicht genüge, Mißstände zu lindern, benötigen wir realistische Phantasien, damit die Gesellschaft nicht zerfällt.

Opaschowski hat deshalb einen auf den ersten Blick außergewöhnlichen, aber mittlerweile im linksliberalen Milieu bei Grünen und FDP diskutierten Ansatz und knüpft jenen Faden weiter, den Thomas Morus in seinem 1516 verfaßten Roman "Utopia" gesponnen hat. Zu garantieren sei eine "staatliche Existenzsicherung". Jeder Arbeitslose solle unabhängig vom Vermögen ein "Bürgergeld" erhalten. Weil nur vierzig Prozent der Erwerbsfähigen künftig Arbeit fänden, hätten sie die übrigen mitzuernähren.

Wer staatliche Subsidien empfängt, müsse begrenzt und steuerpflichtig verdienen dürfen. Hartz-IV-Regelsätze will der Autor deutlich anheben. Diese Maßnahme sei zu finanzieren, indem man Verbrauchssteuern erhöhe. Außerdem setze der dadurch bedingte Bürokratieabbau neue Mittel frei.

Das "Bürgergeld" stelle keine "Einladung zum Nichtstun" dar; nur die "minimale Existenz" (Minimex) werde gesichert. Eine "Vierzig-zu-Sechzig-Gesellschaft" bedingt jedoch schwere soziale Ungerechtigkeiten, solange die meisten dem Erwerbsleben fernbleiben. Mehr Teilzeitarbeit entschärfe diesen Konflikt.

Sein in diesem Kontext ähnlich origineller Denkansatz geht jedoch in andere Richtungen. Unser wichtigstes Ziel solle nicht darin bestehen, Geld und Besitz zu horten. "Gut leben statt viel haben" möge der Leitspruch heißen. Werte zu ändern, erfordere jedoch Geduld, und der "Zukunftsforscher" empfiehlt, das Minimex-Modell schrittweise zu realisieren.

Horst W. Opaschowski: Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, gebunden, 267 Seiten, 17,50 Euro


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen