© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Alter schützt vor Wehleid nicht
G. Grass sieht sein Werk nicht ausreichend gewürdigt
Thorsten Thaler

Ältere Herrschaften werden zuweilen doch leicht wunderlich. Auch Günter Grass, der am 16. Oktober seinen achtzigsten Geburtstag feiern kann (siehe nebenstehenden Artikel), macht da keine Ausnahme. Daß sich ausgerechnet der Literaturnobelpreisträger in der vergangenen Woche gegenüber der Frankfurter Rundschau glaubte beklagen zu müssen, daß sein Werk in Deutschland nicht ausreichend gewürdigt werde, ist geradezu grotesk. Im Ausland erfahre er anders als in Deutschland Respekt gegenüber seinem Werk, ganz gleich, wie der Einzelne inhaltlich dazu stehe, sagte Grass. In den USA seien Kritiker und Leser mit seiner im vergangenen Jahr veröffentlichten Autobiographie "Vom Häuten der Zwiebel" fairer umgegangen als in Deutschland. Wehleidiger kann man sich als Autor kaum präsentieren.

Dabei wird Grass hierzulande seit bald fünfzig Jahren, wann immer er ein neues Buch publizierte oder sich öffentlich äußerte, ausführlichst rezipiert. Bereits 1965 bekam er den Georg-Büchner-Preis zugesprochen - eine Auszeichnung, die zum Beispiel dem am vorigen Freitag verstorbenen Walter Kempowski versagt blieb. Verbittert nannte Kempowski in einem seiner letzten Interviews, das erst jetzt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht wurde, Grass (und Martin Walser) sogar eine "Niete". Auf die Frage, ob er sich mit Grass gern ausgesprochen hätte, antwortete Kempowski: "Um Gottes willen! Gegen den kommt ja kein Mensch an." Grass' neuerliche Klage über eine angeblich mangelnde Anerkennung seiner Leistungen hätte Kempowski sicher - und zu Recht - aufgeregt.


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