© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Stimme aus dem Off
Kitschig: "Gespräche mit Gott" von Stephen Simon
Jean Lüdeke

Mit Gottes Hilfe aus der Gosse? Laut Buchautor Neale Donald Walsch soll Gottes mächtigster Moment der Augenblick sein, in dem verzweifelte Menschen erkennen, daß sie keinen Gott benötigen - oder etwa doch? Der Erfolgsautor definiert den Gott aller Religionen auf eine neue, vor allem dichotomische Art und Weise.

Regisseur Stephen Simon, verantwortlich für das herzzerreißende Drama "Hinter dem Horizont" mit Robin Williams, der seine verstorbene Frau im Reich der Toten sucht, bebildert dieses esoterisch verbrämte Werk als "wahre Geschichte" des Autors, der durch sämtliche Netze sozialer Sicherheit in den gesellschaftlichen Keller knallte.

Es ist eine Geschichte seiner Romanfigur, eben seine Biographie mit ihren abgrundtiefen Lebenskatastrophen. Die Buchvorlage erschien in unzähligen Auflagen und wurde zum Bestseller. In 35 Sprachen übersetzt, ging diese Bestandsaufnahme der Religion mehr als sieben Millionen Mal über die Ladentheken.

Nach einem Autounfall, bei dem er sich eine Fraktur des Halswirbels zuzieht, verliert der Journalist und Verleger Neale Donald Walsch (professionell dargestellt von Henry Czerny) Gesundheit, Familie, Job und Haus - einfach alles, was sein Leben bis dahin ausmachte. Sein spärliches Hab und Gut findet in einer einzigen Reisetasche Platz. Es folgen die Stationen seiner Demontage und Anamnese: Wohnen auf dem Campingplatz und im Obdachlosenheim, Miete zahlen mit gesammeltem Pfandgut, Essen aus der Mülltonne ...

Trotzdem bewirbt er sich bei einem Radiosender als DJ und bekommt tatsächlich den Job. Aber just als ein kleines Licht im langen Tunnel aufflackert, geht der Sender bankrott, und Walsch landet erneut auf der Straße. Seinem Naturell entsprechend, einer nicht näher definierten Schreibwut, macht er sich in nie abgeschickten Briefen wieder wütend Luft, droht er doch wieder im sozialen Abseits zu landen. Nun wendet er sich an Gott, bittet um Hilfe, bitter und böse, verzweifelt und verlassen. Es sind jedoch diesmal Schreiben, die beantwortet werden ...

Dieses spirituell angehauchte und visionär verbrämte Biopic-Drama erinnert entfernt an "Das Streben nach Glück" (2007, JF 4/07) mit Will Smith und den wissenschaftlich aufgemotzten Dokumentarfilm "What The Bleep Do We Know?" (2004). Bisweilen aber geschieht das hier mit zuviel kitschiger Erleuchtung, zu wenig faktischer Realität. Zudem kann der Film schlechthin nur auszugsweise erhellende Einblicke in Walschs Leben vor dem Absturz liefern. Dieser elliptische Modus (weniger ist mehr) verstärkt natürlich böse Ahnungen und Vorstellungen seines einstigen normalen Lebens um so intensiver.

Ein gewisses Maß an Vorkenntnissen sollte also mit in den Kinosaal genommen werden, weil es weniger um Inhalte, als vielmehr um die neuen "Entdeckungsformen" geht. Gottlob erscheint der liebe Gott diesmal nicht mit schulterlangen Haaren und Vollbart in markanter Physiognomie, sondern als mystifizierte "Stimme".

Die geschriebene Stimme indes hat sich für Walsch finanziell allemal gelohnt, geht es doch vorgeblich um eine "neue" Spiritualität. Dabei fungiert Gott abermals als Krisenhelfer, wie immer, wenn es einem schlecht geht, denn vorher vergißt man ihn ja allzu gerne ...

Falls es doch zu spät sein sollte, bietet Walsch zudem Lebenshilfe: Gemeinsam mit seiner Frau initiierte er ein "Zentrum der Besinnung und Selbstfindung" in Oregon und reist munter durch die Welt, um Vorträge und Workshops abzuhalten.

Foto: Neale Donald Walsch (H. Czerny): So wahr ihm Gott helfe


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