© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Meldungen

Bundestagsarchiv: Das Basislager im Spreebogen

DÜSSELDORF. Als Sammlungs- und Dokumentationsstelle hat das Archiv des Deutschen Bundestages 1949 seine Tätigkeit aufgenommen. 1969 fiel die Entscheidung, kein archivwürdiges Schriftgut mehr an das Koblenzer Bundesarchiv abzugeben, das allein für die Exekutive zuständig sein sollte. Die Legislative schaffte sich somit ihr eigenes "Endarchiv". Daran, so berichtet die Bundestagsarchivarin Brigitte Nelles in einem historischen Rückblick (Der Archivar, 3/07), habe auch der Umzug von Bonn nach Berlin 2004 nichts geändert - außer bei den Standortbedingungen: statt auf acht Liegenschaften wie am Rhein, verteilen sich die knapp 4.000 Meter Akten, verwaltet von 27 Archivaren, nur noch auf zwei Gebäude im Regierungsviertel am Spreebogen. Weiterhin bilden sie die Materialbasis für die Parlamentsarbeit, erfreuen sich aber zunehmend des Interesses von Behörden, akademischen Institutionen und Medien, wie 12.000 Anfragen jährlich belegen.

 

1917: Populäres zum "fatalen Jahr"

PARIS. Sind die Russen wirklich Europäer? Ihre Eisenbahnen benötigen eine andere Spurweite, ihre Schrift ist für den Mitteleuropäer nicht zu entziffern, und ihre "Oktoberrevolution" feierten sie im November: weil Lenins Machtergreifung nach dem außerhalb des zaristischen Rußland nicht mehr gültigen julianischen Kalender auf den 25. Oktober 1917 fiel. Als historisches Datum hat sich dies offenbar so verfestigt, daß auch La Nouvelle Revue d'Histoire (32/2007) ihre Schwerpunktausgabe zum "L'année fatale 1917" entsprechend terminiert. Das reich bebilderte Heft, das eher Vermittlung von Basisdaten - darunter auch ein Beitrag zum Anteil der deutschen Obersten Heeresleitung - als die Erforschung der bolschewistischen Revolution im Blickpunkt hat, dokumentiert doch unbeabsichtigt, daß es an neuen Einsichten zu mangeln scheint. Ausgerechnet nach 1989, als die Moskauer Archive sich vorsichtig zu öffnen begannen, scheint die Geschichtsschreibung zu Lenins "Menschheitsexperiment" zu stagnieren. Denn den bahnbrechenden Einsichten der Altmeister Conquest, Scheibert, Deutscher, Solschenizyn ist seitdem nichts Vergleichbares an die Seite zu stellen.

 

Zentrum: christlich relativierte Nation

MÜNCHEN. Noch zu Beginn der Weimarer Republik hallte die "Kulturkampf"-Atmosphäre von 1875 nach. Denn umstandslos bezichtigten Linksliberale wie Deutschnationale die katholische Zentrumspartei auch außerhalb des Wahlkampfs, "anational" und "romhörig" zu sein. Wie Karsten Ruppert nun ausführt (Historische Zeitschrift, Band 285/07), habe das Zentrum sich tatsächlich gegenüber der ersatzreligiösen "Perversion des zeitgenössischen Nationalismus" offen zum "Spannungsverhältnis von Nation und katholischem Universalismus" bekannt. Folglich proklamierte die Partei, daß Pflichten der Menschheit gegenüber höher stünden als die gegenüber dem Vaterland. Zentrums-ideologen hätten gerade den "neuen revolutionären Nationalismus" mit seinen völkischen Auswüchsen als "deutsche Verirrung" gebrandmarkt. Trotzdem, so rügt Ruppert, sei die Partei dem "nationalstaatlichen Geschichtsbild" verhaftet geblieben und klebte an "Residuen des Machtstaatsdenkens". Positiv verbucht er hingegen, daß "rechtskatholische Sehnsüchte nach einer Erneuerung des Reiches" keinerlei Resonanz fanden, weder in der Zentrumsführung noch in der breiten Masse der Parteimitglieder und Wähler.

 

Erste Sätze

Die Welt steckt voller Probleme.

Max Planck: Scheinprobleme der Wissenschaft, Leipzig 1947


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