© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/07 05. Oktober 2007

Großmannssucht eines Falken
Alan Poseners offenherziges Bekenntnis zum Neoimperialismus: Europa soll Weltmacht werden
Victor Gaché

Journalist zu sein, das bedeutet, mit einer Grundskepsis gegenüber allen Institutionen ausgestattet zu sein. Rudolf Augstein paßte in dieses Schema wie die Faust aufs Auge. Alan Posener ist gemessen an diesem Kriterium kein Journalist. Im Gegenteil: Er war Schulbuchautor, bevor er zur Welt ging. Heute ist er der Kommentarchef der Welt am Sonntag und gilt als brillanter Autor, aber auch als Querdenker, der seine Auftraggeber vom Springer-Verlag zuweilen zur Weißglut treibt.

Im Mai veröffentlichte er einen verachtungsvollen Beitrag über das neue Buch von Kai Diekmann vom Hausblatt Bild auf seinem Welt-Internetblog. Schon bald wurde der Eintrag gelöscht: Zu derb war die Schmähkritik am Kollegen vom Boulevard. Posener nannte Bild eine "Wichsvorlage" und wünschte sich deswegen die "Zensur zurück".

Der Kommentator träumt von anderen Dingen als der gemeine Bild-Leser. Er denkt groß. Er wünscht sich keine barbusigen Mädchen, sondern ein Imperium, ein europäisches Imperium. "Warum Europa Weltmacht werden muß", lautet der Untertitel seines Buches "Imperium der Zukunft".

Grundsätzliche Skepsis gegenüber staatlichen Dinosauriern hat Posener nicht, er unterscheidet aber zwischen guten und schlechten Imperien und scheint es für ausgeschlossen zu halten, daß sich ein gutes in ein schlechtes verwandeln könnte. Als böse Imperien hat er die üblichen Verdächtigen parat: Islamisten, Kommunisten, Nationalsozialisten. Die guten Imperien - das sind für Posener vor allem zwei, nämlich das Imperium Romanum und das Britische Empire. Auch der Donaumonarchie kann er Vorteile abgewinnen und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

Der gemeinsame Markt ist der große Gleichmacher, weiß er bereits über das Römische Reich. Herbergen, Bäder, Bordelle, Tempel, Theater, Verwaltungsgebäude - alles sei vorbildlich einheitlich geregelt gewesen, und der römische Bürger habe überall mit einem einheitlichen Geld zahlen können. Dabei übersieht der Autor natürlich, daß sich ein gemeinsamer Markt auch ohne staatlichen Überbau, ohne Eroberungskriege und ohne multikulturelle Gesellschaft, nach der er so sehr schmachtet ("Wir haben leider bislang nur Fatih Akin"),  bewerkstelligen ließe. Posener will, daß wir Amerika als Weltmacht ablösen, wobei er den USA überhaupt abspricht, ein Imperium zu sein. Im Gespräch läßt er aber offen durchblicken, daß er eigentlich selbst ein Buch über das amerikanische Imperium schreiben wollte. Doch diese Idee hat ihm Niall Ferguson ("Das verleugnete Imperium", JF 22/04) vor einigen Jahren weggeschnappt.

Eigentlich ist Posener für das US-Imperium. "Es ist eine Aufgabe der Publizistik klarzumachen, daß Antiamerikanismus eine verklausulierte Art ist, über sich selbst und eine neue europäische Politik zu sprechen", behauptet Posener. Der Ton des Schulbuchautoren ist unüberhörbar. Poseners anglophiler Neo-Wihelminismus ist eine Reminiszenz an Glanz und Gloria der britischen Größe vergangener Epochen. So wie manche Deutsche von Preußen träumen oder wie sich Neonazis an alten deutschen Wochenschauen berauschen, so genießt Posener die Bilder aus der goldenen Vergangenheit des großen, gerechten Empire. "Beim Kaiser war alles besser", pflegten in Deutschland viele Leute schon in der Weimarer Republik zu sagen.

Posener durchlebt dabei sogar noch einmal seine Kindheit, denn er ist der Sohn eines britischen Kolonialbeamten mit Wurzeln im liberalen deutsch-jüdischen Bürgertum. Er wuchs in Kuala Lumpur auf, bevor er nach Berlin kam. Aber der Autor betreibt nicht nur Traditionspflege der besonderen Art. Er steht auch für eine neue Denkrichtung, die vor wenigen Jahren in Amerika Furore gemacht hat: die Neokonservativen. Diese Denkschule war (und ist?) sehr einflußreich in der Bush-Regierung, hat maßgeblich den Irak-Krieg mitzuverantworten. Inzwischen sind die Neokonservativen etwas in den Hintergrund getreten, was ebenso mit dem Scheitern ihrer Politik zu tun hat wie mit der schlichten Tatsache, daß es sich nur um eine kleine Personengruppe handelte, deren politische und publizistische Bedeutung überschätzt worden ist.

Dennoch gab es sie, die Rumsfelds und Wolfowitz und wie sie alle hießen. Sie wollten, daß Amerika seine Chance nutzt und sich den gesamten Planeten untertan macht. Diese Personengruppe war durch ein zentrales Merkmal gekennzeichnet: Sie hatten meist eine linksradikale bzw. kommunistische Vergangenheit. Und siehe da: Alan Posener, der jetzt das europäische Imperium plant, war KPD/AO-Mitglied und bekennender Gegner jedes "kapitalistischen Imperialismus". Nach dem Abitur 1969 widmete sich Posener "im 'roten Jahrzehnt' eher der radikalen Politik im Ruhrgebiet als dem Studium an der Freien Universität Berlin, wurde aber Ende der 1970er Jahre zu seiner eigenen Überraschung doch Studienrat und Beamter auf Lebenszeit", wie er in seiner offiziellen Biographie verbreiten läßt.

Er ist kein Einzelfall unter den neuen Euro-Imperialisten. Wer steht denn an der Spitze der EU-Kommission? José Manuel Barroso, ein Mann, der zugibt, in seiner Studentenzeit Maoist gewesen zu sein. Bei Barroso hat Posener keinen Interviewtermin bekommen, dafür aber bei dem Finnen Olli Rehn, dem Erweiterungskommissar - oder Imperialismus-Beauftragten, wie Posener ihn zu Recht vielleicht nennen würde. Rehn beruft sich auf einen englischen Marxisten, wenn es darum geht zu beweisen, daß Israel und die Türkei in die EU gehören. Eine Auffassung, die Posener natürlich teilt. Der ganze Mittelmeerraum gehört dazu. Und auch das noch: Posener ließ sein Buch in Berlin vom taz-Mitarbeiter Ralph Bollmann vorstellen, der selbst gerade erst das "Lob des Imperiums" verfaßt hat und den Posener in seinem Buch wiederum über den Klee lobt ("Recht hat er"). Es sieht aus, als seien die "Euro-Neocons" schwer im Kommen.                      

Alan Posener: Imperium der Zukunft. Warum Europa Weltmacht werden muß. Pantheon Verlag, München 2007, gebunden, 224 Seiten, 11,95 Euro


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