© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/07 05. Oktober 2007

"Garantiert kein Teil der Lösung"
Europaparlament: Die ITS-Fraktion löst mit Einladung an die NPD zu Gesprächen Irritationen aus
Jörg Fischer / Moritz Schwarz

Die NPD ist für die FPÖ weder ein potentieller Europa- noch sonstiger Partner" - dies erklärte vor fast genau einem Jahr Heinz-Christian Strache, der Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), in der JUNGEN FREIHEIT. "Wir bekennen uns zu einem Europa, das von Christentum und Aufklärung geprägt ist", so Strache weiter (JF 40/06).

Das scheint seit 25. September so eindeutig nicht mehr zu gelten. Denn an diesem Tag reisten auf Einladung des FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer und der Rechtsfraktion "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) neben den Vorsitzenden von verschiedenen bundesdeutschen Rechtsparteien wie den Republikanern oder der DVU auch fünf NPD-Vertreter - darunter Parteichef Udo Voigt und der sächsische Fraktionschef Holger Apfel - nach Straßburg, um gemeinsame Strategien für die Europawahl 2009 zu beraten (siehe auch Seiten 2 und 4).

Doch wie kam es zu diesem Sinneswandel? "Die Fraktionen im EU-Parlament sind nicht mit den Blöcken vergleichbar, die auf der einzelstaatlichen Ebene operieren. Da stimmt kaum irgendwann eine Fraktion geschlossen ab", erläuterte der Wiener Historiker und FPÖ-Kenner Lothar Höbelt gegenüber der JF.

Eine Oppositionspartei wie die FPÖ, "die in letzter Zeit viel Dummheiten gemacht hat und ihren Ruf ziemlich lädiert hat, lebt da ziemlich ungeniert - zumindest so lange, bis bei der nächsten oder vermutlich sogar erst übernächsten Wahl Koalitionsfragen wieder in den Vordergrund rücken", so Höbelt.

Im EU-Parlament ist derzeit die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten (EVP/ED) mit 276 von 778 Abgeordneten die mit Abstand stärkste Kraft. Die Sozialdemokratische Fraktion rangiert seit 1999 mit momentan 212 Parlamentariern nur noch an zweiter Stelle. Dritte Kraft ist traditionell die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa mit zur Zeit 104 Mitgliedern.

Des weiteren gibt es noch die 42 Abgeordneten der Grünen-Fraktion und 41 Kommunisten und Sozialisten, die sich in der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken zusammengeschlossen haben - insoweit ähnelt das Straßburger Europaparlament dem Bundestag in Berlin. Auch sämtliche 99 bundesdeutsche EU-Abgeordneten verteilen sich auf die fünf genannten Fraktionen.

Doch mit dem EU-Beitritt von zwölf neuen Ländern gibt es nun 103 Europaparlamentarier, die im weitesten Sinne rechts oder EU-kritisch eingestellt sind. Die verteilen sich auf drei Fraktionen sowie 13 Fraktionslose (JF 4/07).

Die stärkste Rechtsfraktion ist mit 44 Abgeordneten seit vergangenem Jahr - durch den Beitritt der italienischen Lega Nord und der polnischen Ex-Regierungsparteien Samoobrona und LPR - die Union für das Europa der Nationen (UEN). Hinzu kommen mit jeweils 23 Abgeordneten die ITS und die EU-kritische Fraktion Unabhängigkeit/Demokratie (ID).

"Viel vernünftiger wäre es freilich, wenn alle drei bestehenden Rechtsfraktionen im EU-Parlament fusionierten. Dann würde auch das Gewicht einzelner Randerscheinungen dementsprechend sinken", beklagt Höbelt.

Gegenseitige Animositäten und ideologische Unterschiede sollten dem nicht entgegenstehen. Denn am Beispiel der Mitglieder der EVP-Fraktion - wo etwa Vertreter von Silvio Berlusconis Forza Italia einträchtig mit linken Christdemokraten zusammensitzen - sehe man, daß heterogene Elemente sehr wohl zusammenfinden können.

Doch bei einer möglichen Zusammenarbeit der ITS mit der NPD dürfte eine einheitliche EU-Rechtsfraktion in noch weitere Ferne gerückt sein - von absehbaren Konflikten innerhalb der IST-Fraktion mal ganz abgesehen. Deren drittstärkste Gruppe, der Vlaams Belang, hält zum Beispiel überhaupt nichts von einer "EU-Rechtsliste 2009". "Es wird keine rechte pan-europäische Liste geben, denn für die ITS muß Europa ein Bund souveräner Nationalstaaten sein", erklärte ITS-Vize Philip Claeys in der JF. "Übergreifende Listen passen daher nicht in diese Logik."

Auch der Front National (FN), stärkste Kraft der IST, ist allein stark genug fürs Europaparlament. Die Partei von Jean-Marie Le Pen dürfte zudem bei einer gemeinsamen Liste mit der NPD im parteiübergreifend national eingestellten Frankreich eher Stimmen verlieren als gewinnen.

Die NPD sei außerdem eine "Partei, die sich von der PDS oft nur dadurch unterscheidet, daß sie unterschiedlichen totalitären Systemen mit einer gewissen unverdienten Nostagie begegnet, in der praktischen Politik aber vielfach auf ähnliche Nicht-Lösungen setzt", gibt Höbelt zu bedenken. In Deutschland, "im Land der Sparer gegen das Kapital und gegen den freien Handel zu sein, einerseits den Staat bekämpfen und andererseits für mehr Staat zu sein - das sind alles im Prinzip eher linke Positionen", meint Höbelt. "Ich gebe Herrn Stein da völlig recht, die NPD ist ein Symptom der Krise - und garantiert nicht Teil der Lösung."

Besser wäre es, wenn es in Deutschland eine Partei gäbe wie die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP) oder auch eine der italienischen Rechtsparteien, die im derzeitigen Oppositionsbündnis Haus der Freiheiten (Casa delle Libertà) zu finden sind, erläutert Höbelt. Die NPD hingegen ist "eine ziemlich dämliche Partei, die nicht zuletzt davon lebt, daß so viele unsympathische Leute (und Strukturen) sie verteufeln und ihr damit Wähler zutreiben".

Der FPÖ-Führung in Wien scheinen die in Straßburg geknüpften Kontakte zur NPD offenbar ebenfalls nicht ins derzeitige Konzept zu passen. Parteichef Strache und seine Stellvertreter haben sich bislang nicht öffentlich zu den Europawahlplänen geäußert. In den FPÖ-Pressemeldungen (www.fpoe.at) kommt die "Causa NPD" bislang nicht vor. Auch gegenüber der JF wollte sich niemand zur Sache äußern.

Foto: NPD-Chef Voigt, dahinter DVU-Chef Frey: Einheitliche EU-Rechtsfraktion in noch weitere Ferne gerückt


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