© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/07 28. September 2007

Zeitschriftenkritik: Grafschafter Bote
Aus einem Guß
Jochen Schmit

Südlich von Breslau an der Grenze zum Sudetenland liegt die Grafschaft Glatz. Sie umfaßt ein Gebiet etwa von der Größe des Saarlandes, gehörte zeitweise zu Österreich, war die längste Zeit ein Teil des preußischen Schlesiens und gehört heute zu Polen.

Die Grafschafter sind Niederschlesier. Sie zeichnen sich durch ein starkes Selbstbewußtsein und Zusammengehörigkeitsgefühl aus. Nicht zuletzt wird dies daran deutlich, daß sich ihre Interessenvertretung nicht Landsmannschaft, sondern Zentralstelle Grafschaft Glatz/Schlesien nennt.

Nach der Landsmannschaft Schlesien ist die Zentralstelle der größte schlesische Verein in Deutschland. Als verbindendes Organ wird der monatlich erscheinende Grafschafter Bote herausgegeben, der die "Glatzer Rosen", das Wahrzeichen der Grafschaft, sowie den Wahlspruch "Fern doch treu!" im Titel führt.

Auch der Grafschafter Bote hebt sich inhaltlich von Periodika anderer Vertriebenenverbände ab. Neben geschichtlichen sowie kulturellen Beiträgen, Veranstaltungsberichten, Sterbemeldungen werden in dem Blatt oft Beiträge gebracht, die eine politisch klare Linie zum Ausdruck bringen. So wird zum Beispiel ausführlich und positiv über die Preußische Treuhand berichtet. In der aktuellen Ausgabe ist ferner eine kritische Stellungnahme zu den Zensurmaßnahmen der niedersächsischen Landesbehörden beim diesjährigen Schlesiertreffen (JF 37/07) zu lesen. Daneben wird der Aufmarsch des linksextremen schwarzen Blocks verurteilt, der das Schlesiertreffen in Hannover mit Hetzparolen zu stören versuchte.

Im Gegensatz zum restlichen Niederschlesien war die Grafschaft weit überwiegend katholisch, was die Kultur stark prägte. Dem Grafschafter Boten, der aus kirchlichen Mitteilungsblättern vertriebener Pfarrer an ihre Gläubigen entstanden ist, merkt man dies an, weil viele Beiträge zumindest am Rande einen kirchlichen Bezug aufweisen. Unter der Verantwortung des Kanonischen Visitators für die Grafschaft Glatz steht daher denn auch die Rubrik "Unter der Heimatkanzel", in der Prälat Franz Jung als zuständiger Vertriebenenseelsorger seine amtlichen Vermeldungen publiziert.

Sowohl aus geschichtlichen Gründen als auch wegen der Lage an der Grenze zu Böhmen war die Grafschaft schon vor dem Krieg ein eigenständiger Seelsorgebezirk. Sie gehört nämlich zum Bistum Prag, wurde aber durch einen "Großdechanten" mit bischofsähnlichem Rang geleitet, der zugleich Ehrendomherr des Bistums Breslau war. Wegen dieser komplizierten Situation und weil die Glatzer eine eigenwillige Volksgruppe sind, führt der jeweilige Kanonische Visitator diesen Titel weiter.

Insgesamt ist das Heft sehr ansprechend, alles wirkt wie aus einem Guß - einschließlich der Gedichte und Textauszüge aus anderen Publikationen, die zwischen die Artikeln eingestreut sind. Man merkt deutlich, daß der Grafschafter Bote dem Schriftleiter Peter Großpietsch, der zugleich auch Vorsitzender der Zentralstelle ist, ein wichtiges Anliegen ist.

Anschrift: Zentralstelle Grafschaft Glatz, Brüderstraße 7, 58507 Lüdenscheid, Internet: www.grafschafterbote.de


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