© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/07 28. September 2007

Wolfram Baentsch
Der Spürfuchs
von Michael Paulwitz

So geht investigativer Journalismus: drei Jahre akribische Recherche, und dann ein Paukenschlag! Knapp zwei Jahrzehnte nach dem - sich am 11. Oktober jährenden - spektakulärsten Polit-Krimi der deutschen Nachkriegsgeschichte hatte Wolfram Baentsch letzten Herbst in seinem Bucherfolg "Der Doppelmord an Uwe Barschel" (Herbig) die Fakten und Hintergründe zu "Waterkantgate" gültig zusammengefaßt. Sein Fazit: Der steil aufgestiegene und 1987 tief abgestürzte schleswig-holsteinische CDU-Politiker wurde ermordet. Die Täter sind in ausländischen Geheimdienstkreisen zu suchen:  weil, so Baentsch, Barschel im Untersuchungsausschuß zur Pfeiffer-Affäre, die ihn zu Fall gebracht hatte, über illegale israelisch-iranische Waffengeschäfte auspacken wollte, die über Kiel abgewickelt worden waren.

Das klang für viele unglaublich und ist doch wohl näher an der Wahrheit als die offizielle Version vom Selbstmord. Der alte Hase Baentsch, Jahrgang 1939 und ehedem Mitarbeiter fast eines halben Dutzend etablierter Presseorgane, traf mit seinen Recherchen aus dem Ruhestand den Nerv in einer Affäre, die unter der Oberfläche des Schweigens wieder in Bewegung zu geraten scheint. Die Querschüsse der Ertappten und die betretene Stille der Kollegen zu seinen für sie peinlichen Enthüllungen nimmt Baentsch mit Gleichmut auf.

Dennoch hat ihn die starre und unprofessionelle Haltung des Spiegel enttäuscht, bei dem er einst selbst die hohe Kunst der journalistischen Recherche gelernt hatte. Einmal auf die Rolle Barschels als Buhmann in der von ihnen publik gemachten "Pfeiffer-Affäre" festgelegt, ignorierten die Hamburger Meinungsmacher trotzig alles, was für die Mordthese sprach. So mancher Chefredakteur, dessen Wochenplanung am Montag darin besteht, die Themen des aktuellen Spiegel auf die folgenden Tage zu verteilen, ist ihnen darin gefolgt. Selbst ein "Sturmgeschütz der Demokratie" rasselt und feuert bisweilen eben in die falsche Richtung.

Sich selbst mußte Wolfram Baentsch nichts mehr beweisen. Der in Schneidemühl in der Grenzmark Posen-Westpreußen geborene Vollblut-Journalist hatte im Laufe seiner Karriere Führungspositionen bei den ersten Adressen der deutschen Wirtschaftspresse bekleidet: Nach Stationen bei Handelsblatt und Capital wurde Baentsch 1980 Gründungs-Chefredakteur des Unternehmermagazins Impulse. Von dem Gruner + Jahr-Blatt wechselte er vier Jahre später auf den Chefredakteurssessel der Wirtschaftswoche, mit der er auch die Wiedervereinigung begleitete. Nach einem Intermezzo als Ressortleiter Wirtschaft und Vize-Chefredakteur der Welt kehrte er 1996 noch einmal zu Impulse zurück und verließ im Jahr darauf die zwangsverjüngte Redaktion mit der höchsten Auflage seit Gründung.

Das Bundesverdienstkreuz bekam Wolfram Baentsch übrigens "für seinen Einsatz beim Aufbau journalistischer Strukturen in den neuen Bundesländern" verliehen. Mehr noch hätte er es wohl als unbestechlicher Wahrheitssucher verdient.


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