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Pressemitteilung:

Berlin, den 27. September 2007

FPÖ-Abgeordneter Andreas Mölzer kooperiert mit der NPD / Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT beendet Zusammenarbeit mit der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“

Mit sofortiger Wirkung beendet die in Berlin erscheinende Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT ihre Zusammenarbeit mit der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“.

Der Geschäftsführer und Chefredakteur der JF, Dieter Stein, reagiert damit auf eine gestern bekanntgewordene Kooperation zwischen dem Herausgeber der „Zur Zeit“, dem FPÖ-Europa-abgeordneten Andreas Mölzer, und der NPD.

Mölzer hatte am 25. September neben Vertretern rechter Kleinparteien die Vorsitzenden von NPD und DVU zur europäischen Rechtsfraktion ITS nach Straßburg eingeladen, um mit diesen über eine gemeinsame Europawahlliste zu verhandeln. 

V.i.S.d.P.: Thorsten Thaler, stellv. Chefredakteur, Hohenzollerndamm 27a, 10713 Berlin


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Das Schreiben von JF-Chefredakteur Dieter Stein an Andreas Mölzer vom 27. September 2007 (hier zum Brief im PDF)


Herrn
Andreas Mölzer MdEP
Wochenzeitung
ZUR ZEIT

sofort auf den Tisch


den 27. September 2007 


Deine Kooperation mit der NPD / Beendigung der Kooperation zwischen ZZ und JF

Lieber Andreas Mölzer,

wie ich Dir schon gestern am Telefon mitgeteilt habe, bin ich entsetzt, daß es in Straßburg auf Deine Initiative zu einem Gespräch zu Kooperationen von Rechtsparteien in Deutschland im Hinblick auf eine gemeinsame Europawahlliste unter Beteiligung von NPD und DVU gekommen ist.

Ich habe mit Dir Anfang August in Kärnten ein ausführliches Gespräch geführt, nachdem ich erfahren habe, daß es Überlegungen geben soll, in Kooperationsgespräche mit NPD und DVU einzutreten. Ich habe Dir schon damals deutlich gemacht, weshalb ich es für eine katastrophale Fehleinschätzung der Lage in Deutschland, im Besonderen aber der NPD und DVU halte, wenn man glaubt, diese Parteien für ein „rechtsdemokratisches“ Projekt für diskutabel zu halten.

Ich habe Dir meine Einschätzungen zur NPD – und diese ist schließlich der entscheidende Faktor in diesem sogenannten „Volksfrontbündnis“ – genannt. Daß sich diese Partei nicht nur nach Auffassung linksgerichteter Antifa-Journalisten, sondern ausweislich ihrer eigenen Verlautbarungen in der Tradition des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches sieht, daß sie offen mit neo-nationalsozialistischen, tatsächlich rechtsextremen Kameradschaften, Freien Nationalisten kooperiert und deren Führungsfiguren sogar in ihre Vorstände holt. Auf dem jüngsten NPD-Parteitag in Niedersachsen durfte sogar Christian Worch, die Leitfigur der deutschen Neonazi-Szene sprechen und erhielt große Zustimmung.

Ich hatte Dir mein Positionspapier von Anfang des Jahres zugeleitet, in dem ich ausführte:


Die NPD ist das Symptom unserer Krise: In welcher katastrophalen politischen Verfassung wir uns ... befinden, wird deutlich, daß ausgerechnet diese Partei derzeitig einen derartigen Erfolg hat.

Eine Partei, die anstelle eines notwendigen und gesunden Patriotismus eine Farce, eine traurige schwarz-weiß-rote Karikatur des Nationalen bietet. Mehr denn je ist sie in ihrem harten Kern ein Transmissionsriemen einer bizarren neo-nationalsozialistischen Subkultur. Ihre Nähe zum Dritten Reich muß man nicht entlarven, sie bekennt sich ungeschminkt dazu, und dies ist offenkundig der Wesenskern der erotischen Anziehung auf den Großteil des NPD-Umfeldes. 
...

Man kann, ja muß eine Auseinandersetzung mit der NPD führen. Aber:

Ich sehe nur einen Weg, sich mit der NPD auseinanderzusetzen und das ist ihr verheerender geschichtspolitischer und weltanschaulicher Ansatz: Sie sieht sich in der Tradition des Nationalsozialismus, sie will den vermeintlich guten Kern des Dritten Reiches retten, in ihren Publikationen verhöhnt sie den nationalkonservativen Widerstand, in dessen Tradition wir uns sehen und feiert Otto Ernst Remer, der den 20. Juli 1944 niedergeworfen hat als Helden. Die NPD integriert die neo-nationalsozialistische Szene, spektakulär ist die Wahl von Jürgen Rieger, einer der Symbolfiguren dieser Szene, in den NPD-Parteivorstand, die feierliche Aufnahme in die NPD von Friedhelm Busse, einem der namhaftesten Neonazi-Aktivisten und letzten Bundesvorsitzenden der 1995 verbotenen FAP in die NPD. ...

Und da sage ich: Die NPD und das sie in ihren intellektuellen Köpfen an der Spitze repräsentierende Milieu ist ein politischer Gegner, der jedem positiven nationalen Ansatz nicht nützt, sondern schadet.


Ich hatte Dir skizziert, was passieren würde, wenn Du in Kooperation mit der NPD eintreten würdest. Daß sich damit automatisch die Frage der weiteren Zusammenarbeit zwischen der von Dir herausgegebenen Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“ und der JUNGEN FREIHEIT stellen würde, ich diese lösen würde und publizistisch aus voller Überzeugung nur gegen eine solche katastrophale Allianz mit der NPD arbeiten könnte.

Du hast mir signalisiert, meine Argumente zu bedenken. Ich war davon ausgegangen, angesichts der von mir skizzierten grundsätzlichen Bedeutung einer solchen Kooperation, von Dir vorher über weitere Schritte in dieser Richtung informiert zu werden.

Ich erfuhr von dem Treffen am 25. September durch eine NPD-Pressemitteilung, die das Gipfeltreffen „deutscher Rechtsparteien“ bei der Straßburger ITS-Fraktion mit einer gemeinsamen Resolution bejubelt.

Die Nachrichtenagentur APA meldet: 

Der Österreicher Andreas Mölzer „hofft auf eine gemeinsame Kandidatur der deutschen Rechts-Parteien bei der nächsten Europawahl im Sommer 2009“, so die Nachrichtenagentur APA. Offenbar kennt Mölzer dabei auch keine Scheu vor der zunehmend neonazistisch geprägten NPD, der er bescheinigte: „Jeder, der sich im Rahmen der Verfassung und des Rechtsstaats bewegt und demokratisch legitimiert ist, ist ein potenzieller Gesprächspartner.“


Meine Antwort ist eindeutig: Nach zehn Jahren Kooperation mit der „Zur Zeit“, an deren Wiege die JUNGE FREIHEIT mit einer eigenen Österreich-Ausgabe stand, einer Kooperation, die ich immer von beiderseitigem Vertrauen getragen gesehen habe, sehe ich dieses heute zerstört.


Ich beendige die publizistische Zusammenarbeit der JF und der „Zur Zeit“ mit sofortiger Wirkung. Eine weitere Übernahme von JF-Artikeln durch die ZZ untersage ich hiermit.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Stein

P.S.: Ich bin maßlos enttäuscht davon, wie wenig offensichtlich von den politischen Verhältnissen in Deutschland, aber auch den historischen Konsequenzen für eine verantwortliche konservative, nationale Politik in Deutschland verstanden worden ist. Wir haben offensichtlich seit Jahren vollständig aneinander vorbeigeredet.


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