© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

Meldungen

Geisteswissenschaften: Stabilisierender Nutzen

BONN. Nach den jüngsten Schreckensmeldungen, wonach die Geisteswissenschaften durch die Sparpolitik der letzten Jahre regelrecht ausgeholzt worden seien, mutet das einer so "bedrohten Art" gewidmete Themenheft der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (Humboldt Kosmos, 89/2007) fast schönfärberisch an. Es gebe für die Geisteswissenschaften in Deutschland  keinen Grund, "kleinmütig" sein, heißt es im Leitaufsatz, der jedoch den wirksamen öffentlichen Druck der Ökonomisierung auf diese Disziplinen nicht bestreiten kann. Wie ein Trost wirken da Ausführungen der Wissenschaftsredakteurin des Handelsblatts, Regina Krieger, die auf das "international exzellente Standing der deutschen Geisteswissenschaften" verweist, das im Gegensatz zu der von "Krisengerede" geprägten Selbstwahrnehmung stehe. Gegen die Gewohnheit von Bildungspolitikern, nur auf den volkswirtschaftlichen Zugewinn von Forschung zu blicken, fordert Krieger die lamentierenden Kultur- und Sozialwissenschaftler auf, mit gleicher Münze zurückzuzahlen: "Ohne eine methodisch geordnete Selbstbeobachtung", wie sie die vermeintlich "nutzlosen" Geisteswissenschaften böten, "läßt sich soviel Verschiedenheit und Komplexität, wie eine globalisierte Ökonomie unserer Gesellschaft zumutet, nicht stabilisieren."

 

Georgien kein US-Pfahl in Rußlands Flanke

BERLIN. Seit Mitte der 1990er Jahre haben der radikale Islamismus und der internationale Terrorismus in Tschetschenien einen fruchtbaren Boden gefunden. Dieser stellt nicht nur für Rußland, sondern auch für Georgien eine Bedrohung dar. Für keines der beiden Länder sind eine Destabilisierung der Region und eine Stärkung der Islamisten im Nordkaukasus von Vorteil. Eigentlich, so der in Tiflis lehrende Politologe Gulbaat Rzchiladse, seien Moskau und Tiflis somit natürliche Verbündete (Osteuropa, 7/07). Trotzdem setzen beide Seiten auf Konfrontation und gießen mit mehr oder weniger fingierten Raketenangriffen Öl ins Feuer. Der von einem Teil der westlichen Experten für Geopolitik unterstellte "unheilvolle" Einfluß des Georgien-Protektors USA spielt in diesem Zwist für Rzchiladse keine Rolle. Es gebe kein Indiz dafür, daß Washington das russisch-georgische Verhältnis "bewußt negativ" beeinflusse. In allen kritischen Momenten in der Auseinandersetzung mit Rußland  erhalte Tiflis keine "nennenswerte Unterstützung aus den USA".

 

Mit Todesdrohungen gegen Koran-Kritik

BERLIN. Daß islamistisch orientierte "politische Interessengruppen" von den Integrationsinitiativen der europäischen "Einwanderungsländer" profitieren, dieser Befund der Berliner Privatdozentin Sabine Riedel zählt zu den gewagteren Aussagen im "Islam"-Themenheft der Internationalen Politik (9/07). Während die meisten Beiträger also gewohnt verharmlosend "harmonisieren", gibt es immerhin einen Ausreißer - bezeichnenderweise nicht aus den Reihen deutscher Politologen. Fakhri Saleh, jordanischer Kulturredakteur und NZZ-Korrespondent, nimmt die heiße Kartoffel der wissenschaftlichen Koran-Kritik auf. Obwohl die Zahl der "reformistischen Wissenschaftler" wachse, die den Koran wie ein literarisches, historisches Textstück verstehen und in der Tradition europäischer Bibelkritik analysieren, ist an arabischen Hochschulen dafür kein Platz. "Freidenker leben gefährlich" und erhielten Todesdrohungen, die hart mit dem gern propagierten Bild vom "toleranten Islam" konstrastierten. Der Ägypter Sayyid Mahmud al-Qimmi zähle etwa zu den Gelehrten, die die mohammedanische Botschaft aus den vorislamischen politischen und sozialen Umständen auf der arabischen Halbinsel erklärten. Mit dem Resultat, daß er 2005 gezwungen wurde, sein Buch umzuschreiben und religiöse Schlußfolgerungen herauszustreichen, "die den heiligen Koran in Zweifel gezogen hatten".


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