© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

Vierzig gute Jahre
Goldkehle: Nachruf auf Luciano Pavarotti
Andreas Strittmatter

Manche Fragen beantwortet der Lauf der Zeit. In einer kleinen Randnotiz kündigte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einst an, der Tenor Luciano Pavarotti plane ab dem Jahr 2005 seine Abschiedstournee. Der Hinweis endete mit dem Satz, der Tenor habe die Frage, über wie viele Jahre sich sein Abschied erstrecke, nicht beantworten wollen. Der ironische Unterton war mehr als deutlich und bezeichnend für die mediale Häme, die seit Ende der 1990er Jahre in den Feuilletons über den Sänger zunehmend ausgegossen wurde. Oder woanders - denn nicht wenige Feuilletonisten hatten Pavarotti längst an die Kollegen von den Klatschspalten weitergereicht, die sich an Steuerfragen, Eheproblemen, Scheidung, an der jüngeren Geliebten und einer Fehlgeburt abarbeiteten, die sich beim Begräbnis von Lady Diana nebenbei an einem verheulten und taumelnden Tenor weideten. 

Die Dauer von Pavarottis Abschiedstournee hat die Zeit beschieden. In den frühen Morgenstunden des 6. September erlag der Sänger mit 71 Jahren einem Krebsleiden. Und weil über Tote nichts außer Gutes gesagt werden soll, feierte der erfolgreiche "Bäckerssohn aus Modena", der "beste Tenor aller Zeiten" und "König des hohen C" Urständ. Der fette Kerl, der nicht mehr singen kann, wie die New York Post nach einer Konzertabsage Pavarottis titelte:  "Fat man can't sing", trat zurück hinter "Big P.", dem Schwergewicht der Sangeskunst, das im Aufgang seiner Karriere den Connaisseur in der Opernloge ebenso bezirzte, wie es später die Massen in Fußballarenen begeisterte. Ersteren mit einer schmelzenden, instinktiv stilsicheren, hellen und höhengewappneten Stimme in vornehmlich lyrisch grundierten Rollen - letztere mit Kalafs "Nessun dorma" aus der Oper "Turandot" von Puccini.

Hier schlüpfte er, der mächtigste "Tenorino" seiner Zeit, in eine Art "italienisches Wagnerfach" und gab den stimmgewaltigen Helden - gesamt bestens dokumentiert in einer Studioaufnahme des Werkes aus dem Jahr 1972. Diesem Kalaf steht als Turandot mit Joan Sutherland jene Sopranistin gegenüber, die Pavarottis Karriere nachhaltig beförderte, indem sie ihn auf der Bühne und im Aufnahmestudio zu ihrem bevorzugten Tenorpartner erkor.

Was - außer einer umfangreichen Diskographie mit vielen Höhen und einigen Tiefpunkten - bleibt von Pavarotti? Vielleicht eine Mahnung an nachwachsende Sängergenerationen, mit dem in der Kehle geborgenen Gold umsichtig zu wirtschaften, sich um des schnellen Erfolges willen die Stimme nicht in wenigen Jahren zu demontieren.

Abschreckende Beispiele wie das Los der amerikanischen Sopranistin Cheryl Studer zeigen, daß selbst robuste Stimmen rasch ruinös werden, wenn Ruhm zu früh in falschen Rollen reifen soll. Luciano Pavarotti hat sich Zeit gelassen und, wenn notwendig, auch rechtzeitig die Reißleine gezogen. Der Dank war eine 1961 gestartete Karriere von vierzig guten Jahren. Der unschöne Rest, den sich der Tenor gleichwohl teuer an den Konzertkassen bezahlen lassen konnte, ist Makulatur.


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