© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

Bekenntnis zur Selbstbestimmung
Österreich: Ein "grünes" FPÖ-Buch zum Thema Energie-Autonomie und Gentechnik-Freiheit / Urkonservative Anliegen
Michael Howanietz

Der Konservative wird immer für Denkmal-, Umwelt- und Naturschutz eintreten und ihnen auch dort den Vorzug geben, wo sie die ökonomische Entwicklung behindern", schrieb kürzlich der deutsche Publizist Alexander Gauland in einem Beitrag für den Rheinischen Merkur, der sich kritisch mit der Politik von CDU und CSU auseinandersetzte. Der Konservative werde "immer dort auf der Gegenseite zu finden sein, wo mit den modischen Leerformeln der Modernisierung, Flexibilisierung, Innovation und Deregulierung nur eines erreicht werden soll: die Zerstörung von allem, was an Überkommenem die Effizienz des Wirtschaftssubjekts hindert - Glaubensüberzeugungen, ethische Bedenklichkeiten, Tabus und kulturelle Traditionen", so Gauland.

Auch in Österreich hat sich die einst konservative ÖVP immer mehr in eine rein wirtschaftsliberale Partei verwandelt - doch hier sind die Umweltschützer nicht nur zu den Grünen gewechselt, sondern sie fanden und finden auch in der traditionell eher deutschnational-liberalen FPÖ eine politische Heimat. Daher überrascht es in Österreich niemand, daß das Freiheitliche Bildungsinstitut kürzlich unter dem Titel "Energie und Lebensmittel: Konzerndiktatur oder Selbstbestimmung" einen informativen Leitfaden herausgegeben hat, der nach seinen Kapitelüberschriften von "Bundesdeutschen" eher in die "grün-linke Ecke" eingeordnet würde.

Eine vorrangige Aufgabe seiner Partei, so erklärte der verantwortliche Herausgeber und FPÖ-Vize Norbert Hofer, sei die Erhaltung einer intakten Umwelt, der agrarischen Selbstversorgungsfähigkeit und die Unabhängigkeit von unsicheren fossil-atomaren Energie-Importen. Wasser-, Lebensmittel- und Energieversorgung seien Grundsäulen einer freien Gesellschaft und dürften deshalb nicht in die willkürliche Verfügungsgewalt profitorientierter, privater Unternehmen geraten.

Jeder einzelne könne zur Erreichung der Ziele Energie-Autarkie und Gentechnik-Freiheit beitragen. Die verantwortliche Politik müsse aber die Rahmenbedingungen schaffen, um die gesellschaftliche Ressource zu nützen.

Die Einbindung der Bevölkerung in Erfordernisse und daraus abzuleitende Maßnahmen sei unumgänglich, da etwa der Wechsel zu erneuerbaren Energien den tiefgreifendsten wirtschaftlichen Strukturwandel seit den Anfängen der Industriellen Revolution darstelle. Es gelte heute zu handeln, um gerüstet zu sein, wenn in zehn oder fünfzehn Jahren die ersten Folgen der sich ankündigenden Versorgungsengpässe spürbar würden.

"Handeln" freilich heiße für eine Oppositionspartei primär zu informieren: über kritikwürdige Sachverhalte, ungenügende gesetzliche Bestimmungen sowie Ursprünge, Gefahrenpotentiale und Chancen neuer wie veralteter Technologien. "Die FPÖ ist in den Segmenten Umwelt-, Landwirtschafts- und Energiepolitik um so mehr gefordert, als die Grünen den diesbezüglichen Erwartungen der Wähler längst nicht mehr nachkommen", so Hofer. Deren Vorschläge für eine "Energiewende 2020" seien "Kulissenschieberei". Konstruktive Ansätze fehlten: "Flächendeckende Lkw-Maut, CO2- und Kerosinsteuer sind alles, was den Grünen einfällt. Mit Belastungspolitik alleine werden wir die mögliche Energieautonomie aber weder 2020 noch irgendwann erreichen."

Die derzeitige SPÖ/ÖVP-Bundesregierung wiederum beteilige sich an Auslandsprojekten, die zwar Hunderte Millionen österreichischen Steuergeldes verschlängen, für die Versorgung des österreichischen Strommarktes aber nichts brächten, da lediglich eine Abhängigkeit gegen eine andere ausgetauscht würde.

"Österreich ist kein Nato-Mitglied", erläutert Hofer. "Mit Beteiligungen wie der in der Türkei entspringenden Erdgas-Pipeline Nabucco oder dem fragwürdigen Ilısu-Staudammprojekt am Tigris verwickelt sich unser neutrales Land aber sehenden Auges in den evidenten Energie-Konflikt Rußland-Nato." Aber für Österreich sei unerheblich, "ob wir von russischem oder von der Türkei kontrolliertem Erdgas abhängig sind" - denn jede Form der Abhängigkeit könne angesichts zur Neige gehender Ressourcen und daraus resultierender Versorgungsengpässe dramatische Konsequenzen haben. Die FPÖ verlange daher die umgehende Ausarbeitung eines Fahrplans zur Erreichung von weitgehender Energieautonomie. Das ideale Fundament hierfür böte das bundesdeutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Ebenfalls "grüne" Töne schlagen die österreichischen "Blauen" angesichts der ökologischen und gesundheitlichen Risiken der Agro-Gentechnik an. Wegen drohender Abhängigkeit von mit Patenten und Lizenzgebühren arbeitenden Gentechnik-Saatgutkonzernen geht es nicht um die Nutzung, sondern um den gewollten Verzicht auf neue Technologien. "Wir sind unserer Freiheit und Selbstbestimmungsfähigkeit verpflichtet", meint Norbert Hofer. "Das bedeutet zwangsläufig, die unheilvollen Tendenzen der Globalisierung einzudämmen, wo sie unserer Souveränität abträglich sind."

Norbert Hofer (Hrsg.): Energie und Lebensmittel - Konzerndiktatur oder Selbstbestimmung, Freiheitliches Bildungsinstitut, Wien 2007, 176 Seiten, 9 Euro


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen