© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/07 14. September 2007

Unheilvolles Milieu
Terrorismus: Das ehemalige Multi-Kultur-Haus in Neu-Ulm als Sammelpunkt islamistischer Terroristen / Weitere Vereine unter Verdacht
Peter Freitag

O Würdiger, o Liebesfreundlicher, schicke uns Bomben ..." und: "Siegen heißt nicht nur, die Ungläubigen zu töten, sondern sich selbst zu töten, um die Ungläubigen zurückzuschlagen!"

Derartigen Liedertexten scheinen die am Dienstag der vergangenen Woche verhafteten mutmaßlichen Terroristen Fritz G., Daniel S. und Adem Y. offensichtlich zugestimmt zu haben, sollten sie tatsächlich konkrete Sprengstoff-Attentatspläne gegen Einrichtungen auf deutschem Boden geschmiedet haben.

Die Wahrscheinlichkeit, daß die verhinderten "Dschihadisten" die oben zitierten Textpassagen kannten, ist jedenfalls ziemlich groß, denn sie stammen von Tonträgern, die bayerische Ermittler im September 2005 bei einer Hausdurchsuchung im Neu-Ulmer Multi-Kultur-Haus (MKH e.V.)  sicherstellten. Dem dort tätigen und im benachbarten (baden-württembergischen) Ulm vereinsrechtlich ansässigen Multi-Kultur-Haus mit angeschlossener Freitagsmoschee sollen laut Angaben der Bundesanwaltschaft die jetzt Verhafteten angehört haben.

Das 1996 gegründete MKH war den Behörden schon seit längerer Zeit verdächtig: Wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelte schließlich die Polizei aus Baden-Württemberg und Bayern gemeinsam gegen die Einrichtung, da im Umfeld des MKH islamistisches Gedankengut verbreitet und für den "bewaffneten Dschihad" geworben werde, so der bayerische Verfassungsschutz im Jahre 2005. In seinem Bericht heißt es weiter:  Die "öffentlichen Äußerungen von Funktionären sowie die Freitagsgebete im MKH waren geprägt von einer massiven, gebetsmühlenartigen Hetze gegen die parlamentarische Demokratie, gegen Andersgläubige" und beinhalteten "offene Aufrufe zur Bekämpfung bzw. Tötung Andersgläubiger". Christen und Juden seien in den Propagandaschriften des Vereins "als Feinde präsentiert" worden, die "hinzurichten seien, wenn sie nicht bereuten und zum Islam überträten". Sichergestellt wurde damals auch ein Schulbuch mit de Titel "Der Djihad für die Sache Gottes", in dem sich "ähnliche Aussagen fanden", so die Verfassungsschützer. Am 28. Dezember 2005 wurde das "Multi-Kultur-Haus" durch das bayerische Innenministerium verboten, bereits im Februar und Juni desselben Jahres waren im MKH tätige "Haßprediger" nach Ägypten abgeschoben worden.

 Nicht abgeschoben wurde jedoch der aus Ägypten stammende - und zeitweilig mit einer Deutschen verheiratete - Reda S., gegen den wegen Beteiligung an den Bombenattentaten auf Bali im Oktober 2002 ermittelt wurde. Wegen seiner Kontakte zur islamistischen Szene in der Doppelstadt an der Donau geriet offenbar auch der deutsche Staatsangehörige Khaled el Masri ins Fadenkreuz der Anti-Terror-Ermittler, der von der CIA verschleppt und mehrere Monate in Afghanistan festgehalten worden war.

Selbst das Phänomen, daß sich wie im aktuellen Fall zum Islam übergetretene Deutsche unter den mohammedanischen Extremisten befinden, ist bei der Szene um das "Multi-Kultur-Haus" nichts Neues: Einer der beiden von dort aus während der Jahre 2002 und 2003 in den Tschetschenien-Konflikt entsandten "Gotteskrieger", die bei diesem Unternehmen ums Leben kamen, war der schwäbische Konvertit Thomas F., ein Mitbegründer des Ulmer Islam-Informationszentrums. Dieser im Gegensatz zum MKH nicht verbotenen Organisation gehörte neben den vergangene Woche festgenommenen Terrorverdächtigen auch der im August von Pakistan an Deutschland ausgelieferte Tolga D. an, der laut Ermittlungserkenntnissen am Hindukusch in einem "Dschihadisten"-Lager ausgebildet wurde.

Schon seit Jahren weisen kritische Fachleute auf das gefährliche Treiben derartiger islamischer Vereine hin, die sich wahlweise als "kulturelle" oder "soziale" Einrichtungen ausgeben und die man von seiten der deutschen Mehrheitsgesellschaft im Namen von "Multikulti" oder politisch korrekter Toleranz zu lange gewähren ließ. Dabei seien die vorrangigen Ziele solcher Einrichtungen offenkundig: Festigung des islamischen Selbst- oder Sonderbewußtseins nach innen, Missionierung nach außen ("Islam heißt Frieden", so das Motto des MKH), "Spendensammlung" für den Dschihad bis hin zur Entsendung von freiwilligen "Gotteskriegern" und "Märtyrern". Dazu kommt, daß Teile dieser in Deutschland ansässigen Vereine größeren Organisationen in den jeweiligen Heimatländern zugeordnet sind, etwa der Hamas in Palästina oder der ägyptischen Muslimbruderschaft. So verwundert auch nicht, daß der größte Anteil der in Deutschland ermittelten Mitglieder von ausländischen Extremisten-Organisationen auf den Bereich des "Islamismus" entfällt.

Mögen fanatisierte deutsche Konvertiten oder mit konkreten Terrorplänen befaßte Mohammedaner noch eine Einzelerscheinung sein, so stellt das Milieu der islamischen Zentren, Kultur- oder Moscheevereine auch ohne solche Steigerungsformen eine ernst zu nehmende Gefahr hinsichtlich ihrer desintegrierenden Wirkung und als "Humus" für in Deutschland sich verfestigende Parallelgesellschaften dar. Denn eine Verknüpfung von zunehmender "islamischer Identität" mit abnehmender Integrationsbereitschaft ist unter den hier lebenden Moslems empirisch nachweisbar.

Der Bielefelder Soziologe und Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer wies im Januar 2006 auf eine Studie hin, der zufolge der Anteil in Deutschland lebender Moslems, die sich selbst als "eher oder sehr religiös" bezeichneten, in den Jahren 2000 bis 2005 von acht auf 28 Prozent angewachsen sei, bei den unter 30jährigen sei diese Selbsteinschätzung sogar auf 79 Prozent gestiegen. Ein Viertel der Befragten gab an, der Grad der Identifizierung mit dem Islam habe seit dem 11. September 2001 zugenommen.  Folge dieser zunehmenden islamischen Religiosität sei die gesellschaftliche Segregation: Denn "mit verstärktem Moscheebesuch (nehme) die Neigung und das Interesse ab, die Kontakte und damit den Austausch mit Angehörigen der Mehrhitsgesellschaft zu pflegen", so Heitmeyer. In einer anderen repräsentativen Untersuchung hatte der Wissenschaftler zuvor bereits festgestellt, daß von den befragten türkischstämmigen Jugendlichen (in einem Alter von 15 bis 21 Jahren) in Deutschland 37,5 Prozent bereit seien, "mit körperlicher Gewalt gegen Ungläubige vorzugehen".

Foto: Die drei von der Polizei verhafteten mutmaßlichen Terroristen: "Gewalt gegen Ungläubige"


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