© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

"Überwiegend unpolitisch"
Großbritannien I: Unmut über geplante Megamoschee in London / Angst vor schleichender Islamisierung
Ronald Gläser

Ken Livingston sah sich vor acht Wochen zu folgender Klarstellung gezwungen: "Der Regierung von Groß-London sind zirkulierende, aber unzutreffende Berichte bekanntgemacht geworden, wonach der Bürgermeister von London oder seine Behörde planen, die neue Moschee in Ost-London mit bis zu 100 Millionen Pfund zu unterstützen." Weiter teilte das Amt des linken Labour-Stadtoberhaupts mit: "Der Bürgermeister möchte eindeutig klarmachen, daß diese Berichte völlig unwahr sind. Es gibt keine und gab niemals Pläne des Londoner Bürgermeisters oder seiner Behörde, die die Verwendung von Steuergeldern zugunsten einer solchen Moschee vorsieht. Es wäre sogar illegal, wenn der Bürgermeister so etwas täte. Außerdem sind die Behauptungen bezüglich der Verbindungen zwischen den Olympischen Spielen 2012 und dem Moscheebau ebenso falsch wie die Spekulationen bezüglich der enormen Größe."

Die Verwaltung der Sieben-Millionen-Metropole mag das so sehen, aber die Vertreter von Tablighi Jamaat, der - manche sagen geheimnisvollen - sunnitisch-orthodoxen Islambewegung, haben Zeit und Ort sehr bewußt gewählt. Bis zum Beginn der Olympiade wollen sie ihr Prestigeobjekt im Londoner Osten fertiggestellt sehen. Schließlich sollen muslimische Sportler darin untergebracht werden. Das plant jedenfalls die Gemeinde, heißt es.

Tablighi Jamaat (bekanntestes deutsches Mitglied: der "Bremer Türke" und Ex-Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz) ist eine ursprünglich aus Indien stammende Gemeinde, die stark auf Missionierung setzt. Sie gelten deswegen als islamische "Hardliner". London ist genau der richtige Ort für so eine Islamistengemeinschaft: An der Themse leben offiziell 38 Prozent aller Moslems in Großbritannien - schätzungsweise 1,5 Millionen.

Dort soll das neue Gotteshaus mit dem Namen "Markaz" in West Ham entstehen, wo etwa ein Viertel der Einwohner Moslems sind. Bisher sind nicht viele Einzelheiten nach außen gedrungen. Nur soviel steht fest: Es soll eine Megamoschee werden, vielleicht sogar die größte außerhalb des arabischen Raumes. Die Angaben bezüglich der Größe schwanken erheblich. Die meisten Quellen sagen, das Gotteshaus werde für 12.000 Gläubige konzipiert, was ziemlich viel wäre. (Zum Vergleich: Die größte Kirche Englands in Liverpool faßt gerade mal 3.000 Personen.) Andere Quellen sprechen gar von 40.000, ja 70.000 Plätzen in der geplanten Moschee - dann wäre diese sogar größer als der Petersdom in Rom.

Bekannt ist nur, daß der Bauantrag eingereicht worden ist und daß auf Minarette verzichtet werden soll. Unüblich auch: ein transparentes Dach aus Glas. Darunter soll sich das Gemeindeleben abspielen, so zum Beispiel in der für 500 Schüler konzipierten Koranschule. Tablighi Jamaat fasziniert damit die Architektenwelt und schüchtert zugleich Anwohner ein, bei denen der Begriff "Megamoschee" Angst und Schrecken verbreitet. Immerhin wurde Tablighi Jamaat nach dem 11. September mit Terroristen in Verbindung gebracht und befindet sich unter Beobachtung britischer Sicherheitsdienste.

Presseberichten zufolge sind französische Geheimdienste und das FBI übereinstimmend der Auffassung, daß Dschihadisten bei Tablighi Jamaat "schnell Anhänger rekrutieren könnten". Die Gemeinde selbst dementiert alle Kontakte zu Terroristen. "Wir sind eine überwiegend unpolitische Organisation, die einen Weg sucht, ihren Glauben friedlich zu leben", verkündet Tablighi Jamaat.

Die Gemeinde ihrerseits hat darauf mit einer Charmeoffensive der besonderen Art reagiert. Sie heuerte die Lobbyfirma Indigo Public Affairs an. Die Lobbyisten stehen in Kontakt zu Behörden, versuchen die Öffentlichkeit zu besänftigen und arbeiten an einer Pro-Moschee-Kampagne in den Medien. Auf der Internet-Videoplattform youtube.com ist ein Film der Gemeinde zu sehen, schreibt die Londoner Times. Es ist jedoch nicht einfach, diesen Werbespot zu finden - angesichts der vielen Anti-Moschee-Beiträge, die bei Youtube gelistet sind.

Die Londoner sind aufgebracht. Und nicht nur sie. Die geplante Großmoschee ist längst von einem lokalen Thema zur nationalen Frage geworden. "Wie hältst du es mit der Islamisierung?" fragen immer mehr Briten ihre Regierung. Die Londoner Stadtregierung hat vor einem Vierteljahr schon einmal die Bürger zu schocken gewußt. Im südlichen Stadtteil Croydon (noch zu zwei Dritteln von Weißen bewohnt) wurden Lehrer angewiesen, das Tragen vom Schmuck (beispielsweise ein Kreuz) im Unterricht zu untersagen. Es gibt aber Ausnahmen religiöser Natur: für Hindus und für Moslems - nicht aber für Christen.

"Damit wird das Christentum als Zweite-Klasse-Religion behandelt", sagt der Chef der Kampagne gegen die politische Korrektheit, John Midgley. Unterstützung erhalten die Kritiker nicht nur von den oppositionellen Tories. Sogar die Moslems stellen sich auf die Seite der christlichen Kirchen. So gibt sich Tahir Alam vom Moslemrat im britischen Schulwesen äußerst liberal: "Wenn diese Dinge (die Schmuckstücke) wichtig sind für die Schüler und eine Bedeutung für sie haben, dann sollte es überhaupt keine Anweisung diesbezüglich geben."

Vor diesem Hintergrund ist die Position Livingstons entscheidend: "Was will der Bürgermeister?" möchten immer mehr Londoner wissen. Diese Fragestellung ist sogar schon in der Downing Street No. 10 angekommen: Der neue Premierminister Gordon Brown wollte in Sachen moderner Demokratie und Bürgerbeteiligung ein gutes Beispiel sein und hat deswegen auf seiner Internetseite (www.pm.gov.uk) die Möglichkeit zur Internet-Petition einrichten lassen.

Dort können die Bürger sich für Gesetze zur Verbesserung der Lage von Ingenieuren aussprechen (32.000 Unterstützer) oder ein Verbot von Hiphop-Musik fordern (acht Unterstützer). Als das Moscheethema aufgebracht wurde, klickten so viele Briten wie noch nie auf Browns Seite: 281.000 Personen ließen ihren Protest gegen das Megaprojekt registrieren. Alles andere als ermutigende Zahlen - aus Sicht der Moschee-Befürworter. Ken Livingston wird diese Zahlen gekannt haben, als er dementieren ließ, er sei ein Unterstützer der Megamoschee.

Foto: Geplante Mosche (l.), Moschee in Birmingham (o.): Kein Gott außer Allah


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen