© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

Von den Hinterhöfen ins Zentrum
Islam: Noch nie wurden so viele Moscheen gebaut wie heute
Peter Freitag

Wie viele Moscheen in Deutschland existieren, kann nicht einmal die Bundesregierung genau sagen: "Insgesamt soll es ca. 2.600 muslimische Gebetsstätten in Deutschland geben, von denen ca. 150 als klassische Moscheen (mit Kuppel und Minarett) zu bezeichnen sind", heißt es in der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen.

Unstrittig ist, daß es immer mehr werden. "Die Zahl der Moscheeneubauten hat in den letzten Jahren beständig zugenommen. Derzeit ist von mehr als 100 Bauvorhaben im Bundesgebiet auszugehen", schreiben die Experten der Bundesregierung. Sie stützen sich bei diesen Angaben entweder auf die islamischen Dachverbände selbst oder auf die sogenannten "Islamzentren". Eine offizielle statistische Erhebung durch deutsche Behörden fand bisher nicht statt.

Die meisten Moscheen befinden sich in den Industriezentren und den Großstädten der alten Bundesländer, dort also, wo auch zahlenmäßig die meisten "Gastarbeiter" aus muslimischen Ländern  - vor allem aus der Türkei - siedelten und noch immer wohnen.

Die Unübersichtlichkeit der Angaben rührt auch daher, daß der Islam keine den christlichen Kirchen vergleichbare Institutionen kennt. Träger von Moscheen in Deutschland sind in der Regel eingetragene Vereine, die zum Zweck des Baus oder Unterhalts eines solchen Gebetshauses gegründet wurden. Sie gehören häufig - obwohl vor Ort pro forma selbständig - einem islamischen Dachverband an, der deutschlandweit die Anliegen der gläubigen Moslems vertritt.

Die vier zahlenmäßig größten Organisationen sind die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib); der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD), dessen Mitgliedsverband die von den Verfassungsschutzbehörden beobachtete Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) ist; der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, dessen größter Mitgliedsverband die von den Verfassungsschutzbehörden beobachtete Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) ist; und der Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ). Diese Organisationen wiederum haben zwecks Interessenbündelung im Frühjahr 2007 den Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland (KRM) gegründet.

"Neben der Organisation in Verbänden gibt es neueren Untersuchungen zufolge auch eine nicht unerhebliche Zahl verbandsunabhängiger Formen der Selbstorganisation religiösen Lebens von Muslimen auf Gemeindeebene", heißt es dazu von der Bundesregierung. Nach Ansicht von Fachleuten betreuen diese "unabhängigen" Vereine jedoch nur kleinere Moscheen, während die großen Gemeinden von den Verbänden getragen werden.

Denn eine weitere Besonderheit tritt bei den bis zu 3,4 Millionen hier lebenden Moslems hervor: Sie sind untereinander nicht nur "konfessionell" getrennt, wobei wie im Islam insgesamt auch in Deutschland die Sunniten mit etwa 2,5 Millionen Angehörigen die Mehrheit gegenüber Schiiten (rund 200.000) und Aleviten (400.000 bis 700.000) stellen. Moscheen oder Moscheevereine richten sich auch an der ethnischen (oder sprachlichen) Herkunft ihrer Mitglieder aus. So gibt es etwa eine Vereinigung Islamischer Gemeinden der Bosniaken oder die indisch-pakistanisch geprägte Ahmadiyya Muslim Jamaat, die von anderen islamischen Glaubensrichtungen jedoch als Sekte bezeichnet wird.

Den zweifellos größten Anhang von lokalen Moscheevereinen hat die Ditib - Ende der neunziger Jahre bereits 750. Die Ditib ist eine vom türkischen Staat inhaltlich und finanziell geführte Organisation, deren Vorsitz in der Regel ein in Berlin residierender türkischer Diplomat übernimmt. Die Imame der Ditib-Moscheen kommen aus der Türkei, werden von der türkischen Regierung bezahlt und predigen auf türkisch.

Die türkisch-islamistische IGMG, deren politischer Zweig in der Türkei verboten wurde, unterhält nach eigener Darstellung in Deutschland über 500 Einrichtungen, wobei die Zahl der von ihr getragenen Moscheen Ende der neunziger Jahre von unabhängiger Seite mit etwa 50 angegeben wurde. Der VIKZ soll über rund 335 Moscheen in Deutschland verfügen, 48 Moscheen sollen der bosniakischen Vereinigung angehören (Stand 2001), und die Ahmadiyya unterhält rund 18 Moscheen.

Die ersten Moscheen - also islamische Gotteshäuser und keine "bloßen" Andachtsräume - in Deutschland sind im oder unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg errichtet worden. So wurde 1914 in Wünsdorf bei Berlin ein "Mohammedanisches Gefangenenlager" samt Moschee errichtet. 1922 gründete sich zudem eine indisch-moslemische Gemeinde in Berlin-Charlottenburg.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete die Ahmadiyya-Bewegung in Hamburg 1949 eine "Mission", 1957 wurde in Hamburg-Stellingen eine erste Moschee gebaut, ebenso Ende der fünfziger Jahre in Frankfurt am Main. Im vornehmen  Hamburg-Uhlenhorst erwarben persische Kaufleute zudem ein Grundstück zum Moscheebau. Aus den Initiativen islamischer Studenten gingen vor allem in München und Hamburg "Islamischen Zentren" hervor.

Mit der Einwanderung von türkischen Gastarbeitern Ende der sechziger Jahre entstanden die zahlreichen "Laden-" oder "Hinterhofmoscheen". Deren vor etwa 15 Jahren beginnende Ablösung durch äußerlich "islamisch" aussehende Repräsentativbauten ruft erstmals die Gegnerschaft von Anwohnern hervor, da sich mit den Bauvorhaben die "hohe Bleibeorientierung der ehemaligen Arbeitsmigranten manifestiert", so eine 2002 veröffentlichte Untersuchung. Es handelt sich demzufolge um einen "Symptomkonflikt", bei dem es - für Bau-Befürworter wie Gegner - weniger um theologische als um politische Inhalte ("Multikultur" versus "Überfremdung") geht.

 

In Deutschland leben derzeit rund 3,4 Millionen Moslems, Tendenz steigend. Während sich ihr religiöses Leben in der Vergangenheit meist im Verborgenen abgespielt hat, häufen sich nun die Pläne zur Errichtung repräsentativer Moscheen. Eine Entwicklung, die das Bild der deutschen Städte verändern wird. Die JUNGE FREIHEIT dokumentiert mit der Karte auf dieser Seite die bedeutendsten Moscheestandorte (Quelle: www.moscheesuche.de). Daneben gibt es noch zahlreiche kleinere islamische Gotteshäuser und Gebetsräume. Die Karte erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie vermittelt jedoch ein deutliches Bild von den regionalen Schwerpunkten des Islam in Deutschland.  (JF)


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