© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

Nach dem "Fall Mügeln"
Täter und Opfer wohlsortiert
Dieter Stein

Wie apokalyptische Reiter brachen Journalisten über die sächsische Kleinstadt Mügeln herein, nachdem die Presseagenturen die Meldung von einer angeblichen "Hetzjagd" verbreitet hatten. Inzwischen sind die Straßen von Mügeln ausgestorben. Verschwunden sind die Ü-Wagen der Fernsehsender, fort die in Gruppen herumlungernden Boulevard-Reporter, die nach markigen "O-Tönen" suchten.

"Warum?" fragen sich die Mügelner immer wieder. "Warum wir?" Sie schämen sich für die Prügelei auf ihrem Stadtfest. Aber sie fragen sich: Warum wurden solche - bis heute ungeklärten -  Gewalttätigkeiten unter Betrunkenen zum Vorwand genommen, den Namen "Mügeln" zum monströsen Synonym für Rassismus in Deutschland zu machen?

Die meisten Medien verloren in dem Moment schlagartig ihr Interesse an Mügeln, als die ermittelnde Staatsanwaltschaft am vergangenen Freitag meldete, daß es nach ihren Erkenntnissen keine "Hetzjagd" gegeben habe und sich vermutlich ein komplizierter Tathergang ohne "rechtsextremistische Motivation" ergibt. Hatten viele Zeitungen über die "Hetzjagd" und die "braune Flut" im Osten tagelang großflächig und sogar auf den Titelseiten berichtet, so meldeten sie die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft knapp am Rande und ohne die Überreaktion der Medien kritisch zu reflektieren. Damit wird "Mügeln" bei den meisten als Chiffre für rassistische Gewaltorgien im Gedächtnis haften bleiben.

Diese journalistische Praxis offenbart ein Selektionsmuster, Nachrichten über Gewalttaten nach rassistischen Merkmalen zu filtern. Es ist ein Rassismus, der sich nicht gegen die Fremden, sondern gleichsam masochistisch gegen sich selbst richtet. Wenn bei einer Schlägerei Deutsche Täter und Ausländer Opfer sind, dann wird daraus schnell eine fremdenfeindliche Tat bzw. wird hervorgehoben, daß Deutsche Täter sind. Sind bei Gewalttaten jedoch Ausländer Täter und Deutsche Opfer und gibt es Anhaltspunkte, daß die Tat durch "Deutschenfeindlichkeit" motiviert ist, so verschweigen viele Medien diese Nachricht bzw. die Nationalität der Täter.

Pressestellen der Polizei sind sogar aufgrund politischer Weisungen weitgehend dazu übergegangen, die Nationalität ausländischer Straftäter gezielt zu unterschlagen, während fremdenfeindliche Straftaten nur im Fall "Deutscher gegen Ausländer" kenntlich gemacht werden.

So meldete die Pressestelle der Polizei NRW am 25. August - wenige Tage, nachdem "Mügeln" die Aufmacher der Zeitungen zu beherrschen begann - einen Übergriff aus Bonn-Bad Godesberg: "Rund 30 Jugendliche und Jungerwachsene hatten ohne einen erkennbaren Grund eine im Kurpark feiernde Schülergruppe angegriffen. Elf Schüler wurden dabei leicht verletzt." Der Kölner Expreß verharmloste die Täter als "Prügelbubis", nur dem Bonner Generalanzeiger war zu entnehmen, daß es sich bei den Tätern "um Türken und Marokkaner" handeln soll und die Opfer Deutsche, nämlich Abiturienten eines von Jesuiten geleiteten Privatgymnasiums sind. Natürlich meldeten sich Claudia Roth, Wolfgang Thierse und Ursula von der Leyen nicht zu Wort. Die Nachricht landete im Lokalteil, wo sie wohl auch hingehört.


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