© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Meldungen

Chinaforschung: Zweifel an Objektivität

STUTTGART. Die internationale Chinaforschung sieht Carsten A. Holz in einer ungewöhnlich scharfen Selbstkritik "korrumpiert" (Merkur, 7/07). Mit Pekings Parteiführung habe man sich in einem Ausmaß arrangiert, das den Vorwurf gestatte, Chinaexperten lägen "im Bett mit der Mafia". Denn kriminell "mafiös" gehe es nun einmal zu im Reich der Mitte, obwohl westliche Sinologen, Politologen und Wirtschaftswissenschaftler viel dazu beigetragen hätten, dem weiterhin brutal diktatorisch regierenden Kommunismus ein "menschliches Antlitz" zu geben. Dazu zähle die Suggestion einer "harmonischen Gesellschaft" - trotz der im Sinne dieser Schönfärberei unterschlagenen zweihundert sozialen Unruhen pro Tag. Dazu zähle auch, daß westliche Ökonomen das "Wachstummantra der Partei" nachbeteten, wobei weder getürkte Statistiken noch "Nebenwirkungen" wie Arbeitslager und Umweltkriminalität ins Gewicht fielen. Daß es indes nicht so düster in seiner Branche aussieht, wie Holz beklagt, belegt der jüngste Aufsatz eines der führenden deutschen China-Experten, des in Duisburg lehrenden Politologen Thomas Heberer (Zeitschrift für Politik, 2/07). Gegen alle Kassandra-Rufe unter dem Motto "Chinas Aufstieg - Deutschlands Abstieg" konstatiert Heberer, daß das Riesenreich "weit entfernt" von der Rolle einer "Supermacht des 21. Jahrhunderts" sei. Und zwar gerade wegen der von Heberer keineswegs schönfärberisch skizzierten inneren Spannungen im kommunistischen System, das von gewaltigen sozialen Problemen und Verwerfungen geprägt sei. In diesem Negativbild korrigiert Heberer auch den "oftmals überschätzten Bildungssektor", der geradezu "darniederliegt". Gelinge es der Parteiführung nicht, den von ihr entfesselten Kapitalismus durch "zivilisatorische Kompetenz" zu bändigen - was freilich einer Selbstauflösung der KP Chinas gleichkäme -, dann würden sich in China innere Wirren, Hungersnöte und Massenflucht ins Ausland zu einer "globalen Bedrohung" auswachsen.

 

Der Homo europaeus und seine Werte

STUTTGART. Wenn der Innsbrucker Rechtsphilosoph René Thalmair "zehn Thesen" über "Das Menschenbild des homo europaeus" in Aussicht stellt (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 2/07), könnte man wissenschaftlich verpackte Brüsseler Hochglanz-Werbung erwarten. Doch nur einige seiner Thesen decken sich mit der EU-Zweckpropaganda zum Verfassungsvertrag und folgen dabei blind der Beschwörung "universalistischer Verfassungsgrundsätze" im Geiste von Jürgen Habermas. Mit anderen Ausführungen macht sich der "radikaldemokratische" Idealist Thalmair keine Freunde in Brüsseler Chef­etagen. So erkennt er, daß der zentrale Wert der Verfassungspräambel, die Menschenwürde, ohne metaphysische Bestimmung bleibt. Dies erwecke den Eindruck, als werde der "Unionsbürger" von der EU mit Menschenwürde "beschenkt". Zudem gebe es ein Klassensystem der Grundrechte: hochrangige liberale Abwehrrechte, aber nur deklaratorische soziale Rechte. Von "Gewaltenteilung als Rückgrat der Menschenrechtsidee" sei wenig realisiert. Ein Widerstandsrecht sehe die Verfassung nicht vor, was nicht zum Menschenbild des "mündigen Bürgers" passe. Obwohl 91 Prozent der Europäer die Familie als ihren "wichtigsten Lebensbereich" einschätzen, finde dies keine äquivalente Verwirklichung im Verfassungsvertrag. Den Schutz diesen wichtigsten Werts delegieren die "Architekten Europas" auf die nationalstaatliche Ebene.

 

Erste Sätze

Es gibt Mordtaten in der Geschichte, welche immer wieder die Blicke auf sich ziehen durch die Gestalt und Bedeutung des Ermordeten.

Karl Alexander von Müller: Karl Ludwig Sand, 2. Aufl. München, 1925


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