© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Krieg gegen die Wut
Horror: "28 Weeks Later" von Juan Carlos Fresnadillo
Claus-M. Wolfschlag

Ein Kennzeichen des phantastischen Films ist, daß sich hinter der Fassade des abenteuerlichen Spektakels stets auch Auseinandersetzungen mit den menschlichen Urängsten und elementaren Antrieben ebenso wie mit der gesellschaftlichen Gegenwart verbergen.

"28 Weeks Later" ist ohne Zweifel ein Horrorfilm; einer von der knallharten Sorte zudem, dessen Bilder die Kinobesucher in Atem halten werden. Doch flammt auch immer wieder das mulmige Gefühl auf, daß die gezeigten Bilder, so aberwitzig sie auf den ersten Blick erscheinen, in etwas anderer Form durchaus im Bereich des Menschenmöglichen liegen - wenn noch nicht hier, so doch mindestens anderswo auf der Erde.

Der Zugang wird etwas leichter, wenn man die Vorgeschichte bzw. den Vorgängerfilm kennt. 2002 überraschte der britische Regisseur Danny Boyle ("Trainspotting") mit einem Zombiestreifen der extremen Sorte. Mit teils grobkörnigen Bildern und einer unruhigen Kameraführung öffnete "28 Days Later" das alte Genre für die neue Bildästhetik der jungen Videofilmer.

In der Geschichte verwandeln sich mit einem Virus Infizierte in sekundenschnelle in rasende Bestien, deren einziges Trachten in der brutalen Jagd auf gesunde Menschen zu liegen scheint. Von einer unvorstellbaren Wut besessen, fallen sie selbst über Verwandte und Nachbarn her. Es ist ein halbtotes Leben, denn von Wut allein kann man nicht existieren. Nach einigen Tagen ohne Ernährung brechen die Infizierten körperlich zusammen und verenden.

An dieser Stelle setzt die Fortsetzung "28 Weeks Later" des spanischen Regisseurs Juan Carlos Fresnadillo ein: Sechs Monate nach dem ersten Ausbruch des Killer-Virus in Großbritannien scheint die Epidemie zum Erliegen gekommen zu sein. Sie hat ein verwüstetes Land hinterlassen.

Doch nun hat sich die US-Armee bereit erklärt, für eine geordnete Neubesiedlung der Insel zu sorgen und die Straßen voller Müll und Schrott sukzessive zu säubern. Überlebende werden in bereits aufgeräumten Londoner Stadtteilen angesiedelt, Neuankömmlinge einer peinlich genauen Kontrolle an den Flughäfen unterzogen.

Bereits bei der Einreise eines jungen Geschwisterpaares, der Hauptfiguren der Handlung, fühlt man sich an die verschärften amerikanischen Einreisebestimmungen im Zuge des "Kampfes gegen den Terror" erinnert. Die Stadt wirkt wie ein Militärlager, auf allen Hochhausdächern sind GIs mit Maschinengewehren postiert. Die Ordnungsmacht hat sich offensichtlich vorgenommen, eine zivilisatorische Mission zu erfüllen.

Andy und Tammy halten sich jedoch nicht an die Sicherheitsbestimmungen, sondern betreten illegal das alte Stadtviertel, in dem einst das eigene Haus lag. Dort entdecken sie ihre tot geglaubte Mutter, verwahrlost und infiziert zwar, aber anscheinend ohne daß die Krankheit bei ihr ausbricht - ein medizinisch bislang einmaliger Fall.

Das US-Militär hat den Ausflug der Kinder rasch bemerkt und nimmt deren Mutter in Gewahrsam, um sie medizinisch zu untersuchen. Doch die Frau bleibt ansteckend, und so liegt es in der Natur des Horrorgenres, daß die Seuche durch einen Zufall wieder ausbricht.

Was dann folgt, ist zunehmendes Chaos. "Wir haben die Kontrolle verloren", muß selbst der US-Befehlshaber irgendwann eingestehen. Und es wird der Befehl ausgegeben, auf jeden Passanten, ob infiziert oder gesund, zu schießen.

Der Kampf gegen das Böse fordert eben Kollateralschäden. Und so gehen die Truppen schließlich dazu über, ganze Straßenzüge mit napalmartigen Geschossen zu bombardieren, während die überlebenden Zivilisten von zwei Seiten eingeschnürt werden, von den Infizierten wie dem Militär, das sie als Ordnungsmacht eigentlich schützen sollte.

Unweigerlich drängen sich dem Betrachter bei diesen apokalyptischen Bildern Gedanken an das gegenwärtige Geschehen im Nahen Osten auf, vor allem im Irak. Unbändige Wut ist wie ein Virus. Und hier wie dort scheint es offenkundig, daß man Wut nicht allein mit Waffengewalt zurückdrängen kann. Was bleibt, ist Rat- und Hilflosigkeit.

Foto: US-Sergeant Doyle (J. Renner), Scarlet (R. Byrne), die Geschwister Andy (M. Muggleton) und Tammy (I. Poots)


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