© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Ein heißer politischer Herbst
Italien: Ex-Premier Berlusconi will Mitte-Rechts-Parteien fusionieren / Antwort auf linke Einheitspartei
Paola Bernardi

Nur Ignoranten glaubten, daß Silvio Berlusconi still zusehen würde, wie sein Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Romano Prodi, das Land weiter ungehindert regiert. Denn Prodi, der 2006 mit nur einem knappen 0,6-Prozent-Vorsprung an die Macht kam, ist längst zum Spielball der radikalen Linken in seinem heterogenen Mitte-Links-Bündnis geworden. Und Italien bleibt zutiefst gespalten und polarisiert. Als eine "Konfetti-Gesellschaft" charakterisierte der italienische Soziologe Giuseppe De Rita den derzeitigen Zustand der italienischen Gesellschaft.

Nachdem die Umfrageergebnisse von Prodis Regierungskoalition immer tiefer in den Keller rutschen, wurde Walter Veltroni als neuer Hoffnungsträger der Linken Italiens auserwählt (JF 31-32/07). Der römische Bürgermeister soll die neu geschaffene linke Demokratische Partei (PD), die im Oktober auf einem konstituierenden Kongreß offiziell gegründet wird, zum Siege führen. Ziel dieser angeblich bürgernahen und reformorientierten linken Sammelbewegung (dominiert von Postkommunisten und linken Ex-Christdemokraten) soll es sein, mit einem modernen, gemäßigten politischen Image und einer Öffnung zur Mitte hin neue Wähler zu ködern.

Mit dieser Ankündigung hatte die Stunde für Berlusconi geschlagen. Es ist wahrscheinlich sein letzter Coup. Denn der Oppositionschef und Führer der rechtsliberalen Ex-Regierungspartei Forza Italia (FI) ist zutiefst frustiert. Einerseits ist Prodi trotz ständigem Gerangel im Mitte-Links-Bündnis L'Unione und verlorener Parlaments-abstimmungen immer noch an der Macht. Andererseits müpfen seine eigenen Verbündeten im "Haus der Freiheiten" (Casa delle libertà) immer wieder gegen ihn auf. Denn der bald 71jährige hat sein Streben zurück an die Macht nie aufgegeben.

Nur ein neuer Name für ein vorhandenes Produkt?

So wurde erst jetzt bekannt, daß Berlusconi bereits vor drei Wochen den Namen und das Symbol einer neuen Partei notariell hat registrieren lassen. Sie heißt Partito della libertà (Partei der Freiheit) und hat sich zum Ziel gesetzt, die Fusion der Mitte-Rechts-Parteien voranzutreiben, die sich zwischen FI, der rechtsnationalen Alleanza Nazionale (AN), der föderalistisch-rechtspopulistischen Lega Nord, der christdemokratischen UDC und einer Vielzahl kleinerer Formationen aufteilen.

Die neue Formation zielt aber auch darauf ab, die Parteigrenzen des derzeitigen Casa delle libertà zu überschreiten, wie FI-Senator Paolo Guzzanti erklärte: "Wir müssen für die liberalen und reformorientierten Kräfte in Italien bei anstehenden Wahlen wieder attraktiv werden." Das Ringen um jeden Wähler von rechts wie von links hat in Italien begonnen.

Das Logo dieser rechten Neugründung ist himmelblau (die Lieblingsfarbe von Berlusconi) mit grün-weiß-roten Streifen. Zur künftigen Generalsekretärin hat Berlusconi die 39jährige Michela Vittoria Brambilla erwählt. Diese junge, erfolgreiche und noch dazu attraktive Unternehmerin aus Berlusconis FI hatte schon vor einem Jahr begonnen, die Circoli della Libertà (Zirkel der Freiheit) im Internet aufzubauen.

"Vorwärts, schicken wir Prodi nach Hause", so lautet der Wahlspruch, mit dem neue und alte Mitglieder motiviert und geworben wurden. Und Brambilla hat anscheinend großen Erfolg mit ihrer Methode. Sie war es auch, die das Symbol der neuen Partei beim Notar verbriefen ließ. Auf die Frage, ob Berlusconi nun seine Forza Italia zugunsten der neuen Freiheitspartei aufgeben werde, spielte der Oppositionschef die Angelegenheit herunter: Er wollte sich nur den Namen für die Zukunft sichern lassen.

Das Ziel dieser neuen Partei dürfte vor allem darin bestehen, nicht nur seiner FI neuen Auftrieb zu geben, sondern zugleich seine verbündeten Parteien stärker an sich zu binden.

Bislang hatte die FI im Mitte-Rechts-Spektrum ein so starkes Übergewicht, daß es immer wieder zu Spannungen zwischen der AN und der Lega kam - etwa in Fragen des Föderalismus und der Steuer- und Subventionsverteilung zwischen Nord- und Süditalien. Aber auch die UDC unter ihrem Parteiführer Pierferdinando Casini muckte immer wieder gegen Berlusconi oder die Lega öffentlich auf - vor allem, um sich selber zu profilieren.

Die ersten Reaktionen auf diese Mitte-Rechts-Fusion ließen - trotz Sommerpause und Feuerbrunst in Süditalien - nicht lange auf sich warten. So zeigt sich AN-Chef Gianfranco Fini im Prinzip nicht abgeneigt. Der Ex-Außenminister sieht in dem neuen rechten Zusammenschluß ein Gegengewicht zu der neu zu bildenden linken PD. Allerdings behagen ihm die Konditionen von Berlusconi nicht. Roberto Calderoli, Lega-Politiker und ehemaliger Minister, erklärte, seine Partei interessiere sich nicht für die neue rechte Bündnispartei, schließlich sei man immer dagegen gewesen und werde es auch bleiben. Auch Rocco Buttiglione, Co-Vorsitzender der UDC, äußerte sich zurückhaltend zu Berlusconis Plänen.

Die Parteigründungspläne, noch dazu mit der rothaarigen Brambilla an der Spitze, haben auch bei den alten FI-Weggenossen Irritationen ausgelöst: "Berlusconi hat gehandelt wie der Besitzer eines Supermarktes, der für ein bestehendes Produkt einen neuen Namen erfindet, um den Absatz zu steigern", erklärte FI-Senator Marcello Dell'Utri, der clevere PR-Mann und langjährige Berlusconi-Intimus.

Aus den Reihen der Linken heißt es, diese neue Fusion sei wieder eine "Partei aus Plastik" wie die 1994 gegründete Forza Italia. Die FI war aber auch bei den letzten italienischen Wahlen 2006 erneut die relativ stärkste Einzelpartei.

Erster Probelauf der "Partei der Freiheit" sollen übrigens die Kommunalwahlen im November in Courmayeur im Aostatal werden - hier wo traditionell links gewählt wird, wie Berlusconi während seines Urlaubs auf Sardinien verlauten ließ. Italien bereitet sich auf einen heißen Herbst vor.

Foto: Designierte Generalsekretärin Michela Vittoria Brambilla: "Vorwärts, schicken wir Prodi nach Hause!"


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen