© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Leserbriefe

Zur JF-Serie: "Das konservative Minimum" von Karlheinz Weißmann, JF 33/07

Staatliche Eingriffe

Diese Serie trifft vor allem im vierten Teil den Nagel auf den Kopf. Trotzdem möchte ich gerne einige ergänzende Anmerkungen anbringen: Echte Konservative sind ideologiefrei und widerstehen jeglichen utopischen Beglückungsfantasien, weil sie die Fehlbarkeit des Menschen kennen und eine "Endlichkeit" der Geschichte im Sinne der Verwirklichung eines Paradieses auf Erden ablehnen. Deswegen sind die meisten echten Konservativen auch überzeugte Christen.

Der echte Konservative ist auch ebenso liberal, wie der echte Liberale konservativ ist. Beide Grundeinstellungen sind zwei Seiten derselben Medaille. Zu kurz kam daher in der Betrachtung von Herrn Weißmann bisweilen die entscheidende Frage zum Verhältnis des Konservativen zum Staat und (Berufs-)Politik. Echte Konservative begreifen, daß Staat und Politik nicht die Rettung, sondern eine ständige Versuchung sind, Fehlentwicklungen der Vergangenheit unter Einsatz staatlich-politischer Maßnahmen korrigieren zu wollen.

Nicht Platons totalitäre Staatsfantasien sind Vorbild des echten Konservativen, sondern das Menschenbild des Aristoteles, am prägnantesten dargelegt in seiner Nikomachischen Ethik: "Sein Handeln muß der Mensch selbst verantworten." Denn wer eigenverantwortlich handelt und weiß, daß er für unmoralisches Verhalten voll zur Rechenschaft gezogen wird, handelt allein verantwortungsbewußt. Evolutionsbedingt muß sich moralisches Verhalten daher durchsetzen, es sei denn, Politik und Staat greifen ein, was sich anhand einfacher Beispiele verdeutlichen läßt: Wer zur Absicherung im Alter allein auf die eigenen Familienangehörigen angewiesen ist, wird sich automatisch um ein redliches Verhalten innerhalb dieser Familie bemühen. Wer weiß, daß ihn ein anonymes Kollektiv versorgt, wird eher auf gelebte Solidarität verzichten. Wer sich darauf verlassen kann, daß sein Eigentum nicht durch ständig wachsende staatliche Zwangsmaßnahmen immer mehr entwertet wird, hat größere Spielräume für freiwillige Wohltaten gegenüber seinen Mitmenschen und weiß, daß sich Leistung und Fleiß am Ende lohnen.

Die vielzitierte Spaßgesellschaft hat spätestens dort ein Ende, wo staatliche Subventionen und die Alimentierung der Faulheit durch den umverteilenden Wohlfahrtsstaat gekappt werden. Nicht der "böse" Kapitalismus, die Moderne oder die "umweltzerstörerische" Industrie bedrohen also konservative Werte, sondern staatliche Eingriffe, verursacht durch politische Allmachtsfantasien oder menschheitsbeglückende, totalitäre Ideologien.

Dr. Thomas Jahn, Kaufbeuren-Neugablonz

 

 

Zu: "Der Dirigent und seine Denunzianten" von Jens Knorr, JF 33/07

Sich treu geblieben

Es kann einem wahrlich angst und bange werden, wenn man das dummdreiste Denunziantentum ansieht, das sich hier an einem Künstler austobt, der in seiner unangepaßten Konsequenz (ohne daß man sicher im einzelnen alle seiner Positionen teilen müßte) schon in der DDR ein Lichtblick für alle war, die die Kunst nicht auf Repräsentation und Ideologie fixiert sehen mochten, und der lieber sich selbst treu blieb, als sich anzubiedern - wie es von manch einem seiner Kollegen zu erleben war.

Musikliebhaber danken ihm viel: Ich erinnere mich zum Beispiel an eine überwältigende Aufführung von Mozarts Jupitersinfonie in Weimar. Ohne alle Mätzchen der heutigen "historischen Aufführungspraxis" dirigierte Reuter einfach werktreu: nämlich mit allen in der Partitur stehenden Wiederholungen, was dem Werk eine Weite gab, die man selten hört. Oder denken wir an seine Aufnahme von Berlioz' "Fantasie über Shakespeares 'Sturm'" mit dem Orchester der Komischen Oper. Wo finden Struktur, Temperament und Poesie dieses wunderbaren und so selten zu hörenden Stückes so zusammen wie in Reuters Interpretation? Freilich sind das Dinge, die im Horizont der jetzt aufgetretenen ideologischen Wadenbeißer keinen Platz haben dürften. Sei's drum! Rolf Reuter wird dadurch nicht "beschädigt".

Karsten Erdmann, Anklam

 

Eines ihrer vielen Opfer

Aus der Sicht eines ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen in der UdSSR (dazumal 19 Jahre alt) gab es 1945 in den sowjetischen Lagern eine Pest, die sich Antifa nannte. Die deutschen Lagerleitungen waren 1945 von ihren Vertretern besetzt, die sich ihren sowjetischen Herren angedient und wohl alles über Bord geworfen hatten, was Menschen zu Menschen macht. Sie lebten gut, während sehr viele von uns verhungerten. Sie waren ganz einfach das Letzte, wie man heute sagt. Anders habe ich sie nie erlebt. Wer auf anderes Erleben zurückblicken kann, möge dankbar sein.

Da scheint sich bis zur Gegenwart wenig geändert zu haben, nur daß sie heute anderen Herren zuarbeiten. Daß ihre Gruppen staatliche Zuschüsse erhalten, diskreditiert die Geldgeber und macht sie zu Mitschuldigen.

Der Dirigent Rolf Reuter ist eines ihrer vielen Opfer. Und er wird nicht das letzte sein, jedenfalls nicht so lange, bis in unserem Land wieder Anstand und Recht gelten und Meinungsverschiedenheiten im Widerstreit der Meinungen mit Argumenten und nicht mit Denunziation und Gewaltakten ausgetragen werden.

Dieter Pfeiffer, Berlin

 

 

Zu: "Protektorat Europa" von Thorsten Hinz, JF 33/07

Nicht behindern, sondern lernen

Ja, Europa ist ein Protektorat. Seit dem Aufstieg Amerikas und Rußlands im 19. Jahrhundert und spätestens seit der Oktoberrevolution 1917 bestünde die Notwendigkeit eines "nach außen geschlossenen, nach innen gegliederten europäischen Großraumes". Wäre es klug gelaufen, hätten sich die kulturell differenzierten Nationen Europas zu ihrer Selbstverteidigung zusammengefunden und "sich in die Notwendigkeit einer höheren Einheit gefügt".Richtig ist, daß Europa in dieser Herausforderung versagt hat, weil es nicht kulturell ansetzte, sondern an nationalen Hegemonialträumen festhielt, weil es nach 1945 in der eng ökonomischen Konzeption verblieb und weil zu viele Europäer, nicht zuletzt in Wissenschaft und Publizistik, sich auf die Seite der Sieger-ideologien schlugen, als "Besatzer im eigenen Lande" agieren wollten, aber am Ende miteinander nur den Stellvertreterkampf der beiden Großmächte führten.

Unrichtig ist, daß auch die Pan-Europa-Projekte auf einem System von Siegern und Unterlegenen beruht hätten. Dieses setzte sich vielmehr durch die Machtkonstellationen gegen die Verfechter der europäischen Einheit durch. Es ist kontraproduktiv, wieder die alten Ressentiments der Nationalkonservativen gegen Europa überhaupt in Stellung zu bringen.

Falsch ist auch, daß der Gründungskonsens der EU ein "antifaschistischer" gewesen wäre. Daß heute ein Pseudo-"Antifaschismus" diese Usurpation vornehmen kann, liegt an dem kulturell-politischen Versagen der christdemokratischen Funktionärsklasse, die im Gegensatz zu den Bohème-Intellektuellen der europäischen Linken die strategische Bedeutung der Kultur nicht ernst nimmt.

Der Gründungskonsens der EU war erstens ein antitotalitärer. Damit war natürlich in der Positionierung zwischen Ost und West eine Vorentscheidung für westlich-aufgeklärte Liberalität getroffen. Aus europäischer Sicht war aber der Quellort der Freiheit eben nicht die Marktökonomie, wie für die ausgreifenden Amerikaner, sondern der substantielle Rechtsstaat nach innen und außen.

Der Gründungskonsens der EU war zweitens ein demokratischer. Hier begann das Durcheinander in den bürgerlichen Köpfen, die oft glaubten, mit dem Stichwort die Sache begriffen zu haben. Solange einige europäische Christdemokraten noch intellektuell diskursfähig waren, war ihnen klar, daß das Subjekt der Demokratie weder die ephemere Gesellschaft noch eine zufällige Ansammlung von konsumkonditionierten Individuen sein kann. Der Osten und die Linke wußten über den politischen Subjektcharakter von historischen Kollektiven meist besser Bescheid als die Bürgerlichen.

Bürgerliche Politiker, die an Freiheit und Demokratie interessiert sind, sollten also versuchen, solche, die sich intellektuell um eine demokratische Kultur der Freiheit mühen, nicht auch noch zu behindern, sondern im eigenen Interesse von ihnen zu lernen.

Dr. Helmut de Craigher, Stuttgart

 

 

Zu: "Verbrauch wie ein Panzer" von Carsten Krystofiak, JF 33/07

Nicht gerade nützlich

Als ich den Artikel über die Geländewagen las, dachte ich schon, die Post hätte mir versehentlich eine falsche Zeitung zugestellt. Da hat die Redaktion offenbar nicht aufgepaßt. Auch für die jetzt laufende "Abokampagne 2007" ist dieser Beitrag unangenehm tendenziös und sachlich weitgehend ganz falsch - nicht gerade nützlich.

Joachim E. K. Schliemann, Aumühle

 

 

Zum Leserbrief: "Klerikal-fundamentalistisch" von Gerhard Sailer, JF 31-32/07

Tödlicher Zeitgeist

Diesem Leserbrief muß ich entschieden widersprechen. Es hat nichts mit Klerikalismus und auch nichts mit "religiösen Wahnvorstellungen", dagegen viel mit Humanität und menschlicher Solidarität zu tun, wenn sich Menschen dagegen wehren, daß unschuldigen Kindern, die sich nicht wehren können, ihr grundsätzlich verbrieftes Recht auf Leben verweigert wird.

Herr Sailer sollte sich, ehe er behinderten Menschen ihr Lebensrecht abspricht, mit dem kleinen Tim aus Oldenburg persönlich konfrontieren. Der JF-Redaktion möchte ich dafür danken, daß sie sich so entschieden für das Lebensrecht der Ungeborenen einsetzt und auch in dieser Frage dem tödlichen Zeitgeist Widerstand leistet.

Claus Jäger, Wangen im Allgäu

 

 

Zum Leserbrief: "Etwas mehr Verständnis" von Karl-Heinz Bauer, JF 31-32/07

Leid ist Bestandteil des Lebens

Der Leserbriefschreiber meint, mit Hilfe der pränatalen Diagnostik würde ein vielfaches Leid verhindert. Aber was ist das für ein Leid, welches durch Töten eines ungeborenen, behinderten Mitmenschen verhindert werden soll? Das Leid ist auch Bestandteil menschlichen Lebens. Niemals darf ein Mord an einem unschuldigen Menschen, sei er geboren oder ungeboren, dazu dienen, um das menschliche Leid zu verringern.

Seit 1977 arbeite ich mit "Behinderten" und muß sagen, mit Sicherheit leiden diese nicht mehr als "normale" Mitmenschen - ja, sind sogar offensichtlich zufriedener als unsereins. Viele Eltern behinderter Kinder empfinden ihr behindertes Kind als Bereicherung und als ein Geschenk. Behinderte haben Talente, Begabungen, welche sich zwar kommerziell nicht verwerten lassen, die aber unser menschliches Dasein im Gemütsbereich enorm bereichern. Der schwächere Mensch muß gepflegt und versorgt werden, nicht getötet! Dies verlangt das Naturrecht, aber erst recht der christliche Glaube.

Oskar Schmitt, Rimpar

 

 

Zu: "Bis daß der Tod euch scheidet" von Felix Krautkrämer, JF 30/07

Aus Liebe zurückkehren

Den Protesten gegen die Nachzugsbestimmungen ist entgegenzuhalten, daß es aus Sicht der Bundesrepublik, insbesondere unter dem Aspekt der Integration, gar nicht einzusehen ist, dem Ehepartner von hier lebenden Ausländern ebenfalls ein Aufenthalts- oder Einwanderungsrecht einzuräumen, insbesondere dann, wenn die Eheschließung erst nach der Einwanderung des hier lebenden Partners erfolgte.

Ist es wirklich unzumutbar, aus Liebe zu seinem Ehepartner in sein Heimatland zurückzukehren zu müssen? Viele Kinder, insbesondere Töchter von hier lebenden Ausländern, würden für eine solche Einschränkung sehr dankbar sein, denn dann könnten sie nicht mehr als Aufenthalts-Beschaffungsobjekt mißbraucht werden.

Dr. Otto Ernst, Leverkusen

 

 

Zur Meldung: "Kinder von Holocaust-Opfern wollen klagen", JF 30/07

Gleiches Recht für alle

Ich verstehe gut, daß Kinder von Holocaust-Überlebenden einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfen und deshalb eine Sammelklage anstreben. Genauso berechtigt wären allerdings Sammelklagen von Millionen von Deutschen, die noch heute unter den Folgen alliierter Massenverbrechen leiden: Vergewaltigungsterror, Spreng- und Brandbombenterror, Vertreibungsterror, Aushungerungsterror und andere Gewaltverbrechen, die größtenteils an Unschuldigen - darunter Kinder, Frauen, Alte und Kranke - begangen wurden.

Dazu kommt der Psycho- und Moralterror der permanenten einseitigen Allein- und Kollektivschuld-Zuweisung seit Versailles, der sich unübersehbar krankmachend auch auf unsere Nachfolgegene-rationen auswirkt und anscheinend auch bewußt zu diesem Zwecke durchgeführt wird. Vielen Millionen Deutschen wäre eine psychotherapeutische Behandlung zu wünschen, um ihre psychische Gesundheit und ihr Selbstwertgefühl wiederzuerlangen - auch und gerade zum Wohle ihrer Nachkommen!

Rudolf Taubitz, München

 

 

Zu: "Dorn im Auge der Mächtigen", Interview mit Stefan Herre, JF 30/07

Läßt Schlimmeres befürchten

Die neue Generallinie der JF heißt offenbar "Kampf dem Islam!" Kommerziell könnte sich das rechnen, denn Konservative gibt es kaum noch, während die von Pankraz beschriebenen "Spießer" ein riesiges Leserpotential darstellen. Allerdings müßte man dann auch das Niveau Ihres Blattes etwas absenken, etwa auf das der Enthüllungsbücher eines Udo Ulfkotte.

Ihre Propaganda für den Hetzer Stefan Herre läßt jedoch Schlimmeres befürchten. Nämlich, daß man über Türken und Araber lesen kann: "Wir sollten die Jungen in ein Sensibilitäts-Training schicken. Dort werden sie dann jeden Tag von je 15 Jugendlichen mit Eisenstangen zusammenschlagen, und wer es überlebt, darf in die Türkei ausreisen - straffrei." Oder: "Moslems sind nachweislich nicht selber zu Kulturleistungen fähig." Oder auch: "Islam ist ja bekanntlich die Religion der Analphabeten", "Abschaum wie die Arschhochbeter", "diese bärtigen Ziegenliebhaber" und "Nichts kann einen Mensch dermaßen erniedrigen, daß er auf die Stufe eines Moslems absinkt".

Diese Blütenlese von Politically Incorrect beweist, daß Volksverhetzung nicht verfolgt wird, wenn sie pseudo-philosemitisch kaschiert wird.

Hans-Christof Tuchen, Berlin

 

 

Zur Kolumne: "Pankraz, das Palmöl und die Klimasünder" und "Weniger ist mehr" von Volker Kempf, JF 29/07

Kein Alleinherrscher

Endlich ist auch in Ihrer Redaktion die Erkenntnis angekommen, daß alles Herumdoktern an den Symptomen der Erdzerstörung und der Klimaerwärmung nichts hilft, wenn die Hauptursache nicht abgestellt wird: die beängstigende Überbevölkerung des Planeten und das rasante Wachstum der Menschheit.

Da das Handeln der Politik auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist, wird diese Tatsache als unerwünscht betrachtet und zum Tabuthema erklärt - weniger Menschen verbrauchen ja auch weniger. Statt dessen redet man der Bevölkerung ein, sie müßte sich fleißig vermehren, weil sonst die Deutschen, oder wer auch immer, ausstürben und die Wirtschaft zusammenbräche, ganz zu schweigen von den nicht mehr zahlbaren Renten, wobei astronomische Summen in die Geburtensteigerung fließen.

Solange die Politik sämtlicher Parteien durch derartiges kurzsichtiges Denken bestimmt wird, wird die Zerstörung der letzten Naturräume nicht mehr aufzuhalten sein, und der immense Flächen- und Rohstoffverbrauch wird zunehmen. Der Mensch muß endlich aufhören, sich als Alleinherrscher des Planeten Erde aufzuführen!

Julia Gillis, Ostseebad Baabe

 

 

Zur Buchempfehlungen in der JF

Intellektuelles Vergnügen

Ich möchte mich an dieser Stelle für die Buchempfehlungen Ihrer Zeitung bedanken. Aufgrund ebendieser Empfehlungen bestellte ich mir drei Bände aus der Jenaer Vorlesungsreihe von Günter Zehm. Die Lektüre dieser Bücher war für mich ein außerordentliches intellektuelles Vergnügen. Mein "altehrwürdiges" Vorurteil, daß die Philosophie lediglich die Dienerin der Theologie sei, wurde nebenbei glänzend widerlegt. Besonders beeindruckt hat mich der fünfte Band: "Das Schlußwort Zarathustras". Hier paßt für mich auch sehr gut dieser Ausspruch Nietzsches: "Ein Buch, das man liebt, darf man nicht teilen, sondern muß es besitzen." Also vielen Dank an "Pankraz" für diese hervorragende Vorlesungsreihe.

Torsten Teichert, Neubrandenburg


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