© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Meldungen

Volk ohne Forstraum: Grünröcke in Osteuropa

STUTTGART. Vermutlich steht eine gründliche Durchleuchtung einer "Verstrickung" des Reichsverbands der Deutschen Imker, Kleintierzüchter oder Briefmarkensammler in die NS-Verbrechen schon morgen auf der geschichtspolitischen Tagesordnung. Heute sind es jedenfalls erst einmal die Förster, Landschaftsplaner und Holzkaufleute. Um ihren Anteil an der "Unterwerfung Osteuropas" kümmert sich Peter-M. Steinsiek vom Institut für Forst- und Umweltpolitik an der Universität Freiburg (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1/07). Im Zeichen der NS-Autarkiepolitik sei unter Reichsforstmeister Hermann Göring der in der offiziösen Propaganda kultisch überhöhte "deutsche Wald" bis 1939 rücksichtslos ausgebeutet und nur unzureichend verjüngt worden - "ein eklatanter Verstoß gegen das Nachhaltsgebot". Da sei es nur konsequent gewesen, den Krieg zur "forstlichen Aneignung" fremden Forstraums zu nutzen. Besonders durch die Einbindung in die "gewalttätigsten Szenarien" der "Unterwerfung Osteuropas", wo sich "Forstschutzkommandos" auch an der Austilgung von "Partisanen" beteiligt hätten, sei die deutsche "Forst- und Holzwirtschaft" zu einem "Teil des Unrechtssystems" in den besetzten Gebieten geworden.

 

Wiedervereinigung: Weder fair noch sozial

SEELZE. Die "innere Einheit" der Deutschen ist fast zwanzig Jahre nach dem Mauerfall "unvollendet". Nicht nur, weil "der Ostler" beim Überholen immer noch nicht blinkt. Sondern, so Joachim Rohlfes in seiner Bilanz des stotterigen Vereinigungsprozesses (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 5-6/07), weil es keine "geteilte soziale Identität" gebe. Daß dabei die partiell positiven objektiven Wirtschafts- und Sozialdaten sich in subjektiver Wahrnehmung nicht niederschlagen und es daher mit dem "Gerechtigkeitserleben" in Mitteldeutschland hapere, sei der Teil des Problems, der den SED-Erben bei Wahlen Zulauf bringe. Denn ebenso objektiv stehe fest, daß "die Westler" bei der "Umverteilung" nach 1989 eindeutig begünstigt worden seien. Es sei bei der Vereinigung weder fair noch sozial zugegangen. Darum müsse man fürchten, daß viele Mitteldeutsche den "fundamentalen Unterschied zwischen sozialistischer Diktatur und demokratischem Rechts- und Verfassungsstaat nicht wahrnehmen" und dessen "Errungenschaften weiterhin geringschätzen".

 

Nato: Orchester ohne Instrumente

BADEN-BADEN. Der Militär-etat der USA ist größer als der der vierzehn folgenden Nato-Partner zusammen. Selbst wenn also die europäische politische Klasse "williger" gestimmt wäre, den US-Interventionismus zu unterstützten - sie könnte es nicht, weil die "militärischen Fähigkeiten Europas kaum beachtlich" sind. Diese "militärische Rückständigkeit", so folgert Heiko Reiter in einer völkerrechtlichen Studie über "Die neue Sicherheitsarchitektur der Nato" (Kritische Justiz, 2/07), begünstige nicht nur völkerrechtswidrige US-"Alleingänge" wie den Einmarsch in den Irak. Sie biete auch der europäischen "Friedenspolitik" kaum Perspektiven. Denn, wie Reiter den großen Preußenkönig zitiert, Diplomatie ohne Streitkräfte sei nun einmal wie ein Orchester ohne Instrumente. Trete hier kein Wandel ein und würden Verteidigungsbudgets weiterhin von Sparkommissaren geschrumpft, könnten dem "neuen Imperialismus der USA" auch im Rahmen der Vereinten Nationen keine Zügel angelegt werden.

 

Erste Sätze

Könnte es sein, daß es die unvollkommene Schönheit ist, welche sich als die vollkommenste erweist?

Jürgen Kesting: Maria Callas, Düsseldorf, 1990


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