© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Raus aus der EU?
Andreas Mölzer

Erneut hat eine Meinungsumfrage ergeben, daß gut ein Viertel der Österreicher für den Austritt aus der EU ist. Fast 40 Prozent meinen, daß der EU-Beitritt 1995 mehr Nachteile als Vorteile gebracht habe. Damit hat sich neuerlich erwiesen, daß die Anzahl der EU-Gegner wie der EU-Skeptiker in Österreich gleich geblieben und daß damit die Alpenrepublik eines der EU-kritischsten Länder ist.

Verwunderlich ist das nicht. Bedenkt man, daß die EU-Granden nunmehr die Bevölkerung neuerlich mit einer konstitutionellen Mogelpackung (EU-Vertrag) überfahren wollen, ohne Plebiszit und ohne demokratisch ernst zu nehmende Ratifizierung. Bedenkt man weiter, daß man den EU-Beitritt der Türkei offenbar kompromißlos durchziehen will, auch wenn dieses Land zunehmend islamischer wird und demokratie-politisch schwere Defizite aufzuweisen hat. Bedenkt man weiter, daß ganz reale Alltagsprobleme wie der explodierende Transitverkehr durch die EU keineswegs gelöst, sondern vielmehr verschärft werden. Bedenkt man weiter, daß man die Österreicher im Jahr 2000 mit Sanktionen eindeckte und daß sie nunmehr mit einer EU-Antirassismus-Agentur in Wien beglückt werden, die schon beinahe den Charakter einer politisch korrekten Kolonialbehörde angenommen hat.

Die Versuchung, unter dem Motto "Raus aus der EU" um die Wählerstimmen jener 25 Prozent Österreicher zu buhlen, die genau dies wollen, ist groß. In der Demokratie ist es ja legitim, dem Volk aufs Maul zu schauen und dafür Wählervertrauen zu lukrieren. Allzu einfach aber sollte man es sich im Falle der europäischen Integration nicht machen. Die Menschen spüren zwar, daß die real existierende EU sich in einer demokratiepolitischen Sackgasse befindet. Sie wollen keinen bürokratischen Superstaat, kein Europa, das von multinationalen Konzernlobbyisten gelenkt wird, und keinen multikulturellen Völkerbrei. Sie wollen aber sehr wohl ein Europa der nationalen und sprachlich-kulturellen Vielfalt, der freien Völker und der möglichst selbständigen Vaterländer. Ein Europa aber auch, das nach außen hin stark ist und in der Lage, sich zu behaupten im Zeitalter der Globalisierung.

Das heißt also, daß die Österreicher - und mit ihnen viele andere Europäer auch - zwar dafür sind, "Raus aus der EU" zu sagen, daß sie aber statt dessen für das wirkliche Europa sind. Raus aus der EU heißt also raus aus der Sackgasse, in der sich die Union gegenwärtig befindet, bedeutet den Wunsch nach grundlegenden Reformen und völlig anderen Weichenstellungen der künftigen europäischen Integration. "Raus aus der EU" ist also das ultimative Druckmittel, um die allzu träge, allzu selbstsichere EU-Nomenklatura zum Wandel und zur Reform zu zwingen.

Jene, die jetzt sagen, Österreich sei noch nicht in Europa angekommen, weil sie zur Kenntnis nehmen müssen, daß 40 Prozent der Alpenrepublikaner unzufrieden und 25 Prozent gar für den EU Austritt sind, haben in Wahrheit nichts begriffen. Sie haben nicht verstanden, daß Österreich keine EU braucht, um europäisch zu sein, daß wir seit Jahrhunderten nicht nur ein Teil, sondern ein Kern Europas waren und sind. Und sie haben nicht begriffen, daß wohlverstandene EU-Kritik ein Plädoyer für ebendieses wahre Europa sein muß.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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