© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Anspruch und Wirklichkeit
"Kampf gegen Rechts": Bundesprogramm "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie" vergibt Fördermittel in Höhe von 19 Millionen Euro / Zweistufiges Verfahren
Fabian Schmidt-Ahmad

Die erste Phase des Bundesprogramms "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" ist abgeschlossen. Das Programm, für welches in diesem Jahr rund 19 Millionen Euro zur Verfügung stehen und das von der in Berlin ansässigen Stiftung Demokratische Jugend umgesetzt und begleitet wird, stellt die Neuauflage der einst von der Regierung Gerhard Schröder ausgelobten Förderprogramme gegen Rechtsextremismus Entimon, Civitas und Xenon dar - diesmal unter Federführung der CDU-Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (JF 5/07).

Während eines zweistufigen Verfahrens ermittelte die mit der Auswahl beauftragte Firma Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH (gsub), welche bereits Entimon betreute, die ersten 85 "Modellprojekte", die bei einer Laufzeit von drei Jahren mit bis zu 450.000 Euro gefördert werden.

Da diese Projekte zusätzlich ungefähr die gleiche Summe, beispielsweise aus Länderförderprogrammen, beisteuern müssen, ergibt sich damit für diese ein Finanzvolumen von bis zu 900.000 Euro. Weiteren 34 Modellprojekten bietet gsub die Möglichkeit für ein Nachrückverfahren. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.

Es fällt auf, daß das Bundesprogramm - anders, als sein Name vermuten läßt - kaum Maßnahmen fördert, die unmittelbar einem "Kampf gegen Rechtsextremismus" zuzuordnen sind. Von vier "Themenclustern", für die sich Projekt­initiativen bewerben konnten, stellt lediglich einer ("Arbeit mit rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen") eine direkte Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus dar.

Die beiden Themengebiete "Auseinandersetzung mit historischem und aktuellem Antisemitismus" und "Frühe Prävention" sind dagegen allenfalls als eine indirekte Bekämpfung rechtsextremistischer Ideologien zu sehen. Gänzlich aus dem Rahmen fällt der Themenbereich "Präventions- und Bildungsangebote für die Einwanderungsgesellschaft". Warum angebliche "Wissensdefizite in bezug auf die unter Migrantengruppen vertretenen Religionen" der "einheimischen Bevölkerung" bekämpft werden müssen, bleibt ebenso Geheimnis wie die Frage, wie dies mit den Fördervorgaben zu vereinbaren ist, denen zufolge "Maßnahmen ... der religiösen oder weltanschaulichen Erziehung" nicht unterstützt werden.

Noch drastischer fällt der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit einer Bekämpfung rechtsextremistischer Ideologien auf, wenn man die Zuordnung der Projekte zu den jeweiligen "Clustern" berücksichtigt. Während sich ganze dreizehn bewilligte und sieben vorgeschlagene Projekte für die "Arbeit mit rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen" bewarben, sind es stolze 36 beziehungsweise 15 Projekte für das Thema "Präventions- und Bildungsangebote für die Einwanderungsgesellschaft".

Dieses scheinbare Paradoxon wird verständlich wenn man sich vergegenwärtigt, daß in der Vergangenheit die übliche Jugendarbeit mit rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen weitgehend vermieden wurde (JF 49/06) - offiziell mit der Begründung, daß sich die betreffenden Jugendlichen so in ihrer Ideologie akzeptiert fühlen könnten.

Der tatsächliche Grund ist wohl eher, daß dies für die betroffenen Sozialpädagogen unter Umständen eine Auseinandersetzung auch mit dem eigenen Nationalgefühl bedeutet hätte. Die Folge ist jedenfalls, daß auf diesem Gebiet verhältnismäßig wenige soziale Projekte angesiedelt sind - ganz im Gegensatz zu anderen sozialen Bereichen. So gibt es alleine im Berliner Problemstadtteil Neukölln eine unüberschaubare Zahl von Trägern, die Projekte mit Bezug zu Migrationsthemen unterhalten.

Die gsub beispielsweise ist mit den beiden Projekten "Junges Neukölln" und "LernLaden Neukölln" gleich zweimal lokal vertreten. Solche Beziehungen lassen es verständlich erscheinen, wieso die gsub ein Projekt des Vereins "Netzwerk Neukölln" für "Jugendaktionsräume" als sehr empfehlenswert sieht - obwohl es unter Neuköllner Jugendlichen keinen nennenswerten Rechtsextremismus zu bekämpfen gibt.

Aber immerhin bewilligte die gsub auch ein paar Projekte für Jugendarbeit mit rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen - beispielsweise ein "Kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus" in Brandenburg. Der Trägerverein wird dies auch bitter nötig haben. Bislang machte sich nämlich der Regionale Förderverein vor allem einen Namen durch die Restaurierung eines agrartechnischen Denkmals.


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