© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

Weiß-blauer Traum von der Unabhängigkeit
Föderalismus: Angesichts der Krise der CSU erinnert sich die Bayernpartei an vergangene Zeiten und hofft auf einen selbständigen Staat
Werner Veith

Nein, mit der baskischen ETA haben wir nichts zu tun", meint Florian Weber, stellvertretender Parteichef der Bayernpartei. Weil die ETA die Gewalt nicht ablehne, sei sie auch nicht in der Europäischen Freien Allianz (EFA) vertreten, einem lockeren Verbund von über 30 regionalistischen und separatistischen Bewegungen in Europa und im Europaparlament.

Gern gesehen in der EFA sind dagegen die katalanischen Linksrepublikaner, die mit viel Geschick das Schwerpunktland Katalonien auf der Frankfurter Buchmesse 2007 durchsetzten. Ins Schwärmen kommt Weber bei den schottischen Wahlergebnissen: "Die Schottische Nationalpartei ist jetzt die stärkste Partei im Regionalparlament. Vor 15 Jahren waren nur 20 Prozent der Schotten für die Unabhängigkeit, heute sind es schon die Hälfte der Bürger." Aus Umfragen weiß Weber, daß in Bayern immerhin 18 Prozent für die Unabhängigkeit sind.

Doch von der Lust auf Abspaltung hat die rund 3.500 Mitglieder zählende Bayernpartei (BP) bislang wenig profitiert. Bei der Europawahl 2004 erzielte die BP ein Prozent der Stimmen, bei der vergangenen Landtagswahl gerade 0,8 Prozent. Am erfolgreichsten ist die BP außerhalb ihrer altbayerischen Hochburgen, wo sie zwei ehrenamtliche Bürgermeister stellt, nämlich im schwäbischen Baisweil und im oberfränkischen Stadelhofen, obwohl bestimmt nicht jeder Franke die 200jährige Zwangsehe mit Altbayern gut verkraftet, die Napoleon seinerzeit empfahl. Die Wahlen auf den Dörfern sind eben oft Persönlichkeitswahlen, jenseits vom Parteibuch. In Freyung-Grafenau, dem östlichsten Landkreis Bayerns, erzielte die BP 7,2 Prozent, eroberte vier Sitze im Kreisrat und acht Sitze in Gemeinderäten.

Früher, als noch alles besser war, zogen siebzehn Abgeordnete der Bayernpartei mit Lederhosen in den ersten Bundestag ein und kassierten flugs eine Rüge vom Bundestagspräsidenten. Als Liberalisten wurde die BP vom CSU-Mitbegründer Alois Hundhammer tituliert. Sie sei gerade keine christliche Weltanschauungspartei wie die CSU. Hundhammer mußte es ja wissen, er war berühmt für seine Wallfahrten mit der Marianischen Männerkongregation nach Tuntenhausen. "Herr Strauß, Sie sind der bestbezahlte Arbeitslose Deutschlands", wetterte der damalige Parteichef der Bayernpartei, Josef Baumgartner, gegen den damaligen Sonderminister Strauß. Der konterte mit "Partisanenführer aus Bayern", der die "christliche Einheitsfront" spalte und sich so an der bayerischen Aufgabe versündige.

Konservativ-christlich waren sowohl CSU und BP, die untergegangene Bayerische Volkspartei galt es zu beerben. Sie fischten in den gleichen Wählerschichten. Auf dem politischen Aschermittwoch 1953 in Vilshofen erklärte Baumgartner: Ein sozialistisches Deutschland, die Vorstufe zum Kommunismus, werde kommen, wenn die Feigheit des Bürgertums so weitergehe wie 1918, als der König zum Teufel gejagt worden sei, obwohl eine Kompanie Soldaten die Revolution habe verhindern können.

Wer war dieser Baumgartner und seine Männer? Er war ab Oktober 1945 bayerischer Landwirtschaftsminister und Mitbegründer der CSU. Baumgartners Begründung für den Übertritt am 15. Januar 1948: Er sei der Bayernpartei beigetreten, weil er in der CSU weder in seinem Kampf gegen den Frankfurter Zweizonen-Wirtschaftsrat noch gegen den Zentralismus Unterstützung fand. Baumgartner forderte eine Selbständigkeit wie Österreich und schimpfte auf das "Wirtschaftschaos der diktatorischen Reichsbürokratie in Frankfurt". Auf Frankfurt war er schlecht zu sprechen, weil Frankfurt die Quote für Kartoffellieferungen von Bayern nach Westdeutschland festlegte. Baumgartner rief gar zum Aufstand auf: "Sollten Prüfer von Frankfurt nach hierher kommen, ohne von mir beglaubigt zu sein, so ermächtige ich hiermit die Bauern, sie aus dem Lande zu jagen." Im Dezember 1947 wird Baumgartner entlassen, tritt mit CSU-Freunden in die BP ein und dominiert schlagartig den Parteikurs.

 Bei der Bundestagswahl 1949 erreicht die BP 20,9 Prozent und bleibt bis 1958 die drittstärkste Partei Bayerns. Von 1954 bis 1957 regiert eine Viererkoalition aus SPD, FDP, BP und dem BHE (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten), Josef Baumgartner ist stellvertretender Ministerpräsident von Bayern. Ein Trauma für die CSU, die größte Partei im Landtag. Doch dann greift die CSU an, verwickelt die BP in die sogenannte "Spielbankenaffäre" und attackiert sie mit juristischen Waffen: eine geschickte Selbstanzeige, falsche eidesstaatliche Erklärungen, raffinierte Fragen während eines Untersuchungsausschusses im Landtag.

Folge: Die Regierungskoalition tritt zurück und mehrere Politiker (einschließlich Baumgartner) der BP werden zu zweijährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Andere Politiker wirbt die CSU ab, die BP zerfällt und erhält bei Wahlen oft weniger als ein Prozent. Die Zeitschrift Stern darf nach jahrelangen Prozessen nun ungestraft behaupten: "Der ehemalige Generalsekretär der CSU, Dr. Friedrich Zimmermann, hat einen Mann durch Versprechungen dazu gebracht, mißliebige politische Gegner so schwer zu belasten, daß gegen sie ein ruinöses Strafverfahren in Gang kam." Gerichte verurteilen den jungen Juristen Zimmermann wegen fahrlässigen Falscheides, sprechen ihn später aber frei, weil ihm zum Zeitpunkt seiner Eide Unterzuckerung bescheinigt wird, die seine geistige Leistungsfähigkeit gemindert habe. Seither gibt es den Spitznamen "Old Schwurhand".

Soweit die heroische Geschichte der Bayernpartei. Ob die heutige BP bei den nächsten Wahlen im nächsten Jahr davon profitiert, bleibt offen. Die CSU ist zumindest in Würzburg, Coburg, Fürth und Regensburg heftig zerstritten, eigene Wählerlisten haben sich abgespalten. Freie Wählervereinigungen erzielen auf lokaler Ebene oft 20 Prozent. Und die Bayernpartei? Sympathische Bodenständigkeit und ein völkerrechtliches Feuerwerk bieten die Seiten der BP im Netz. Der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider zündet eine Rakete nach der anderen für die Unabhängigkeit Bayerns, zieht alle Register des Völkerrechts. Ähnlich wie bei seiner Klage gegen die EU-Verfassung argumentiert er detailliert, kenntnisreich und mit Witz, unterhaltsam und ohne Schlafwirkung.          

Weitere Informationen im Internet unter  www.bayernpartei.de


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