© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

SPD stellt Wehrpflicht in Frage
Bundeswehr: Jüngere Funktionäre treten für Freiwilligenarmee ein / Entscheidung auf dem Bundesparteitag im Oktober
Paul Rosen

Die Wehrpflicht wackelt wieder. Noch 2005 hatten Union und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, an ihr festzuhalten. Nun beginnt sich der kleine Partner SPD von dieser Vereinbarung abzusetzen. Am 20. August will der SPD-Vorstand beraten, wie mit dem Wehrdienst künftig umgegangen werden soll. Die Genossen stehen unter Zugzwang. Auf dem Hamburger Parteitag Ende Oktober wollen sie ein neues Parteiprogramm beschließen. Und darin müssen sie
eine Aussage zur Bundeswehr machen. Der bisher vorliegende Entwurf spart die Thematik aus, weil die Partei tief gespalten ist.

Keine Frage: Die Parteispitze tritt klar für die Wehrpflicht ein. Parteichef Kurt Beck, Fraktionschef Peter Struck und auch Arbeitsminister Franz Müntefering wollen den derzeit neun Monate dauernden Dienst für junge Männer ab 18 nicht abschaffen. Besonders Struck befürwortet die Wehrpflicht. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, der zu dem SPD-Fraktionschef ein sehr enges Arbeitsverhältnis pflegt, dürfte Struck permanent einflüstern, daß die Bundeswehr auf die Wehrpflichtigen nicht verzichten kann.

In der SPD fährt der Zug jedoch langsam, aber sicher in Richtung Freiwilligenarmee. Die kommende Generation der Spitzengenossen, zum Beispiel die designierte stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles, ist klar für die Abschaffung.

Diese Position vertreten auch der niedersächsische Spitzenkandidat Hartmut Jüttner, der saarländische Landesvorsitzende Heiko Maas und seine baden-württembergische Kollegin Ute Vogt. Für Jüttner spielen ökonomische Aspekte eine Rolle: Bis zu 1,7 Milliarden Euro könnten eingespart werden. Der Druck, zu Veränderungen zu kommen, ist so groß, daß der SPD-Vorstand bereits durchsickern ließ, Beck und Struck wollten auf einen eigenen Pro-Wehrpflicht-Antrag auf dem Parteitag verzichten.

Derzeit wird nach Kompromissen gesucht. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold griff eine Idee der früheren Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Bundestages, Elke Leonhard, auf. Leonhard wollte ein Bonus-Modell einführen. Wer Wehrdienst leiste, solle zum Beispiel mit Bonus-Punkten belohnt werden und früher den gewünschten Studienplatz und andere Vorteile bekommen. Arnold legte jetzt einen Plan vor, wonach junge Männer nur noch dann zum Wehrdienst eingezogen werden sollen, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden. Wer sich meldet, soll mit mehr Geld und besseren Aussichten auf Studien- oder Ausbildungsplatz belohnt werden. Ganz ähnlich argumentiert der SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Weigel spricht sich gegen die Kompromißlösung von Arnold und Bartels aus, "die es letztlich allen recht machen soll". Zur Erfüllung der heutigen Aufgaben der Bundeswehr erscheine die Wehrpflicht kontraproduktiv. Die Einsatzrealität müsse Maßstab der Entscheidung sein.

Wie die Entscheidung der SPD ausfallen wird, vermag noch niemand zu sagen. Die Fronten in der Partei sind unübersichtlich, weil hier nicht Linke gegen Rechte stehen, sondern der Riß auch durch die jeweiligen Lager geht.

Die Realität sieht heute allerdings schon so aus, daß kaum noch ein junger Mann eingezogen wird, der nicht zum "Bund" will. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat die Zahl der Wehrpflichtigen leicht erhöht - von 30.000 auf 35.000. Hinzu kommen 25.000 Männer, die sich als "freiwillig länger Dienende" bis zu 23 Monate verpflichtet haben. "Über 80 Prozent der Tauglichen wurden auch einberufen", freut sich Jungs Staatssekretär Christian Schmidt (CSU). Auf diesen Wert kommt das Ministerium, weil man die Gesundheits- und andere Kriterien so heraufgesetzt hat, daß die allermeisten Männer bei der Musterung untauglich sind - auch eine Methode, das Problem der Wehrgerechtigkeit zu lösen.

Solange die Union in Berlin regiert, wird die Wehrpflicht nicht kippen. Aber wenn die SPD Chancen auf eine linke Mehrheit sieht und mit Linkspartei und Grünen zusammengehen sollte, wird sie die Wehrpflicht auf dem Altar der neuen Koalition opfern.

Foto: Bundeswehr-Rekruten bei der Einkleidung: Solange die Union in Berlin regiert, wird die Wehrpflicht nicht kippen


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