© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

Der Diktatur die Stirn geboten
Vergangenheitsbewältigung: Zahlreiche Organisationen kümmern sich seit Jahrzehnten um die Opfer des SED-Regimes und die Aufarbeitung der DDR-Geschichte
Ekkehard Schultz

Vor Jahren  beklagten der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Arnold Vaatz und der junge Historiker Jörg Siegmund die Zersplitterung der Interessensorganisationen der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland. Diese sei eine Hauptursache dafür, daß diese Verbände nur eine marginale Rolle spielten.

Tatsächlich existiert derzeit eine Vielzahl von Vereinigungen, die selbst für wohlmeinende Außenstehende oft sehr verwirrend wirkt. Das Spektrum reicht von Organisationen mit mehreren tausend Mitgliedern und deutschlandweiten Aktivitäten bis zu solchen, die sich im wesentlichen nur aus Insassen einer Hafteinrichtung zusammensetzen und oftmals nur aus wenigen Überlebenden bestehen.

Der älteste und bis heute größte Einzelverband von Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland ist die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS). Sie wurde bereits 1950 in der Bundesrepublik von ehemaligen Insassen der sowjetischen Speziallager in der SBZ/DDR gegründet. Daneben entstanden in den fünfziger Jahren in Westdeutschland unter anderem der Verband politischer Häftlinge des Stalinismus, die Vereinigung 17. Juni 1953 und der Verband ehemaliger Rostocker Studenten.

Ebenfalls sind in diesem Zusammenhang der Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen (UfJ), der Menschenrechtsverletzungen in der SBZ/DDR dokumentierte, und die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) zu nennen, deren Büros im Westen Berlins in den fünfziger Jahren eine wichtige Anlaufstation auch für Tagesbesucher aus Mitteldeutschland darstellten.

Mit dem Mauerbau veränderten sich die Vorzeichen der Arbeit der Opferverbände der kommunistischen Gewaltherrschaft deutlich. Der Austausch mit den oft aus familiären Gründen in der DDR verbliebenen ehemaligen Haftkameraden war nun für längere Zeit praktisch unmöglich.

Mit dem Beginn der sogenannten Entspannungspolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) Anfang der siebziger Jahre verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen der Opferverbände weiter. Viele Organisationen, die weiter auf das Leid der Verfolgten des SED- Regimes aufmerksam machen wollten, wurden nun häufig als Relikte des Kalten Krieges betrachtet und diffamiert.

Unter den veränderten politischen Rahmenbedingungen setzte 1990 eine Flut von Gründungen von Verbänden ein, in denen sich Opfer der Diktatur zusammenschlossen. Die ersten von ihnen waren Gründungen von Bürgerrechtsorganisationen, unter deren Leitung die Bezirksverwaltungen des Staatssicherheitsdienstes gestürmt worden waren.

Zu ihnen zählen unter anderem das Bürgerkomitee Leipzig, das Bürgerbüro Berlin und die ASTAK (Antistalinistische Aktion). Deren Zusammensetzung unterschied sich von den bestehenden Organisationen im Westen schon dadurch deutlich, weil hier der Altersdurchschnitt der Mitglieder erheblich niedriger lag und die Verbände nicht nur aus ehemaligen Häftlingen bestanden. 

Kurz nach der Entdeckung der Massengräber von Opfern des kommunistischen Speziallagers Sachsenhausen im März 1990 kam es zur Gründung zahlreicher Organisationen, in denen sich die ehemaligen Insassen von einzelnen dieser Lager zusammenschlossen. Zu den bekanntesten unter ihnen zählen die Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen, die Initiativgruppe Buchenwald  und das Bautzen-Komitee.

Im gleichen Zeitraum entstanden ferner die Initiativgruppen Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen, Lager Mühlberg, Internierungslager Ketschendorf, Internierungslager Jamlitz e.V.  sowie NKWD Lager Tost (Oberschlesien). In die Kategorie dieser Vereinigungen gehört die Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion ebenso wie die Gruppe ehemaliger politischer Häftlinge in Cottbus und Umgebung, die Cottbusser Häftlingsgemeinschaft oder der Waldheim-Kameradschaftskreis. 

Mit dem 1991 in Leipzig gegründeten Bund der Stalinistisch Verfolgten (BSV) bildete sich auf dem Gebiet der neuen Bundesländer eine Opferorganisation, in der alle kommunistisch Verfolgten ohne Rücksicht auf Inhaftierungsort, Berufsstand und Art und Verfolgung eine Anlaufstelle finden konnten.

Rasch wuchs der BSV zur zweitgrößten Organisation dieser Art neben der weiter bestehenden VOS. Inzwischen gibt es seit einigen Jahren Bestrebungen der Vorstände von VOS und BSV, in einem gemeinsamen Verband zu verschmelzen.

Aus der SBZ und DDR Ausgesiedelte oder Enteignete finden in Verbänden wie der Arbeitsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) oder der Interessengemeinschaft Zwangsausgesiedelter einen Ansprechpartner. Zahlreiche Opfer der kommunistischen Diktatur sind ferner Mitglied im Bund der Vertriebenen (BdV).

Eine gemeinsame Plattform für viele der aufgeführten Organisationen ist die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG). Sie vereinigt als Dachverband über dreißig Einzelorganisationen.

In den vergangenen Monaten traten allerdings innerhalb der UOKG deutliche Spannungen auf, die in mehrfachen Ausschlußanträgen gegen zwei der mitgliederstärksten Verbände, die VOS und den BSV, mündeten. Beide Anträge waren jedoch bislang aus formalen Gründen nicht durchsetzbar.     

Weitere Informationen unter www.uokg.de


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