© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

Trügerische Ruhe
Ein Jahr Antidiskriminierungsgesetz: Die Meinungsfreiheit ist bedroht
Wolfgang Philipp

Am 18. August 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz  (AGG) in Kraft getreten. Es soll "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität" verhindern oder beseitigen (JF 44/06 und 08/07).

Um diese Ziele zu erreichen, hat der Gesetzgeber eine Doppelstrategie verfolgt. Zum einen enthält das Gesetz Änderungen des Zivilrechts. Arbeitnehmer und sonst am Zivilrechtsverkehr beteiligte Personen sollen vor "Diskriminierung" geschützt werden. "Diskriminierungen" sind gewöhnliche, gerichtlich verfolgbare Rechtsverletzungen. Zum anderen zieht der Staat zur Durchsetzung des bürgerlich-rechtlichen Antidiskriminierungsrechts eine aus staatlichen Behörden und Antidiskriminierungsverbänden bestehende flächendeckende Bürokratie auf. Diese soll neben den Gerichten die Befolgung des Gesetzes durchsetzen. Eine solche "Doppelgleisigkeit" zur Durchsetzung des bürgerlichen Rechts gibt es sonst nicht.

In Berlin wurde die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gegründet. Sie steht, obwohl Behörden sonst zur Objektivität verpflichtet sind, immer auf seiten der "Diskriminierten". Um deren Recht gegen Arbeitgeber und Vermieter durchzusetzen, ist sie mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Richterlich unabhängig, sind ihre Entscheidungen der parlamentarischen Kontrolle entzogen, der sonst alle anderen Behörden unterliegen. Mit den Antidiskriminierungsverbänden soll sie eng zusammenarbeiten. Deren Aufgabe ist es unter anderem, die Zentralstelle mit Informationen über "Diskriminierer" zu versorgen. Das Land Berlin hat eine eigene Antidiskriminierungsstelle eingerichtet. Diese soll unter anderem "Diskriminierungsfälle dokumentieren". Ein Vergleich mit Strafregistern oder "Sünderkarteien" liegt nahe. Wer einmal im Verdacht gestanden hat, wird abgespeichert. Die Information kann von den Verbänden abgerufen und den von ihnen beratenen "Diskriminierten" mitgeteilt werden. Persönlichkeitsschutz oder Löschung solcher Einträge nach Zeitablauf gibt es nicht. Die Antidiskriminierungsverbände können mit Unterstützung der Zentralstellen in einschlägigen Prozessen als "Beistände" auftreten und den Gerichten klarmachen, welche Entscheidung der Staat wünscht,   und sie dadurch unter Druck setzen.

Über das neue Gesetz wird viel geschrieben, die gerichtliche Praxis ist indessen noch bescheiden. Spektakuläre Fälle sind nicht bekanntgeworden. Die Arbeitgeber haben ihre Stellenanzeigen an das Gesetz angeglichen. An der "Front" herrscht eine solche "Ruhe", daß man geneigt sein könnte, das Gesetz als eher wenig effizient anzusehen. Die als wesentlicher Teil des Kontrollapparats vorgesehenen Antidiskriminierungsverbände sind kaum in Erscheinung getreten. Es hat sich aber herausgestellt, daß es Antidiskriminierungsverbände bereits gibt, und zwar in Köln, Leipzig, Aachen, Hamburg, und als Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg. Diese haben sich zu einem Antidiskriminierungsverband Deutschland mit Sitz in Berlin zusammengeschlossen. Sie sind als gemeinnützig anerkannt.

Die "Ruhe" ist also trügerisch. In der Stille entsteht ein staatlicher Überwachungsapparat, der in den Institutionen dieses Landes seinesgleichen nicht hat. Dieses überflüssige Kontrollsystem ist noch im Werden und wird seine freiheitsbedrohende Wirkung in wenigen Jahren voll entfalten. Ein Vergleich mit Gestapo und Stasi liegt nicht fern.

Es ist mithin festzustellen, daß in der Praxis eine eher hinter den Erwartungen zurückbleibende Entwicklung stattgefunden hat. Eine Gefahr für alle Bürger geht aber von der im Aufbau befindlichen, durchaus totalitären Verwaltungsstruktur aus. Das gilt besonders unter dem folgenden Gesichtspunkt:

In Deutschland spielt sich längst ein "Kampf der Kulturen" ab. Der Islam, der zugleich eine religiöse und eine politische Bewegung ist, wird immer stärker. Die Türkei übt durch eine Organisation namens Ditib in Deutschland türkische Hoheitsrechte aus, baut Moscheen, schleust Imame ein und verlangt Religionsfreiheit: obwohl die Türkei Religionsfreiheit verweigert. Wer solches zur Sprache bringt, wird sogleich verdächtigt, Türken wegen ihrer ethnischen Herkunft oder Religion "diskriminieren" zu wollen. So gesehen versucht das Gesetz, die Deutschen in der Auseinandersetzung mit Gefahren, die unsere verfassungsrechtliche Ordnung bedrohen, zu entwaffnen. Gegen eine solche Lähmung muß Widerstand geleistet werden. Hauptgegner wird der durch das AGG aufgezogene Überwachungsapparat sein: Er ist auch gegründet worden, um Rechte der Migranten gegen die Rechte der einheimischen Bevölkerung durchzusetzen. Das Auftreten eines türkischen Antidiskriminierungsverbandes unterstreicht diesen Befund.

Nach einem Jahr AGG ist es also geboten, besonders die Entwicklung und Tätigkeit der Antidiskriminierungsstellen und -verbände genauestens zu beobachten: Die Rechte der Bürger insbesondere auf freie Meinungsäußerung müssen verteidigt werden.                     

 

Dr. Wolfgang Philipp lebt als Rechtsanwalt in Mannheim. Zu den Tätigkeitsschwerpunkten seiner Kanzlei gehört die Beratung vom AGG betroffener mittelständischer Unternehmer.


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