© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/07 27. Juli / 03. August 2007

Wenn Tote stören:
Vom Sterben an der Mauer
Christoph Martinkat

Eine Zahl spricht für nichts als sich selbst. Sie ist autonom und stellt eine objektive Größe dar. Das macht ihre Qualität aus und verweist zugleich auf ihre Grenzen: Eine Zahl ist ein Abstraktum; der Mensch hingegen braucht die Relation des Gegenständlichen, um sich unter einer Zahl etwas vorstellen zu können. So erst ergibt sich für ihn eine brauchbare Information. - Doch geht diese Information tatsächlich über reine Statistik hinaus? Oder bedarf es nicht vielmehr der persönlichen Geschichte hinter den Zahlen, die uns so etwas wie ein Geschichtsbewußtsein entwickeln läßt?

Die Dokumentation "Wenn Tote stören - Vom Sterben an der Mauer" (Mi. 1. August, 22.45 Uhr; ARD) beantwortet letztere Frage eindeutig mit ja. Und sie tut dies aus gutem Grund: Verbirgt sich doch hinter jedem der über 120 Toten an der Berliner Mauer ein einzigartiges menschliches Schicksal. Im Dialog des Kalten Krieges wurde das Thema Mauertote als störend empfunden oder ausgeblendet. Man vermied es jedenfalls gern, darüber zu sprechen, in Ost wie in West.

So verwundert es kaum, daß es noch heute diverse Maueropfer ohne Namen gibt und daß zahlreiche Umstände, unter denen die "Flüchtlinge" starben, weiterhin im dunkeln liegen. "Wenn Tote stören" gibt nun erstmalig - basierend auf Polizei- und Stasiakten sowie Aussagen von Zeitzeugen - dreien der Opfer mit Hilfe nachgestellter Spielszenen ihre Geschichte zurück. Dazu berichten ehemalige Politiker beider Seiten, warum bis zum Herbst 1989 kein politisches Mittel gefunden wurde, um das Sterben an der Mauer zu beenden.


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