© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/07 27. Juli / 03. August 2007

Die neue Hoffnung der Linken
Italien: Walter Veltronis gemäßigter Kurs soll breite Wählerschichten ansprechen / Kritiker werfen ihm "kitschigen Popularismus" vor
Paola Bernardi

Da stand er nun in dem symbolträchtigen Turiner Fiat-Stammwerk Lingotto mit seinem offenen hellblauen Hemd und ließ den Beifall der Anwesenden nach seiner einstündigen Rede souverän über sich ergehen.

Walter Veltroni, der 52jährige Bürgermeister von Rom, hatte soeben bekanntgegeben, daß er Generalsekretär der neuen italienischen Demokratischen Partei (PD), der größten Formation im derzeitigen Regierungslager, werden will. Eine Videoshow der Schönheiten Italiens untermalte seine Rede, und wie immer beendete Veltronis Lieblingssong "A Whiter Shade of Pale" seinen Auftritt.

Unter der neuen Politiker-Generation, die die alte Garde - von Premier Romano Prodi und seinem Amtsvorgänger Silvio Berlusconi verkörpert - ablösen wird, sind der linke Walter Veltroni und Gianfranco Fini (Alleanza Nazionale/AN) auf der rechten Seite die beliebtesten Politiker in Italien. Ihre Popularität wird immer wieder von Umfragen bestätigt, dennoch fehlt ihnen die Unterstützung der Basis und als Zugpferde für die Partei gelten sie bisher nicht.

 Der Ur-Römer Veltroni liebt es, amerikanisch locker aufzutreten, er, der einst glühende Anhänger von Kommunistenchef Enrico Berlinguer, mutierte zum Kennedyaner. Seine gut einstudierte Rede in Turin verletzte niemanden seiner anwesenden linken Parteifreunde. Hatte vielmehr für jeden - seien es die Grünen oder die radikalen Linken, seien es die Gewerkschaften oder die Kommunisten - ein Trostpflaster. Denn Veltroni gilt als "Gutmensch", als "buonista", als Prediger eines "kitschigen Popularismus". Veltroni lächelt über alle Probleme spielend hinweg, auch über Intrigen seiner Parteigenossen. Er betont, daß er wirklich "nie Kommunist" war, obwohl er sich bei den Jungkommunisten einschrieb und über die PCI-Liste bei der Kommunalverwaltung Roms Karriere machte und es bis zum Bürgermeister brachte. 1992 bis 1996 war er auch Chefredakteur der Parteizeitung L'Unità, deren Auflage er mit Filmkassetten und Fußballbildchen verbessern konnte.

 Veltroni ist wendig und biegsam, festlegen kann man ihn nicht, das wissen selbst seine Parteifreunde, und vor allem fürchtet er Auseinandersetzungen. Er will eine Welt ohne Gegner, so der Turiner Intellektuelle Gianni Vattimo. Veltroni kränkt es auch nicht, daß die Stadtverwaltung von Rom immer wieder international durch die Medien am Pranger steht: Smog, Schmutz, das Nichtfunktionieren der öffentlichen Verkehrsmittel und vor allem, daß Rom längst die europäische Hauptstadt der Kleinkriminalität geworden ist. Alle Negativurteile perlen an ihm ab.

Doch dafür "erfindet" der Bürgermeister immer neue populäre römische "Events": Gay-Village, Pop-Konzerte auf der Piazza del Popolo, Solidaritätsfeste für Afrika und - als Absolvent einer Filmschule - Filmfeste, alles, was Touristen anzieht. Nebenbei schreibt er am laufenden Band Bücher: Vorwiegend über Afrika, dessen Not Veltroni so dringend lindern möchte. Wie oft fluchen römische Taxifahrer im heißen Stau: "Afrika ist längst in Rom." Von 1998 bis 2001 war er Chef der postkommunistischen Linksdemokraten (DS). Er setzte sich damals gegen seinen ständigen Konkurrenten Massimo D'Alema (derzeit Außenminister) durch.

Und dieser Walter Veltroni wurde nun als neuer Hoffnungsträger auserkoren, nachdem die Parteien der Linken Italiens unter Premier Prodi immer tiefer bei den Wählern sinken. Die DS bewegt sich um 17 Prozent, die gemäßigten Linken und Ex-Christdemokraten (Margherita) unter Francesco Rutelli um acht Prozent, während es Berlusconis Forza Italia auf über 30 Prozent bringt. Mit Veltroni würden sich die Umfrageergebnisse schlagartig bessern, so hoffen es die Linken.

 Doch die im April dieses Jahres beschlossene Gründung der PD ist eine "kalte" Fusion. Durch dieses neue Mitte-Links-Lager, das erst im kommenden Oktober durch einen konstituierenden Kongreß verwirklicht werden soll, soll eine neue bürgernahe und reformorientierte Sammelbewegung entstehen. Durch ein modernes, gemäßigtes politisches Image und eine Öffnung zur Mitte hin soll die neue Linkspartei appetitlich für bürgerliche Wechselwähler bis hinein ins Berlusconi-Lager gemacht werden.

 Doch noch leiden beide Altparteien unter den Ängsten, ihre Wählerschaft zu verlieren. So hat der Führer des linken Flügels der DS, Fabio Mussi, bereits seine Abspaltung vollzogen. Prodi, der das PD-Projekt vorangetrieben hat, mußte immer wieder mit seinem Abgang drohen, bevor man ihm den Posten des "Präsidenten" der neuen Partei einräumen wollte. Auch gegen Veltroni als Generalsekretär hatte er größte Bedenken. Doch er wurde überstimmt, angesichts der schwachen Position seiner Regierung, in der er sich von Abstimmung zu Abstimmung hangeln muß.

Ob Veltroni und die PD jemals so ein "Knüller" werden, wie die linken Parteistrategen es ausgetüftelt haben, bleibt ungewiß. Noch weiß niemand, wie lange die Regierung Prodi überhaupt noch durchhält. Die beiden altkommunistischen Parteien (PdCI/PRC) haben letzte Woche Widerstand gegen die gerade beschlossene Rentenreform angekündigt. Erst im September will Veltroni das PD-Programm vorstellen. Er wird dann eine Tour durch Italien machen, und zwar vom Norden (Padua) bis in den Süden, um es zu präsentieren.

In jeder Stadt will er ein anderes Thema ansprechen. In Padua soll über eine Reform des Steuersystems diskutiert werden. In Mailand will Veltroni seine Pläne eines neuen "Generationenpakts" zur Rentenreform und zur Bekämpfung unsicherer Arbeitsplätze vorstellen. In Palermo geht es um das Thema Frauen und Arbeitswelt. Eine Expertengruppe erarbeitet die verschiedenen Bereiche. Danach sollen die "Primaries" nach amerikanischem Vorbild erfolgen.

 Schon mehren sich warnende Stimmen: So meinte die hochangesehene Altkommunistin Rossana Rossanda von der L'Unità : "Veltroni wird verheizt". Und auch Verteidigungsminister Arturo Parisi (Margherita) gibt sich eher skeptisch: "Auch eine Kandidatur von Veltroni wird die alte linke Nomenklatura nicht brechen können." Provokant hingegen schrieb der populäre Journalist Gad Lerner (einer der Begründer der PD) in einem Artikel: "Lieber Walter, wolltest Du nicht nach Afrika gehen?"

Foto: Walter Veltroni im Kreise seiner Anhänger: Amerikanisch-lockeres Auftreten, immer ein Lächeln parat


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen