© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Ein globaler Konflikt wird unvermeidlich werden
Jean-François Susbielle prognostiziert einen Dritten Weltkrieg zwischen den USA und der neuen Supermacht China
Peter Lebitsch

Kaiser Wilhelm II. warnte bereits vor über hundert Jahren vor der "gelben Gefahr". Heute fürchten Europäer und Amerikaner das neu erstarkte China.  Der Wirtschaftsexperte Jean-François Susbielle nutzt die lukrative Asienwelle und stößt laut ins Horn. Ein "programmierter", also unvermeidbarer  "Dritter Weltkrieg" stehe bevor, den die  USA und China auszutragen hätten.

Bis 2020 erniedrige China "die USA und alle anderen Länder des Erdballs zu Vasallen". Washington habe nur fünf Jahre Zeit, wolle es  diesen Trend  stoppen. Der  Irakkrieg werde auch deshalb geführt, um China vom Erdöl abzuschneiden. Angeblich erlauben westliche Staaten China nur ein bescheidenes Wirtschaftswachstum. Sie verwehren Peking ebenso das Recht, "sich zu schützen" und seine Armee qualitativ zu kräftigen. Solche Glaubenssätze verdienen größte Skepsis. 

Beweisen kann Susbielle nichts, sondern er rechnet die ökonomischen Daten Chinas, das mehr als 1,3 Milliarden Menschen zählt, willkürlich in einen Hegemonialkrieg hoch, ohne zu erkennen, daß Statistiken keine Politik machen. Derzeit avanciere China zur wirtschaftlichen Großmacht und stelle 28 Prozent der Weltindustriegüter her. Chinesische Waren gehen in den Export. Gleichzeitig dürfen Westfirmen nur dann in China investieren, wenn sie Hightech mitbringen. Chinesen organisieren Absatzmärkte und kontrollieren ganze Branchen. Demnächst produziere China auch Werkzeugmaschinen, Roboter, Flugzeuge. 

Hat man darin eine Katastrophe zu sehen? Susbielles Denkweise widerspiegelt das merkantilistische Kolonialzeitalter. Falsch ist es, zu glauben, daß ein Land nur dann prosperiere, wenn andere arm bleiben. Sofern europäische Firmen wegen niedriger Löhne nach China gehen, ist es sinnvoller, Konzernchefs anzuklagen. Die hausgemachten innen- und wirtschaftspolitischen Probleme des Westens hat China nicht zu verantworten.     

Wer die Zukunft vorhersagen will, muß vergangene Epochen kennen. Im 19. Jahrhundert, schreibt er, demütigte der Westen das ferne asiatische Land; viele Chinesen reden von einer "Ära der Schande". Nun drängen sie "die restliche Welt in den Vasallenstatus zurück". Obwohl China kleine Nachbarländer wie Tibet unterwarf, verursachte es keine Hegemonialkriege, wie sie Europäer oder Japaner riskierten, denn das Reich der Mitte genügte sich selbst. 

Ein zweites Pearl Harbor droht kaum, zumal chinesische Interkontinentalraketen gegen amerikanische Abwehrsysteme nichts ausrichten. Nun mutmaßt Susbielle, daß Peking weiterrüste und irgendwann die USA militärisch "enthaupten" werde, die ihrerseits gewaltsame Aktionen planten, weil sie das "Zepter" behalten wollten. "Der Krieg scheint also unvermeidbar."

Solcher Kaffeesatzleserei liegen falsche Maßstäbe zugrunde. Abgesehen davon ruinierte ein chinesisch-amerikanischer Krieg alle Parteien. Ohnehin verringern Indien, Japan und manche "Tigerstaaten", die ein Gleichgewicht herstellen, die chinesische Macht.  Zwar kämpft der Westen gegen Peking um Rohstoffe; in Afrika haben die Erben Maos bereits Fuß gefaßt. Aber gerade diese Rivalität wirkt auch oft produktiv, wenn es gilt, neue Energiequellen zu erschließen.

Das chinesische Wirtschaftswunder bestehe darin, private Initiative mit staatlicher ökonomischer Kompetenz zu verschmelzen. Sollten westliche Neoliberale davon lernen? Statt Waffen zu horten, ist Intelligenz gefragt. Krieg erscheint ebensowenig "unvermeidbar" wie die Lektüre dieses reißerischen Buches.

Jean-François Susbielle: China-USA. Der programmierte Krieg. Propyläen Verlag, Berlin 2007, gebunden, 368 Seiten, 22 Euro


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