© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

CD: Rock
Vielbeschäftigt
Michael Insel

Michael Thompsons Laufbahn als Gitarrist umspannt fast drei Jahrzehnte, in denen er mit Größen des Plattengeschäfts wie Joe Cocker, Cher, Madonna und Shania Twain im Studio und auf Tournee war. Seine Soloalben "The World According to M. T."  und "M. T. Speaks" erhielten gute Kritiken. Legionen von Melodic-Rock-Fans jedoch dürfte sich der 1954 in Brooklyn, New York, geborene Thompson vor allem durch sein Debüt "How Long" empfohlen haben, das er 1988 gemeinsam mit den angesehenen Studio-Musikern John Andrew Schreiner (Keyboards), Leon Gaer (Baßgitarre), John Keane (Schlagzeug) und dem ehemaligen Strand-Sänger Rick "Moon" Calhoun unter dem Projektnamen Michael Thompson Band (M.T.B.) aufnahm. Im virtuellen Auktionshaus E-Bay wechseln Exemplare mittlerweile für 80 US-Dollar und mehr den Besitzer.

Ganz so tief brauchen Achtziger-Jahre-Nostalgiker künftig nicht mehr in die Tasche zu greifen: Zur Feier der Veröffentlichung von Thompsons brandneuem Titel "Rivers of Paradise" hat die rührige Plattenfirma Frontiers Records eine Neuauflage auf CD mit drei Bonus-Stücken auf den Markt gebracht.

Leider hält "How Long" dem Test der Zeit nicht allzugut stand. Zugegeben, Alan Niven und Wyn Davis haben eine erstklassige Produktion abgeliefert. Doch die gefällig-melodischen Arrangements der ursprünglich zehn Stücke mit ihren tanzbaren Synthesizer-Rhythmen und stimmlichen Anleihen bei Toto klangen schon in den 1990ern veraltet. Tatsächlich würde die Platte sich bestens als Soundtrack für eine Folge der einstmals beliebten Fernsehserie "Fame" eignen, in der Thompson vier Jahre lang mitspielte. Der einzig wirklich hörenswerte Song war auf dem Original kurioserweise gar nicht enthalten. "Right To Be Wrong" ist ein ungeschliffener, aber hochkarätiger Diamant mit donnernden Schlagzeug-Sequenzen und harter, funkiger Gitarre als perfekte Begleitung zu der Wehmut, die Calhoun in seine Stimme legt.

Genau diesen Kick braucht "How Long", um mehr zu sein als nur Hintergrundmusik fürs "Zwanzig Jahre Abitur"-Klassentreffen. Erfreulich also, daß das Trio TRW aus Thompson, Schlagzeuger John Robinson und Mark Williamson (Gesang/Baßgitarre) auf "Rivers of Paradise" ebenfalls eine Mischung aus kantigem Classic Rock und stimmungsvollem Blues bietet. Von den Anklängen östlicher Mystik im Opener "Set Me Free" bis hin zum letzten Stück "Alimony Blues", aus dessen Intro man das Mississippi-Delta dampfen hört, zollen die drei sämtlichen Wurzeln ihrer Musik Tribut. Zu den Höhepunkten dazwischen zählen die Blues-Rocker "Indiscretion" und "One Good Woman" sowie die Balladen "Hold On" und "Only A Letter".

Bleibt zu hoffen, daß die drei vielbeschäftigten Studio-Musiker sich in naher Zukunft die Zeit nehmen, zusammen weitere Platten einzuspielen. Noch während der Aufnahmen für ihr beeindruckendes Debüt absolvierte Thompson einen Gastauftritt auf "Baptism of Fire" (Frontiers Records), der ersten Gemeinschaftsproduktion des ehemaligen Toto-Sängers Dennis Frederiksen mit dem Gitarristen und Produzenten Tommy Denander. Thompsons Beitrag zu dem Liebeslied "Silver Lining" zählt zu den wenigen Lichtblicken auf einem eintönigen, synthesizerlastigen Album. Wer Denanders Band Radioactive kennt, wird freilich nichts anderes erwartet haben.

Alle anderen können sich auf die im Titel angedrohte "Feuertaufe" gefaßt machen: Bombastische Trommelwirbel, wummernde E-Gitarren und ausgedehnte Synthesizer-Einlagen vermögen Frederiksens theatralischen Gesang nie ganz zu übertönen, so sehr sich die wackeren Musikanten auch ins Zeug legen.

Weitere Informationen im Internet unter www.michaelthompson.cc/


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