© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Milbradt der Ängstliche
Korruptionsaffäre: Die Ermittlungen zur Organisierten Kriminalität setzen die Koalition von CDU und SPD unter Druck / Ministerpräsident zögert
Paul Leonhard

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt ist ängstlich. Wäre es der Christdemokrat nicht, würde er die Machtfrage stellen und sich endlich vom ungeliebten Koalitionspartner SPD trennen. Schließlich ist es eigentlich ein Treppenwitz sächsischer Geschichte, daß die Sozialdemokraten auf dem absoluten Tiefpunkt der Wählergunst von der CDU zum Koalitionspartner auserkoren wurden und seitdem dem Nachfolger von Kurt Biedenkopf das Regieren schwermachen.

Zauderer Milbradt aber läßt es zu, daß die schwarz-rote Staatsführung von einer unaufgearbeiteten Krise in die nächste schlittert. Statt in Dresden ein Machtwort zu sprechen und die mit dem Erstarken der Linkspartei geschwächten, am Rande der Bedeutungslosigkeit taumelnden Sozialdemokraten zur Räson zu bringen, betrachtet der Ministerpräsident die Sachsen deutschlandweit Negativschlagzeilen bringende Korruptionsaffäre und die Dauerangriffe der Opposition auf die von der CDU gestellten Innen- und Justizminister seltsam teilnahmslos.

Auch die CDU-Fraktion zeigte wenig Phantasie. Mit formalen Mitteln vermochten die Christdemokraten lediglich kurzeitig einen von der Opposition beantragten Untersuchungsausschuß zur Akten-Affäre und den mutmaßlich kriminellen Verstrickungen von Politik, Justiz und Polizei mit der Organisierten Kriminalität zu verhindern. Zeit wurde damit gewonnen, aber kein Ansehen. Denn der Untersuchungsausschuß kommt, auch wenn der erste Antrag von FDP, Bündnisgrünen und Linksfraktion im Parlament scheiterte. Es war übrigens das erste Mal in der Parlamentsgeschichte Sachsens, daß ein Untersuchungsausschuß abgelehnt wurde. Das Minderheitenrecht gelte auch in Sachsen unabhängig vom Gutdünken der Regierung, hatte Landtagsabgeordneter Klaus Bartl (Linksfraktion) bereits vergangene Woche betont. Am Genossen Bartl scheiden sich aber auch die Geister. Zwar wurden auch die sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten von den Delegierten des am vergangenen Wochenende stattgefundenen Landesparteitages dazu verdonnert, notfalls gegen den Widerstand von Koalitionspartner CDU den Untersuchungsausschuß zu befürworten. Ob es dazu tatsächlich kommt, wird aber von der Linkspartei abhängen. Denn diese hat mit ihrem Rechtsexperten Bartl ausgerechnet einen ehemaligen Stasi-Zuträger als Ausschußchef vorgesehen. Gegen diese Person wehren sich nicht nur CDU, FDP und Bündnisgrüne, sondern auch Teile der SPD.

 Während der Landtag noch streitet, haben im Auftrag von Ministerpräsident Milbradt Experten aus anderen Bundesländern begonnen, die Akten des sächsischen Verfassungsschutzes aufzuarbeiten. Sie sollen als neutrale Gutachter klären, ob es im Freistaat tatsächlich eine Korruptionsaffäre gibt.

Mit diesen Teams werde es eine "größtmögliche Transparenz und eine objektive Aufklärung aller Sachverhalte" geben, hofft Innenminister Albrecht Buttolo (CDU). Mit dem Einsatz der Sonderermittler aus anderen Bundesländern hat Milbradt eine Forderung seines Stellvertreters, des sächsischen SPD-Vorsitzenden und Wirtschaftsministers Thomas Jurk, erfüllt. Im Weigerungsfall, so hatte dieser gedroht, sei die "Koalition ernsthaft gefährdet". Die gemeinsame Regierung sei kein "Bündnis für Vertuschung". Die Affäre müsse zügig, umfassend und ohne Ansehen von Person und Partei aufgeklärt werden. Die Christdemokraten kuschen weiterhin unter den Vorwürfen der SPD. Lediglich Sachsens CDU-Generalsekretär und Bundestagsabgeordneter Michael Kretschmer wagt verbalen Widerstand. Er erinnerte daran, daß der Hauptschauplatz der Korruptionsgerüchte das von den Sozialdemokraten regierte Leipzig sei.

Allerdings sind auch Kretschmer Grenzen gesetzt, denn der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) sitzt derzeit als Bundesverkehrsminister im Merkel-Kabinett. Und vom Wohl und Wehe Tiefensees hängt wiederum der Bau der in der Bevölkerung umstrittenen, von der Unesco abgelehnten, von Sachsens CDU aber befürworteten Waldschlößchenbrücke in Dresden ab.


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