© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/07 20. Juli 2007

Stolzer Kreml
von Martin Schmidt

Wladimir Putin hat die russische Außenpolitik aus der Defensive des ersten postsowjetischen Jahrzehnts herausgeführt. Sein jüngster Paukenschlag, die einseitige Aussetzung des 1990 zwischen Nato und Warschauer Pakt vereinbarten Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), schärft das Selbstbild des unnachgiebigen, stolzen und patriotischen Staatsmannes.

Die von zunehmenden Irak- und Afghanistan-Neurosen geplagten US-Amerikaner sehen sich zum Eingehen auf Moskaus Interessen veranlaßt. Selbst haben sie die Anpassung des KSE-Vertrages von 1999, mit der dessen bipolare Ausrichtung beseitigt wurde, nicht ratifiziert. Diese Einseitigkeit, die aus der Schwäche des Jelzinschen Rußlands resultierte, will der erstarkte Kreml nicht weiter hinnehmen. An dem in Putins Kündigungsdekret bemängelten Raketenabwehrschild in Tschechien und Polen dürften die USA festhalten, um in Ostmitteleuropa nicht das Gesicht zu verlieren. Während in diesem Teil des einstigen Ostblocks russische Expansionsansprüche anachronistisch erscheinen, sind amerikanische Zugeständnisse etwa im Kaukasus, auf dem Balkan oder bei der Rüstungskontrolle durchaus vorstellbar.

Doch die russische Freude könnte schnell verfliegen, sollte sich Washington doch nicht um einen Kompromiß bemühen, sondern sein schwindendes Interesse an Abrüstungsverträgen auch auf das KSE-Abkommen ausdehnen. Die Folge wäre ein neuer Rüstungswettlauf in Europa, den die Russische Föderation nicht gewinnen könnte.


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