© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

Raus aus der kulturellen Bewußtlosigkeit
Andeutungen politikwissenschaftlicher Perspektivwechsel zum neuen Patriotismus in der "Zeitschrift für Politik"
Oliver Busch

Die von der Fußballweltmeisterschaft im letzten Sommer ausgelöste "Patriotismus"-Debatte nimmt ihren Fortgang. Mit zwei beachtlichen Wortmeldungen in der Zeitschrift für Politik (ZfP, Heft 1/2007). Einerseits schlägt der Politikwissenschaftler Peter Cornelius Mayer-Tasch (München) mit seinen Reflexionen zur Frage "Was heißt heute noch 'Deutsch'?" in seiner Zunft eher ungewöhnliche Töne an, wenn er über die hierzulande grassierende "kulturelle Bewußtlosigkeit" lamentiert, vor Englisch als "sprachlicher Zweitwährung" warnt und unter Verweis auf Zuwanderungs- wie Globalisierungsdruck es nicht für ausgeschlossen hält, daß es in nicht allzu ferner Zeit im Verbund teilsouveräner europäischer Gliedstaaten ein multiethnisches Gebilde geben wird, daß sich nur noch deswegen "Germany" nennt, um "an das ursprüngliche ethnische Schwergewicht der diesen Raum bewohnenden Bevölkerung zu erinnern".

Was Mayer-Tasch allerdings jenseits dieser ungewöhnlich scharfen Polemik zur Bestimmung des "Deutschen" zu bieten hat, kommt über das Credo des Altmeisters Dolf Sternberger nicht hinaus, der den bundesdeutschen Verfassungspatriotismus auf "Maß, Mitte, Mäßigung" vereidigen wollte.

Ein wenig mutigere außenpolitische Konsequenzen aus dem neuen patriotischen "Wir-Gefühl" fordert der Bonner Politologe Volker Kronenberg ein, der sich im gleichen ZfP-Heft überdies soweit vorwagt, eine Lanze für Ernst Nolte zu brechen, wenn er den Umgang mit dem Berliner Historiker als einer "offenen Gesellschaft unwürdig" geißelt. Kronenberg greift in seinem Traktat über "Patriotismus und Außenpolitik" eine Reihe von Stimmen auf, die in den letzten Jahren Einspruch gegen den voreiligen "Abschied vom Nationalstaat" erhoben und wie Winfried Thaa die "notwendige Partikularität des Politischen" wiederentdeckten. Auch Kronenberg sieht in der Eingliederung des Nationalstaats in supranationale Verbände "weniger ein Zeichen seiner Untergangsreife als vielmehr ein Zeichen seiner Überlebenskunst und Wandlungsfähigkeit". Nur müsse dies langsam in das Bewußtsein der politischen Klasse dringen. Denn immer noch, wie Kronenberg unter Berufung auf eine Analyse von Hans-Peter Schwarz über die "Republik ohne Kompaß" urteilt, herrsche ein "eklanter Mangel an deutscher Staatsräson zugunsten illusionärer Integrationskonzepte für Europa". Was fehle, sei ein "funktionaleres Verständnis der EU" im nationalen Interesse. Die Ausführungen des Bonner Politologen münden allerdings wieder in seinen seit jeher verfochtenen Atlantizismus: "Zukunftssicherung in der euro-atlantischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur"!


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