© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

Das Hornberger Schießen in Australien
Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft: Die Apec-Handelsminister trafen sich zum 13. Mal / Gipfel bleibt erneut folgenlos
Albrecht Rothacher

Gipfeltreffen kosten im Schnitt 50 Millionen Dollar, sie produzieren verläßlich nette Fototermine und bleiben trotz bombastischer Abschlußkommuniqués meist folgenlos. Das Treffen der 21 Handelsminister der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in der Vorwoche im nordostaustralischen Cairns war keine Ausnahme. Mit großer Emphase forderten die Minister jener Wachstumsregion, wo knapp die Hälfte der Weltbevölkerung lebt und deren 21 Länder immerhin für etwas mehr als die Hälfte des globalen Warenaustausches verantwortlich sind, die Wiederaufnahme der Verhandlungen der seit 2001 dahinsiechenden Doha-Runde zur weiteren Liberalisierung des Welthandels (JF 26/06).

Doch waren solche Versuche, in kleiner Runde zwischen den USA, der EU, Indien und Brasilien zu einer Einigung zu kommen, schon 14 Tage vorher in Potsdam spektakulär gescheitert, als Indien und Brasilien die beiden anderen sitzenließen und ernsthafte Diskussionen verweigerten: Zu gründlich hatte man sich über Agrarsubventionen und Industriezölle zerstritten.

In Cairns waren von den Hauptkontrahenten nur die USA dabei. China, Singapur, Thailand, Taiwan ("Chinese Taipeh"), Vietnam, Korea und Japan braucht man zu den Tugenden des offenen Welthandels, zumindest des ungestörten Zugangs in ihre Hauptexportmärkte, von dem ihre Wirtschaftsentwicklung abhängt, kaum zu bekehren. Auch die anderen Apec-Mitglieder, die eher Rohstoffproduzenten sind, wie etwa Australien, Neuseeland, Indonesien, Brunei, Peru, Chile, Mexiko und Rußland, profitieren vom pazifischen Wirtschaftsaufschwung durch massiv gestiegene Rohstoffpreise.

Doch der Ehrgeiz der Apec reicht weiter. 1989 gegründet, ist es ihr deklariertes Ziel, bis 2020 vollen Freihandel und freien Kapitalverkehr zwischen allen asiatisch-pazifischen Volkswirtschaften zu schaffen. Dies entspräche zwei der vier Freiheiten (Waren, Kapital, Dienstleistungen und Arbeitnehmer) des EU-Binnenmarktes von 1992. Schon 2010 soll dieses Ziel nach einem in Bogor (Indonesien) 1994 erreichten Konsens in den besser entwickelten Apec-Staaten umgesetzt werden. Allerdings gab Malaysia schon damals zu Protokoll, dieses Ziel als unverbindlich anzusehen. Japan und Korea bestanden auf dem Ausschluß der Landwirtschaft.

Die Apec kam richtig in Gang, als US-Präsident Bill Clinton 1993 an dem damaligen Gipfeltreffen in Seattle teilnahm. Die seinerzeitig angenommene Erklärung zur wirtschaftlichen Zukunft suchte Ostasien nach allgemeiner Auffassung unter US-Führung globalistisch zu organisieren. Gleichzeitig wurde auf die damals noch lebendigeren Tigerstaaten massiver Druck zur Marktöffnung ausgeübt. Der US-Liberalisierungsdruck konzentrierte sich vor allem auf den für die Nordamerikaner besonders wichtigen IT-Bereich.

Der als hegemonistisch empfundene Mißbrauch einer auf Konsens angelegten internationalen Organisation konnte nicht ohne Reaktion bleiben. Die US-Initiative für einen formalen Vertrag stieß dann beim Gipfel von Osaka 1995 auf organisierten Widerstand. Unterstützt von China und Malaysia wurde der forcierte US-Versuch einer ausschließlich marktorientierten Integration durch das japanische Konzept individueller nationaler Umsetzungspläne unterlaufen. Da diese als freiwillige und einseitige Vorleistungen konzipiert waren, passierte vorhersehbar in der Folge sehr wenig.

Nachdem der Gipfel von Manila 1996 ergebnislos verstrichen war, drängten die USA beim Gipfel von Vancouver 1997 auf den Abbau von Zöllen und nichttarifären Handelshindernissen. Wiederum verhinderte das Konsensprinzip verbindliche oder gar terminierte Beschlüsse. Die Asienkrise von 1997, die von einer Vielzahl spekulativer, ungenügend besicherter Bankkredite ausgelöst wurde, traf die Apec ohne Analysen und ohne Lösungskonzepte. In der Stunde der Bewährung stellte sie sich als nutzlose Schönwetterveranstaltung heraus.

Die Apec konnte nur zur Kenntnis nehmen, daß der malaysische Premier Mahathir bin Mohamad in der Krise absprachewidrig Kapitalverkehrskontrollen einführte. Der japanische Vorschlag eines mit 100 Milliarden Dollar dotierten Asiatischen Währungsfonds, der den angeschlagenen asiatischen Währungen Heilungsalternativen zu den Orthodoxien des von den USA kontrollierten Internationalen Währungsfonds (IWF) anbieten sollte, scheiterte am US-Veto.

Als umgekehrt der vormalige US-Finanzminister John Snow im September 2003 beim Apec-Finanzministertreffen im thailändischen Phuket für Aufwertungen bzw. Wechselkursfreigaben der unterbewerteten ostasiatischen Währungen warb, die in den USA mehr und mehr als Instrumente der Exportförderung durch Währungsdumping gesehen werden, entgegnete sein japanischer Amtskollege kühl, man werde in der Schlußverlautbarung eine Sprache finden, die für alle akzeptabel sei. In der Tat wies dann das Apec-Endkommuniqué in kaum übertrefflicher Unverbindlichkeit die währungspolitischen Entscheidungen ausdrücklich dem Gutdünken der Mitgliedsstaaten zu.

Ohne operative Agenden gelten daher seit 1998 Apec-Gipfel und Ministertreffen nicht ohne Grund als Kaffeekränzchen zu Wirtschaftsthemen und fallen als ernsthafte Integrationsinstitutionen aus. Die farbenreichen Gipfel mit ihren Fototerminen, bei denen die Teilnehmer meist in Landestracht kostümiert antreten müssen, haben sicherlich durch ihr periodisches Zusammentreffen und den Zwang zum harmonischen öffentlichen gemeinsamen Auftreten der Regierungschefs die Funktion, das regelmäßige Aufflackern der Vielzahl an Grenz- und anderen Konflikten zu deeskalieren. Das allein rechtfertigt schon den Aufwand.

Der Apec-Gipfel von Bangkok im Oktober 2003 folgte einmal mehr der US-Agenda. Schon im Vorfeld hatten sich Teilnehmer wie Präsident Wladimir Putin, der sich von der Pazifischen Integration Sibiriens Wachstumsimpulse für die Wirtschaft des russischen Fernen Ostens verspricht, für die Freihandelsthematik und Terrorismusbekämpfung ausgesprochen. Auch die neue chinesische Führung tat in einer Charme-Offensive alles, um bei den Apec-Kollegen Vorbehalte gegen den steten Machtzuwachs der mißtrauisch beäugten Volksrepublik auszuräumen.

So setzten die USA als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 das Bekenntnis zu einem umfassenden Aktionsplan zur Terrorismusbekämpfung (der von verbesserten Gepäck- und Containerkontrollen für den Luft- und Seetransport bis zur Nichtverbreitung tragbarer Flugabwehrraketen und Massenvernichtungsmitteln reicht - ohne allerdings, wie von den USA gewünscht, das orthodox-kommunistische Nordkorea zu erwähnen) und den Wunsch nach Wiederaufnahme der im mexikanischen Cancún im September 2003 abgebrochenen Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) in der Apec-Abschlußerklärung durch.

Unter den Apec-Teilnehmern hatten Mexiko, Chile und die Philippinen in Cancún zu den Opponenten fortgesetzter Verhandlungen gehört. In Bangkok ließ nur noch Premier Mahathir (inzwischen abgelöst) die Forderung nach einer entwicklungsländerzentrierten Tagesordnung für die Verhandlungen laut werden. Da die Hauptgegner Indien, Brasilien und Ägypten jedoch nicht der Apec angehören, bleiben die Aussichten der WTO-Runde damals wie heute weiter mehr als ungewiß. Neben der Gipfeldiplomatie hat die Apec eine Vielzahl technischer Arbeitsgruppen zu Themen wie Fischereiproblemen, Informationstechnologien, dem Fremdenverkehr, der Energieversorgung und der Agrarentwicklung geschaffen.

Diese Arbeitsgruppen treffen sich unregelmäßig rund um den Pazifik, werden auf intergouvernementale Art von Ministerialbeamten der Mitgliedstaaten beschickt, und von jemandem aus ihrer Mitte geleitet, der entweder aktiv ist, oder auch nicht. Die Aktivitäten sind oft verdienstvoll, in ihrer unkoordinierten Vielfalt aber sicherlich nicht strategisch fokussiert. So werden Randthemen behandelt wie die Rolle von Risikokapital in Wissenschaftsparks oder der Wiederaufbau nach Katastrophenfällen im Tourismus.

Das im Stadtstaat Singapur beheimatete kleine Apec-Sekretariat von lediglich 50 Mitarbeitern (zum Vergleich: das Generalsekretariat des Europäischen Rates in Brüssel beschäftigt 2.300 Beamte) und einem Jahreshaushalt von vier Millionen Dollar hat nur einen vagen Überblick, ob und was in diesen Arbeitsgruppen passiert. Dazu wechselt das Führungspersonal des Sekretariats alljährlich, ebenso wie der Apec-Vorsitz selbst. Der Kontinuität der Arbeit dieser eher virtuellen Institution ist diese hohe Fluktuation sicher nicht zuträglich. Nach einer Selbsteinschätzung aus dem Jahr 2003 verliert die Apec an Grund. Ihre Ergebnisse seien zu weit gestreut, die Führung zu komplex und zu schwach, das Einstimmigkeitsprinzip lähme zu oft.

Neben dem disparaten Teilnehmerkreis mit seinen unvereinbaren Zielen und Absichten scheiterte die Apec im Rückblick an zwei von den USA zu verantwortenden Faktoren: dem Versuch, es für einseitige sozioökonomische Leitbilder (der Globalisierung Ostasiens im "neoliberalen" Gewande) zu instrumentalisieren, und der ideologischen Fixierung, eine regionale Integration sei rein marktgeleitet ohne richtige Institutionen möglich.

Um der Krise zu entrinnen, schlug Singapurs Ex-Premier Goh Chok Tong im September 2003 vor, die Apec solle die Vielzahl der sich in Asien multiplizierenden disparaten bilateralen Freihandelsabkommen so zusammenführen, auf daß doch noch fristgerecht die Apec-weite Freihandelszone entstehen möge. Dafür bedarf es aber eines einheitlichen politischen Willens, einer konsistenten und integrativen Führung und einer ausreichenden institutionellen Umsetzung und Kontrolle, zu deren Notwendigkeit bei den meisten Akteuren - in Washington angefangen - jedoch noch die Einsicht fehlt. Die Apec ist daher noch lange keine "EU des Ostens" - aber das Apec-Symbol - eine Weltkarte mit dem Stillen Ozean statt dem Atlantik im Zentrum - könnte in diesem Jahrhundert prophetischen Charakter bekommen.

 

Dr. Albrecht Rothacher war bis 2006 Direktor an der Asien-Europa-Stiftung (Asef) in Singapur. Kürzlich erschien sein neuestes Buch "Mythos Asien? Licht- und Schattenseiten einer Region im Aufbruch", Olzog Verlag, München 2007, broschiert, 400 Seiten, 29,90 Euro.

Informationen über die Apec im Internet: www.apec2007.org, www.apec.org

Foto: Apec-Handelsminister in Cairns: Bis 2020 voller Freihandel und freier Kapitalverkehr zwischen allen asiatisch-pazifischen Volkswirtschaften?


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