© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

Das Scheitern vor Augen
Integrationsgipfel: CDU-Politiker fordern niedrigere Hürden für Einwanderer / Ausländerverbände kritisieren neues Zuwanderungsgesetz
Josef Hämmerling

Noch bevor er überhaupt begonnen hatte, stand der zweite Integrationsgipfel der Bundesregierung, der an diesem Donnerstag stattfindet, vor dem Scheitern. Von der Großen Koalition dazu gedacht, aller Welt zu zeigen, wie tolerant und weltoffen Deutschland ist, wird die  Veranstaltung von den Interessenverbänden der  Einwanderer mittlerweile als Druckmittel verstanden, das Maximum für ihre Klientel herauszuholen. Schon die Debütveranstaltung vor einem Jahr war nicht viel mehr als eine Alibiveranstaltung, bei der zwar schöne Reden geschwungen wurden, konkrete und vor allem an den Notwendigkeiten ausgerichtete Ergebnisse aber Mangelware waren. Und leider ist auch von der Neuauflage, zu der sich Vertreter der Bundesregierung, der Wirtschaft sowie der beteiligten gesellschaftlichen Organisationen und Verbände treffen, kaum etwas Substantielles zu erwarten.

Wichtigster Punkt dieser Veranstaltung soll die Vorstellung des sogenannten "Nationalen Integrationsplans" werden. Dieser sieht rund 150 Selbstverpflichtungen vor, die das Kabinett als Beitrag des Bundes beschlossen hat. Dazu gehört auch ein Modellprogramm, mit dem die Zahl der Schulabbrecher gesenkt werden soll.

 Dieser Nationale Integrationsplan ist nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel auch notwendig, da viele Ausländer noch nicht die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt und den gleichen Zugang zu Bildung hätten. Das alles soll sich nach dem Willen der Regierungschefin durch den Gipfel ändern. In ihrer wöchentlichen Internet-Videobotschaft wies Merkel in der vergangenen Woche darauf hin, daß es in Deutschland  fünfzehn Millionen Menschen mit Zuwanderungshintergrund gebe, von denen "einigen" bei der Integration noch geholfen werden müsse. Allerdings sei hierfür auch notwendig, daß die Zuwanderer "die deutsche Sprache beherrschen und unsere Rechtsordnung akzeptieren". 

Die Pläne der Bundesregierung gehen einigen Kabinettsmitgliedern offenbar  noch nicht weit genug. Insbesondere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) und die Mitgrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer (CDU) forderten eine Liberalisierung der Ausländerpolitik, berichtet  die Wirtschaftswoche. So wolle Schavan nicht nur die bisher geltende Einkommensschwelle für höher qualifizierte Zuwanderer von bislang 85.000 Euro auf 50.000 bis 60.000 Euro senken. Auch die bereits auf eine halbe Million Euro herabgesetzte Investitionsschwelle für zuwanderungswillige ausländische Selbstständige sei lediglich "ein erster wichtiger Schritt, dem aber zügig weitere folgen müssen, damit wir im Wettbewerb um die besten Köpfe mithalten können".

Böhmer sagte, die jetzt geplanten Veränderungen würden "nicht ausreichen, wenn unser Land im globalen Wettbewerb bestehen will". Deutschland brauche "moderne, an den Interessen unseres Landes ausgerichtete Zuwanderungsbedingungen". Es müßten weitere Schritte folgen, "damit wir im Wettbewerb um die besten Köpfe mithalten können".  Gleichzeitig forderte Böhmer die Wirtschaft auf, ihre Verantwortung noch stärker wahrzunehmen, "sei es bei der Förderung der deutschen Sprachkenntnisse, der Bildung von Kindern ausländischer Fachkräfte oder der Integration ihrer Partnerinnen und Partner in Beruf und Gesellschaft".

Unterstützung bekommen die beiden auch von mehreren CDU-geführten Bundesländern. So bekämen die deutschen Universitäten und Hochschulen nach Ansicht des nordrhein-westfälischen Integrationsministers Armin Laschet "nur mit der Absenkung der Einkommensgrenzen für Zuwanderer die Chance, gezielt Höher qualifizierte aus dem Ausland anzuwerben". Neben leichteren Einbürgerungsbedingungen sprach sich Minister Laschet auch für Einbürgerungsfeiern aus, "um dem Ganzen künftig auch einen festlichen Rahmen und damit eine höhere Bedeutung zu geben".

Ein Mißerfolg scheint der Integrationsgipfel alleine durch das Störfeuer  einiger wichtiger Ausländerorganisationen zu werden. Anlaß ist das neue Zuwanderungsgesetz, dem der Bundesrat am vergangenen Freitag zugestimmt hat. Zur Vermeidung von Zwangsehen und Menschenhandel sieht das Gesetz ein Mindestalter von achtzehn Jahren für den Nachzug ausländischer Ehepartner vor und verlangt zumindest einfache Deutschkenntnisse des zuwandernden Partners. Wer die Werte des Grundgesetzes mißachtet oder seine Tochter zur Heirat zwingt, soll künftig ausgewiesen werden können. Und auch jugendlichen Serientätern droht nunmehr bei schweren Straftaten die Ausweisung.

Bereits vor Monaten hatten Vertreter von einundzwanzig Migrantenorganisationen, das sind fast alle der am Integrationsgipfel beteiligten Gruppierungen, Merkel dazu aufgefordert, "ihre Richtlinienkompetenz zu nutzen, damit nicht im Windschatten des Integrationsgipfels ausländerrechtliche Verschärfungen durchgesetzt werden". Dies sei jetzt aber geschehen, kritisierte der Dialogbeauftragte der in Deutschland besonders einflußreichen Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, Bekir Alboga. Ihm zufolge ist "jede Reform des Zuwanderungsgesetzes zuungunsten der Türkei ausgefallen".


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