© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

"Das Ende des Weißen Mannes"
Der Untergang des Abendlandes kommt. Ab 2050 übernehmen in Europa die Einwanderer das Kommando
Moritz Schwarz

Herr Professor Pohl, am 12. Juli beginnt der zweite Integrationsgipfel der Bundesregierung. Was halten Sie für die wichtigste integrationspolitische Maßnahme, die zu ergreifen wäre?

Pohl: Ich glaube, daß die Einführung einer professionell geführten Pflicht-Vorschule für alle Kinder in Deutschland vom zweiten bis zum sechsten Lebensjahr geboten wäre. Die Hauptfächer müßten - neben dem Erlernen der deutschen Sprache - Kultur und Religion sein. Denn die Auseinandersetzungen der Zukunft in unserer Gesellschaft werden sich nicht, wie viele heute noch glauben, um ökonomische Gesichtspunkte, sondern um Kultur und Religion drehen.

Integration sei eine Frage des Überlebens für uns, warnen Sie, denn Sie sagen nichts weniger als "Das Ende des Weißen Mannes" voraus - so der Titel Ihres neuen Buches.

Pohl: Klassisch stellen sich noch viele Leute vor, Integration sei ein einseitiges Angebot für Migranten. Diese Sicht ist falsch. Integration ist vielmehr eine Frage für unser beiderseitiges Überleben. Das Problem ist, daß sich heute die Mehrheit der Deutschen überhaupt nicht vorstellen kann, daß es tatsächlich in naher Zukunft zum "Untergang des Weißen Mannes" kommen wird.

Was genau meinen Sie damit?

Pohl: Ich gebe zu, der Begriff "Weißer Mann" mag irritierend wirken, denn bei uns meint man da eine rassistische Konnotation mitzuhören. In den USA aber spricht man ganz selbstverständlich vom "Weißen Mann", ebenso wie vom "Roten" oder "Schwarzen Mann". Man könnte stattdessen präziser auch "weiße Rasse" sagen, wobei ich das Wort "Rasse" in diesem Zusammenhang als verpönt und nicht mehr zeitgemäß empfinde. Hier ist mit dem Begriff einzig und allein die Ethnie gemeint. Tatsache jedenfalls ist, daß es schon in wenigen Jahrzehnten zu seinem "Untergang" kommen wird. Damit meine ich, daß der "Weiße Mann", der Jahrhunderte die Welt mit seiner Kultur dominiert hat, bereits ab etwa 2050 in seiner eigenen Heimat, Europa und Nordamerika, demographisch und ökonomisch in die Minderheit geraten wird. In den USA ist die Struktur natürlich durch die schwarze, asiatische und hispanische Gesellschaft eindeutiger als in Europa.

Schwarzmalerei!

Pohl: Ich sage ja, die Leute können sich das nicht vorstellen. Ich habe diese Reaktion schon oft erlebt. Die Menschen sehen überall weiße Menschen, sie haben Kinder, ihre Bekannten ebenso, Migranten nehmen sie nur in einigen Problembezirken wie den Innenstädten wahr und nur ganz vereinzelt sehen sie sie in den gesellschaftlichen Schaltstellen, wie etwa Medien oder Politik. Also sagen sie: "Der Pohl, der spinnt doch!" Das tun sie, weil sie keine Ahnung von Geschichte, von Demographie und von Kulturentwicklung haben, sondern nur den begrenzten Horizont ihres eigenen Lebens kennen. Die geschichtliche Dimension lehrt uns, wie Kulturen kommen und gehen.

Wieso ausgerechnet im Jahr 2050?

Pohl: 2050 ist ein Richtwert, kein verbindlicher Zeitpunkt. Von hier ab etwa ist damit zu rechnen, daß die neue Entwicklung durchzuschlagen beginnt. Man muß sich diese Entwicklung ähnlich wie bei der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert vorstellen, deren "take off", also Durchstartphase, man auf etwa 1850 datiert. Das heißt nicht, daß 1850 alles industrialisiert war. Im Gegenteil, aber von da an begann sie in gesellschaftlich relevantem Maße zu wirken, um sich immer mehr zu beschleunigen. Natürlich hat es an vielen Orten noch Jahre und Jahrzehnte gedauert, bis sie sich gänzlich durchsetzte, aber am Ende hatte sie das alte Europa ausgelöscht.

Gibt es für Ihre Prognose eine wissenschaftliche Grundlage?

Pohl: Natürlich, die Voraussagen fußen auf ganz einfachen Hochrechnungen auf Basis der Daten von heute. Hinzu kommt, daß die Menschen immer älter werden, das heißt auch, sie stehen der Wissenschaft mit ihrem Verstand immer länger zur Verfügung. Hieraus folgere ich: Erfahrungen, wissenschaftliche Forschung und wissenschaftliche Erkenntnisse haben eine neue zeitliche Dimension zur optimalen wissenschaftlichen Ausreifung, denn der Wissenschaftler hat ja das doppelte an Lebenszeit zur Verfügung. Das heißt, hier setzt der wissenschaftliche Multiplikatoreffekt verbunden mit dem neuronalen und genetischen Multiplikatoreffekt ein, und das hat immense Auswirkungen auf unsere weitere Entwicklung.

Was also kommt ab 2050?

Pohl: In den USA gibt es drei nichtweiße Hauptgruppen - Schwarze, Latinos und Asiaten - die dort ab etwa 2050 die Mehrheit haben werden. Da nützt auch die Mauer, die Bush im Süden zieht, nichts. In Europa ist es komplizierter, denn hier haben wir eine doch vielfältigere und völlig andere Entwicklung, so etwa das Problem der Integration von Menschen aus dem islamischen Kulturkreis. Es ist deshalb für uns überlebenswichtig, die neue Mehrheit ab 2050, also den "Multi-Colour-Man" und mit diesem Begriff meine ich natürlich den Menschen mit Migrationshintergrund, gleich welcher Farbe, Religion oder Kultur er angehört, vollständig und erfolgreich in unsere Gesellschaft integriert zu haben.

Was aber den Untergang des Weißen Mannes auch nicht verhindert?

Pohl: Das stimmt, aber wenn wir in etwa fünfzig Jahren einfach nur braun statt weiß wären, wäre das kein Problem, denn wir wären ja weiterhin Deutsche. Der springende Punkt ist aber die Frage: Wird der deutsche Bürger bzw. die deutsche Bürgerin mit multikulturellem Hintergrund, sprich der "Multi-Colour-Man", in verschiedenartigen Kulturen zurechtkommen? Wenn wir weiterhin in einer westlich geprägten, aufgeklärten, toleranten, säkularen, rechts- und sozialstaatlichen sowie marktwirtschaftlichen Gesellschaft leben wollen, dann müssen wir dafür sorgen, daß das Leben als zukünftiger "Multi-Colour-Man" in verschiedenen Kulturen reibungslos verläuft. Sonst könnten wir uns ganz rasch in einer Welt wiederfinden, die uns gar nicht behagt. Verschiedenartige Kulturen und Religionen müssen lernen, miteinander umzugehen, um friedlich miteinander zu leben.

Nicht genannt haben Sie eben die Begriffe "Christentum" und "Abendland".

Pohl: Wenn wir eine friedliche und stabile Zukunft in diesem beschriebenen Sinne erreichen wollen, dann müssen wir ein System schaffen, das einen freien Wettbewerb von Kulturen und Religionen garantiert - um Kultur und Religion des "Multi-Colour-Man" integrieren zu können, die können natürlich auch christlich sein.

Das heißt, überleben wird bestenfalls unsere Zivilisation - nicht unsere Kultur.

Pohl: Ich weiß, damit stimmen viele, die sagen, "im christlichen Abendland ist unsere christliche Kultur die Basis", nicht überein. Es ist natürlich schwer zu verstehen, daß andere Religionen und Kulturen sich so entwickeln können, daß sie eines Tages in Deutschland dominant sind. Aber das ist der Beitrag, den wir leisten müssen.

Wie sicher ist, daß Ihr Plan klappen wird?

Pohl: Wir haben es mit Geschichte zu tun. Sicher ist gar nichts.

Was könnte schiefgehen?

Pohl: Zum Beispiel könnte der "Multi-Colour-Man" sagen: "Jahrhundertelang haben uns die Weißen ausgebeutet, jetzt beuten wir die Weißen aus!" Allerdings halte ich das für äußerst unwahrscheinlich, denn diese Geisteshaltung ist zwar im Hinterkopf noch vorhanden, de facto aber überwunden. Eher vorhanden ist die Gefahr, daß eine "weiße" und eine "farbige" Parallelgesellschaft entsteht und wir es mit Fundamentalismen, Aufständen, Straßenkämpfen, Kriminalität und Terrorismus zu tun bekommen.

Eine Art Bürgerkrieg?

Pohl: Wir kennen solche Situationen ja aus anderen Weltgegenden oder Epochen.

Sie sagen voraus, daß der multifarbige Mann am Ende in der Mehrheit sein wird.

Pohl: Im schlimmsten Fall wäre es daher sogar möglich, daß Europa - also das, was wir mit Europa meinen - einfach verschwindet, so wie das alte Ägypten, Rom oder Athen.

Davor haben in den sechziger Jahren bereits der britische Konservative Enoch Powell (JF 47/05), in den Siebzigern der französische Romancier Jean Raspail (Interview in JF 34/06) und in den Achtzigern der deutsche Soziologe Robert Hepp (Interview in JF 16/06) gewarnt. Sie sind dafür mit dem Vorwurf des Rechtsextremismus und der Volksverhetzung belegt worden.

Pohl: Ich bin auch schon wahlweise in die rechte und in die linke Ecke gestellt worden. Rechts, weil ich über das Ende des "Weißen Mannes" schreibe. Links, weil ich über den "Multi-Colour-Man" schreibe, dem ich unsere Kultur aufdrücken wolle.

Haben die Kritiker beider Seiten nicht recht? Sie haben doch oben ausgeführt, daß Sie die Dominanz unserer Gesellschaft über die Kultur des farbigen Mannes erhalten wollen, wie die Linken Ihnen vorwerfen. Ebenso, wie Sie oben eingestanden haben, die abendländische Kultur preiszugeben und - falls Ihr Plan scheitern sollte - sogar das Verschwinden Europas in Kauf zu nehmen.

Pohl: Das stimmt schon, meine Lösung ist aber ein Mittelweg.

Krankt Ihr Konzept nicht daran, daß Sie vom heutigen Bewußtsein des farbigen Mannes für das Jahr 2050 ausgehen? Nach aller historischen Erfahrung wird sein Bewußtsein dann aber ein völlig anderes sein. Zum Vergleich: Am Beginn der sozialen Bewegung des 19. Jahrhunderts ging es lediglich um den Schutz vor Ausbeutung, auf ihrem Höhepunkt um den systematischen Massenmord an ihren ehemaligen kapitalistischen Herren.

Pohl: So etwas würde man heute nicht mehr machen. Aber Sie haben schon recht: Am Anfang ist es ein Dialog mit uns über Schutz und Autonomie und eines Tages, wenn man erstmal die Macht hat, könnte es durchaus sein, daß man auch beherrschen will.

Und dem Weißen Mann auch in seinem Reservat vorschreibt, wie er zu leben hat?

Pohl: Das kann passieren.

"Auch Deine Frau trägt ein Kopftuch, auch Deine Kinder werden beschnitten, auch Du betest zu Allah"?

Pohl: Ausschließen kann ich das nicht. Denn das ganze ist ein schleichender Prozeß, dessen Ausgang man nicht im Detail voraussagen kann. In der Geschichte war es immer so, daß Entwicklungen, die man heute noch für unvorstellbar hielt, später eingetroffen sind. Deswegen sind ein frühzeitiger Dialog, eine schnelle Integration und ein friedlicher Übergang unabdingbar.

Vielleicht ist der farbige Mann der Zukunft ja freundlich - vielleicht aber steckt er uns auch ins Lager?

Pohl: Um so wichtiger ist es, daß wir jetzt damit beginnen, diesen Prozeß möglichst in friedliche Bahnen zu lenken. Gerade deshalb müssen wir alles tun, um ihm die Vorteile unserer Errungenschaften, wie etwa die Menschenrechte und Demokratie zu verdeutlichen, nicht aufzuzwingen.

Warum sollte sich der farbige Mann darauf einlassen, wenn er erstmal die Macht hat?

Pohl: Es gibt dafür bereits positive Ansätze auf lokaler Ebene. In den USA gibt es bereits zahlreiche Denkfabriken, die sich mit diesen Problemen beschäftigen, während wir in Europa offenbar warten wollen, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Warum wird das Problem, das ja offenbar so nah ist, von der Politik nicht aufgegriffen?

Pohl: Wenn Sie dem Finanzminister sagen, er müsse seinen Haushalt im Hinblick auf die Probleme in fünfzig Jahren umstellen, wird er ihnen schulterzuckend sagen: "Ich habe schon Probleme genug." Das ist auch nicht von der Hand zu weisen.

Das heißt, die Politik ist grundsätzlich nicht in der Lage, das Problem zu lösen?

Pohl: Unsere demokratischen Strukturen sind inzwischen so weiträumig, daß wir fast nicht mehr entscheidungsfähig sind. Deshalb muß man - auch wenn mancher meint, mein Vorschlag höre sich fragwürdig an - über unsere Demokratie nachdenken können, nicht um weniger Demokratie zu haben, sondern um mehr Demokratie zu schaffen.

Was bedeutet?

Pohl: Wir müssen uns fragen, ist die parlamentarische Demokratie, so wie wir sie haben, die richtige Staatsform für das 21. Jahrhundert? Alle reden bei uns von "Reformen", aber an diese Frage traut sich ernsthaft keiner ran! Davor haben sie alle Angst.

Was meinen Sie denn konkret?

Pohl: Warum klappen denn alle unsere Reformen nicht? Weil es im Grunde kaum noch Unterschiede zwischen den etablierten Parteien gibt. Sie trauen sich an grundlegende zukunftsorientierte Veränderungen nicht heran. Reformen sind zumeist Stückwerk und werden von der nächsten Regierung wieder mit Stückwerk korrigiert. Wir brauchen ganzheitliche und langfristige klare Konzepte. Es nutzt nichts, das Kita-Problem zu lösen und die nachfolgenden Jahre außer acht zu lassen.

Was heißt das? Daß unsere Demokratie bereits außer Kraft gesetzt ist?

Pohl: Zumindest schwer behindert. Und letztendlich wird unsere Demokratie doch nur noch von der Politik und den Medien bestimmt. Die Menschen sind politikmüde, weil sie sich nicht in den Ergebnissen wiederfinden. Was wir brauchen, ist deshalb eine grundlegende Systemreform, die die Bürger wieder beteiligt. Es ist doch Augenwischerei zu sagen, der Bundestag werde vom Volk bestimmt. Tatsächlich bestimmt eine verschwindend kleine Minderheit von maximal 1,6 Millionen Bürgern, nämlich jenen, die in unseren Parteien organisiert sind und die über die Kandidatenaufstellung bestimmen, wer im Bundestag sitzt. Sie repräsentieren nicht das Volk, sondern nur einen Teil des Volkes. Langfristig werden alle Menschen mit Migrationshintergrund wählen wollen, auch die über drei Millionen Muslime in Deutschland.

Was, wenn die Systemreform ausbleibt?

Pohl: In der Vergangenheit hat die Geschichte solches Versagen meist mit Revolution quittiert. Es könnte doch zum Beispiel sein, daß die Europäer angesichts der Entwicklung eines Tages zu dem Schluß kommen, sie wollen in Europa gar keine fremden Kulturen mehr haben! Wollen wir so einer Zuspitzung der Lage vorbeugen, müssen wir zu einer Generalreform kommen, die uns wieder handlungsfähig macht. Unsere Politiker meinen leider, wir hätten historisch alles ausgestanden - wer so etwas denkt, hat keine Ahnung von Geschichte. Unsere Gesellschaft kann in einer Krise nach wie vor ausbrechen, nach links wie nach rechts. Nichts ist entschieden. Das Ende der Geschichte ist noch lange nicht erreicht.

 

Prof. Dr. Manfred Pohl leitete bis 2004 das Historische Institut und bis 2005 das Institute for Corporate Culture Affairs (ICCA) der Deutschen Bank. Der Historiker und Volkswirt ist Vorstandsmitglied verschiedener historischer Gesellschaften und lehrte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität zu Frankfurt am Main. 2003 gründete er zusammen mit Hans-Olaf Henkel und Roland Berger den Konvent für Deutschland, dem inzwischen namhafte Politiker wie Roman Herzog, Klaus von Dohnanyi oder Otto Graf Lambsdorff angehören. Geboren wurde Pohl 1944 nahe Saarbrücken.

 

"Das Ende des Weißen Mannes": Der "Kampf um die Weltherrschaft" hat begonnen, diagnostiziert Manfred Pohl in seinem jüngsten Buch (Westkreuz-Verlag, 2007). Europa sieht sich konfrontiert mit der "kriegerischen Religion" des Islam in einem Kampf, in dem es "keine Toleranz und Akzeptanz" gibt, da Muslime keine "europäische Identität übernehmen". Dabei steht das "Ende des Weißen Mannes" ab etwa 2050 bereits fest. Damit wir aber unter den eingewanderten, neuen, multifarbigen Herren Europas in Gnaden unser Alter fristen können, ist eine Weitergabe der westlichen Zivilisation unbedingt nötig. Deutschland brauche daher eine "Erziehung zu mehr Arbeit, mehr Leiden". Die fünf Prozent Hochintelligenten sollen sortiert, Eliten herangebildet und auch unsere Demokratie kritisch "hinterfragt" werden. Frauen sollten wieder ihrem "Mutterinstinkt folgen".  

 

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