© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/07 13. Juli 2007

Falsche Sorgen
Wirtschaftsschutz: Nicht die Investoren, unsere Schulden sind bedrohlich
Bernd-Thomas Ramb

In den Regierungsparteien, allen voran in der CDU/CSU, schwillt angeblich die Angst vor ausländischen Regierungsunternehmen, die sich in deutsche Firmen einkaufen. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch warnt in einer überregionalen Zeitung: "Ausländische Staatsunternehmen oder von Staaten gelenkte dürfen nicht die wichtigsten Spieler des Weltmarktes werden." Der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder, assistiert: "Wir können nicht zulassen, daß bestimmte ausländische, staatlich gelenkte Fonds aus strategischen Gründen Anteile deutscher Unternehmen aufkaufen, um politischen Einfluß zu nehmen."

Zur Abwehr der vermeintlichen Gefahr denken einige an eine Behörde wie den amerikanischen Kontrollausschuß für ausländische Investoren, der jede Auslandsbeteiligung an amerikanischen Unternehmen - insbesondere wenn ausländische Staatsunternehmen daran beteiligt sind - auf nationale Sicherheitsprobleme hin untersucht und dem Präsidenten ein Veto empfehlen kann. Auch Frankreich prüft, während in Deutschland nur registriert wird: "Wir beobachten sehr aufmerksam, wie sich staatlich kontrollierte Kapitalgesellschaften aus Rußland, China und dem Nahen Osten an Unternehmen beteiligen oder diese kaufen", so ein Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. "Strategische Angriffe auf bestimmte deutsche Branchen" sieht er jedoch nicht.

Hintergrund der neuen deutschen Ängste sind die strategischen Beteiligungen Chinas an afrikanischen und südamerikanischen Rohstofflieferanten. Selbst an den großen amerikanischen Kapitalbeteiligungsgesellschaften - den berühmt-berüchtigten "Heuschrecken" - halten Maos Erben mittlerweile milliardenschwere Anteile. Rußland engagiert sich nicht nur in der deutschen Fußballbundesliga, sondern schielt auch nach den großen deutschen Energieversorgungsunternehmen. Die russische Staatsbank hat sich am deutsch-französischen Technologiekonzern EADS beteiligt. Sicher nicht nur, um an den Airbusgeschäften mitzuverdienen. Anders als der Rohstoffhunger der Chinesen bestimmt hier eher der "Technologiehunger" die Auswahl der Geldanlage.

Geld besitzen beide Ex-Kommunismus-Staaten heute in Hülle und Fülle. Rußland dank Erdöl und Erdgas, China dank Export­überschüssen, die zu einem Devisenschatz von 1,2 Billionen Dollar führten. In Zeiten kontinuierlicher Geldentwertung und drohender Währungsreformen ist der Staatsschatz besser in Realvermögenswerten angelegt. Daß dabei auch strategische Überlegungen berücksichtigt werden, ist staatlich geprägten Investoren nicht zu verdenken. Diese müssen allerdings nicht zwangsläufig, wie deutsche Regierungskreise befürchten, in eine politische Erpreßbarkeit münden. Dagegen darf die Gefahr einer wirtschaftlichen Monopolstellung ausländischer Staatswirtschaften in Deutschland nicht unterschätzt werden.

Die bestehenden deutschen Gesetze decken weite Bereiche der potentiellen Gefährdung bereits ab. So überprüft die Monopolkommission mögliche Wettbewerbsbeschränkungen. Weiterhin sind ausländische Investitionen in deutsche Rüstungsunternehmen verboten. Darüber hinaus wird jedoch eine besondere Behandlung ausländischer Investoren schwer begründbar - auch wenn dahinter Staatsbetriebe stehen. Jede wirtschaftliche Unternehmung kann im freien Wettbewerb scheitern. Eine ausländische Beteiligung schützt nicht vor Fehlinvestitionen. Umgekehrt kann ein ausländischer Investor für frischen Wind in miefigen deutschen Firmenkontoren sorgen. Dies verhindern hieße, wirtschaftliche Verkrustungen zu zementieren.

Aus der Sicht des Staates wäre zu fragen, warum es Deutschland nicht ebenfalls gelingt, strategische Rohstoffreserven abzusichern. Der strikte Hinweis auf die prinzipiell privatwirtschaftliche Gestaltung solcher Unternehmungen schlägt fehl, solange der Glaube an die Existenz eines nationalen Interesses nicht gänzlich zu Grabe getragen wird. Allerdings steht der deutschen Regierung keine satte Devisenreserve zur Verfügung wie den Chinesen. Statt dessen plagt sie sich mit einem horrenden Staatsschuldenberg. Die Investitionsbemühungen Chinas und Rußlands werden aus einer Position der staatlichen Armut heraus kritisiert.

Der Blick auf die Staatsschulden offenbart jedoch noch einen weiteren delikaten Aspekt. Nach der Juni-Statistik der Deutschen Bundesbank betrug Ende 2006 die gesamte deutsche Staatsverschuldung 1.532 Milliarden Euro. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Schuldentitel in Höhe von 717 Milliarden Euro im Besitz ausländischer Investoren. Fast die Hälfte der deutschen Staatsschulden wird damit vom Ausland finanziert. Im Jahr 2000 betrug dessen Anteil noch ein Drittel, 1991 lediglich ein Viertel. Die deutschen Banken haben dagegen ihre Kredite an den Staat abgebaut. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die Ausländer aus "strategischen Gründen" ihre Investitionen in deutsche Staatsschulden schlagartig aufkündigen würden.

Noch schockierender ist die Vorstellung, die deutsche Regierung wäre bereits jetzt schon über die ausländischen Gläubiger der Staatsschulden politisch erpreßbar. Dies sollte eher zum Angstthema der Bundesregierung und des hessischen Ministerpräsidenten gereichen.


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