© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

Es bleibt weiter kompliziert
Unternehmensteuerreform: Detailreicher Kompromiß statt großer Wurf / Nachbesserungen für Mittelstand
Hans-Jürgen Hofrath

Trotz ihres Namens hat die "Große Koalition" wieder nur eine detailreiche Kompromißlösung statt eines großen Wurfes zustandegebracht. Trotz ihrer großen Mehrheit in Bundestag und Bundesrat wird es keine Radikalrevision des zunehmend komplizierten Unternehmensteuerrechts geben. Dafür wird der Bundesrat die zum 1. Januar 2008 in Kraft tretende schwarz-rote Unternehmensteuerreform an diesem Freitag wohl ohne Änderungen absegnen.

Ab kommendem Jahr wird es eine neue Abgeltungssteuer von 25 Prozent für Kapitalerträge geben. Die Gewerbesteuer-Meßzahl wird gesenkt, es gibt Einschränkungen für Mantelkäufe und Funktionsverlagerungen. Der Staffeltarif bei der Gewerbesteuer fällt weg. Der Gewerbesteuer-Anrechnungsfaktor bei der Anrechnung auf die Einkommensteuer wird angehoben. Trotz heftiger Kritik - einerseits von Mittelständlern (Benachteiligung von Personengesellschaften), andererseits von Linken (Oskar Lafontaine: "Liebedienerei vor den Unternehmensverbänden") - ist das vom Bundestag schon im Mai verabschiedete Reformwerk eines der wenigen Projekte der Großkoalitionäre, welche  vom Grundansatz her wenigstens in die richtige Richtung gehen. Das "Unternehmensteuerreformgesetz 2008", das auf Vorarbeiten des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zurückgeht, soll den "Standort Deutschland" für den internationalen Steuerwettbewerb fit machen.

Steuerbelastung soll ab 2008 auf unter 30 Prozent sinken

Gemessen an der nominalen Besteuerung der Kapitalgesellschaften stößt Deutschland im EU-Vergleich ins Mittelfeld vor. Zudem lag dem Gesetzgeber am Herzen, das deutsche Steuersubstrat zu sichern. Des weiteren sollten - ein Schritt in Richtung der vielfach postulierten Rechtsformneutralität - auch die Personenunternehmen mit Blick auf die steuerliche Belastungswirkung den Kapitalgesellschaften gleichgestellt werden. So soll künftig die Bildung des Eigenkapitals erleichtert werden. Hauptelement der Reform ist die Senkung der Körperschaftsteuersätze (für AGs und GmbHs) von 25 auf 15 Prozent - verbunden mit der Zielmarke, die Gesamtbelastung einschließlich Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer von über 38 auf unter 30 Prozent zu drücken.

Angesichts des komplizierten deutschen Steuerrechts mit seinen vielen Sonder- und Ausnahmetatbeständen sowie Abschreibungsmöglichkeiten ist das vor allem eine psychologisch-optische Maßnahme, die insbesondere ausländische Investoren überzeugen soll. Denn die nominale Steuersatzsenkung geht einher mit einer Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Zur Gegenfinanzierung kann künftig die Gewerbesteuer nicht mehr als Betriebsausgabe abgezogen werden. Die Abschaffung der degressiven Abschreibung für bewegliche Anlagegüter ist mehr als ein Wermutstropfen - mit noch nicht absehbaren Folgen. Steinbrück rechnet daher für 2008 mit Steuerausfällen von lediglich 6,5 Milliarden Euro. Doch schon 2009 sollen die Steuereinnahmen wieder auf dem Stand von 2007 sein. Bis 2012 erwartet der Bundesfinanzminister sogar eine Steigerung der Steuereinnahmen um fast 30 Prozent.

Die Gesetzgebungsverfahren speziell in Finanz- und Steuerfragen werden in Zeiten der Globalisierung immer komplizierter. Diesen Umstand nutzen Lobbyisten und "Berater", um politische Entscheidungen im Sinne ihrer finanzstarken Auftraggeber zu beeinflussen. Doch mit Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU, Müllermeister und Besitzer eines Getreidemühlen- und Landwirtschaftsbetriebes in Unterfranken) hatte erstmals auch der deutsche Mittelstand einen der Ihren direkt am Kabinettstisch sitzen. Vielleicht ist es auch diesem Umstand zu verdanken, daß kurz vor Abschluß des gesetzgeberischen Verfahrens nochmals nachgebessert wurde. Zunächst war hinsichtlich geringwertiger Wirtschaftsgüter nur noch eine Sofortabschreibung bis zu einer Wertgrenze von 100 Euro vorgesehen - nun liegt sie bei 150 Euro. Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines aktuell fortgeschriebenen, nunmehr 40prozentigen steuerfreien Investitionsabzugsbetrages war eine neu fixierte Betriebsvermögensobergrenze von anfänglich 200.000 Euro. Letztlich sind es nun 235.000 Euro geworden - davon profitieren ausschließlich kleine und mittlere Betriebe.

Um Belastungsgleichheit für größere Personenunternehmen im Vergleich zu Kapitalgesellschaften herzustellen, ist für erstere nunmehr eine optionale Thesaurierungsbegünstigung vorgesehen: Für im Unternehmen belassenen Gewinn kann anstelle des progressiven ein Sondersteuersatz von 28,25 Prozent beantragt werden. Wird im Falle der Steuerbegünstigung in Folgejahren jedoch mehr als der Bilanzgewinn ausgekehrt (Überentnahme), sind in dieser Höhe zuvor begünstigte Gewinne einer Nachversteuerung zum Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag zu unterwerfen.

Allerdings können diese Gesetzesänderung lediglich solche Unternehmen in Anspruch nehmen, deren Gewinn­ermittlung auf einem Betriebsvermögensvergleich (BVV) basiert. Der BVV ist für Land- und Forstwirte, die nach der Abgabenordnung zur Bilanzierung verpflichtet sind, und bei Unternehmen, die nach Handelsrecht zur Buchführung verpflichtet sind, gesetzlich vorgeschrieben. Kleinunternehmern und Freiberufler, die häufig die Einnahmenüberschußrechnung verwenden, müßten dann zum BVV überwechseln.

"Modifizierte Zinsschranke" gegen Gewinnverlagerung

Ein weiterer wesentlicher Reformbestandteil besteht in der "modifizierten Zinsschranke", die übrigens dem US-Steuerrecht entlehnt wurde (earnings stripping rule). Sie soll die bisher geltenden Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung ersetzen. Die Zinsschranke begrenzt den steuerlichen Abzug von Zinsaufwendungen. Diese sind prinzipiell abziehbar in Höhe des Zinsertrages. Ein möglicherweise bestehendes Zinssaldo (aus die Zinseinnahmen übersteigenden Zinsaufwendungen) kann künftig nur noch bis zur Höhe von 30 Prozent des Ebitda (Ertrag vor Finanzergebnis, außerordentlichem Ergebnis, Steuern und Abschreibungen) steuerlich geltend gemacht werden.

Die Zinsschrankenregelung soll sowohl für Körperschaften wie auch für Mitunternehmer und Einzelunternehmer gelten. Nicht abziehbare Zinsaufwendungen können aber in späteren Veranlagungszeiträumen abgezogen werden (Zinsvortrag). Wegen diverser Ausnahmeregeln (Freigrenze von einer Million Euro, usw.) werden von der "modifizierten Zinsschranke" wohl nur einige hundert international tätige Unternehmen betroffen sein. Für diese soll aber auf diese Weise in Deutschland eine angemessene Gewinnbesteuerung sichergestellt werden - ohne daß deren ausländische Investitionen wie bisher voll zu Lasten des deutschen Gewinns finanziert werden.

 

Detailinformationen finden sich im Internet: www.bundesfinanzministerium.de, www.unternehmensteuerreform.de

Foto: Steinbrück (l.) mit Koch: Nur 6,5 Milliarden Euro Nettoentlastung


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