© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/07 06. Juli 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Mediterraner Lokalaugenschein
Andreas Mölzer

Lampedusa, 4. Juli 2007. 40 Grad im Schatten - der Schweiß rinnt. Aber nicht nur bei einer Schar sonnenbadender Touristen: Neben 23 Europaabgeordneten befinden sich auch noch eine Vielzahl gestrandeter Menschen, die ihr Heil im reichen Europa suchen, auf der kleinen italienischen Mittelmeerinsel. Es sind illegale Einwanderer, gekommen, um zu bleiben - geht es nach ihnen, aber auch, so scheint's, nach der Politik.

Allein die Republik Italien hat 600.000 solcher illegalen Zuwanderer zumeist aus Schwarzafrika im vergangenen Jahr "legalisiert" - im Zusammenhang mit den geöffneten Grenzen innerhalb der Europäischen Union also 600.000 Menschen, die allen europäischen Mitgliedsstaaten zur Last fallen. Von Zurückschicken ist keine Rede, von Maßnahmen, die Wirtschaftsflüchtlinge gar nicht erst vom schwarzen Kontinent wegzulassen, kaum eine Spur.

Der Lokalaugenschein, den die 23 EU-Abgeordnete - darunter der Verfasser dieser Zeilen - diese Woche im Rahmen einer Klausur der EU-Parlamentsfraktion Identität/Tradition/Souveränität (IST) durchführten, brachte auf jeden Fall zum Ausdruck, wie groß der Handlungsbedarf seitens der EU in Sachen Migrationspolitik ist. Die europäische Grenzsicherungsagentur Frontex mit Sitz in Warschau ist dazu aufgerufen, das Mittelmeer endlich abzuschotten  sowie andere illegale Zuwanderungswege - etwa über den Atlantik in Richtung Kanarisch Inseln - ebenfalls dichtzumachen. Und den europäischen Mittelmeerländern ist endlich die nötige Unterstützung zur Sicherung ihrer Grenzen zu gewähren. Völlig überfordert, mit den Flüchtlingsströmen von See fertigzuwerden, sind dabei kleine EU-Länder wie Malta. Dabei kann aber nicht Verteilung der wachsenden Zahl von Illegalen auf ganz Europa die Lösung sein - nein, es muß endlich präventiv gehandelt werden. Aber nicht nur Malta ist überfordert: Auch die italienischen Beamten in Lampedusa sind schwer belastet durch die menschliche Katastrophe, die sich vor ihren Augen in riesigen Ausmaßen abspielt.

Neben einer restriktiven Sicherung der EU-Außengrenze mit Hilfe von Patrouillen-Booten muß aber auch daran gedacht werden, entsprechende Maßnahmen bereits an der nord- und westafrikanischen Küste zu treffen. Zum einen sind das Auffanglager in den betroffenen nordafrikanischen Staaten der Maghrebzone. Zum anderen sind aber auch entsprechende Rückführungsmaßnahmen in die afrikanischen Herkunftsländer der illegalen Flüchtlinge notwendig, die beispielsweise an Entwicklungshilfe seitens der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten geknüpft werden sollte. Sprich: ohne Rückübernahme von illegalen Einwanderern kein Geld aus Europa.

Aber nicht nur solcherlei Maßnahmen sollten notwendig sein: Überhaupt muß die Entwicklungspolitik der Europäer grundlegend neu geordnet werden. Denn würde diese Erfolg zeitigen, hätte man kein Problem mit den Migrationsfluten, die über unseren Kontinent hereinbrechen. Die Zeit, um zu handeln, ist längst gekommen - passiert ist bis dato leider Gottes nur wenig. Es bleibt die Hoffnung, daß die EU-Oberen endlich erkennen, daß ohne geeignete Gegenmaßnahmen Europa in einer Flut an Menschen aus Afrika unterzugehen droht.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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