© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

Pankraz,
L. Fürnberg und die Partei als Walzer

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) ist sich offenbar für nichts mehr zu schade. Parallel zum Gründungsparteitag der vereinigten Linkspartei strahlte er zur besten Sendezeit ein Fernsehporträt von Louis Fürnberg (1909 bis 1957) aus, der als Verfasser der SED-Parteihymne "Die Partei, die Partei, die hat immer recht" in die Nichtliteratur eingegangen ist. Deprimierenderes hat man lange nicht mehr gesehen und gehört.

Dabei ging alles äußerst feierlich zu, und die Sache gipfelte tatsächlich im Teilvortrag der von Paul Dessau vertonten Parteihymne. Anschließend kam die Dichterin Christa Wolf zu Wort und meinte, das Lied sei zwar schlimm, aber so schlimm auch wieder nicht, denn es komme darin ja "die Menschheit" vor und daß man diese nicht "beleidigen" dürfe. Fürnberg habe etwas ganz anderes gemeint, als man üblicherweise aus dem Text herauslese. Hier folgt nun also erst einmal der Wortlaut dieses Textes:

"Sie hat uns alles gegeben, / Sonne und Wind, und sie geizte nie. / Wo sie war, war das Leben. / Was wir sind, sind wir durch sie. / Sie hat uns niemals verlassen. / Fror auch die Welt, uns war warm. / Uns schützt die Mutter der Massen. / Uns trägt ihr mächtiger Arm. / Die Partei, die Partei, die hat immer recht, / Und, Genossen, es bleibet dabei. / Denn wer kämpft für das Recht, der hat immer recht / Gegen Lüge und Ausbeuterei. / Wer die Menschheit beleidigt, / ist dumm oder schlecht, / Wer die Menschen verteidigt, / hat immer recht. / So aus Leninschem Geist / Wächst, von Stalin geschweißt, / Die Partei, die Partei, die Partei.

Es gehört schon das Gemüt eines debilen Fleischerhunds dazu, um solcherlei Verse widerspruchlos hinzunehmen oder sie auch nur nach irgendeiner Richtung hin erträglich zu finden. Selbst bei den treuesten SED-Genossen und FDJ-Marschierern war die ganze DDR-Zeit über Widerstand dagegen zu spüren. Pankraz erinnert sich gut, daß beim Absingen von Parteiliedern "Die Partei, die Partei, die hat immer recht" nie spontan angestimmt wurde, obwohl sie der Routinier Paul Dessau durchaus schmissig und sangbar in Töne gesetzt hatte. Fürnbergs Lied mußte immer ausdrücklich von oben angeordnet werden. Auf den heutigen DDR-nostalgischen CDs mit "Kampf- und Aufbauliedern" erscheint es nicht.

Wie denn auch anders! "Die Partei, die Partei, die hat immer recht" war der Unterwerfungs-Song schlechthin und überhaupt. Er weckte nicht die geringste jugendliche Begeisterung, wie etwa jenes andere Lied von Dessau, "Spaniens Himmel breitet seine Sterne", wo immerhin ziemlich machtvoll an Freiheitsliebe und persönlichen Kampfesmut appelliert wurde. Bei Fürnberg gab es dagegen nichts als blindes Gehorchen, hektische Nachbeterei.

Und derjenige, dem man sich ausliefern und dem man nachbeten sollte, war kein Wesen aus Fleisch und Blut, sondern ein lebloser Apparat, ein Klapperatismus, eben "die Partei". Kein "Kampfbund Gleichgesinnter" war das, wie es einst bei Karl Marx geheißen hatte, sondern eine Art Wärmestube ("Fror auch die Welt, uns war warm"), kein flackerndes Feuer, sondern eine heiße Herdplatte, die einem zudem jederzeit um die Ohren fliegen konnte, wenn Die da oben wieder mal ihren Plan übererfüllen wollten.

An sich nur folgerichtig, daß ausgerechnet ein Vollversager wie Fürnberg ein solches Horrorlied verbrochen hat. Der MDR gab sich zwar die größte Mühe, seiner Person heroisches, gar tragisches Format abzugewinnen, aber schnell kam heraus, daß es dazu an keiner Stelle reichte. Einen Stehgeigertyp von der mickrigsten Sorte sah man da, ein Fabrikantensöhnchen aus Karlsbad in Böhmen, mit einer reichen jüdischen Fabrikantentochter verheiratet und wohl gerade deshalb "glühender Kommunist", wenn auch "heimlicher Rilke-Verehrer". Nach Emigration und Krieg versorgten ihn die Prager Genossen mit hübschen Pöstchen: Kulturattaché in Ost-Berlin, Mitarbeiter an den klassischen Gedenkstätten zu Weimar.

Schlicht grotesk der Versuch des MDR-Films, das "Rilkehafte" an Fürnberg auch in seine Parteihymne hineinzuinterpretieren. Ursprünglich, so sagte einer der auftretenden "Zeitzeugen", sei "Die Partei, die Partei, die hat immer recht" gar nicht als Marsch konzipiert gewesen; erst der martialische Paul Dessau mit seiner ewigen FDJ-Musik hätte das zu verantworten.

Fürnberg selbst hatte angeblich etwas ganz anderes vor: Er wollte - man höre! -, daß sein Lied als Walzer im Dreivierteltakt vertont werde. Nicht bei martialischen Aufmärschen etwa zum 1. Mai, sondern abends nach dem Festakt im Palast der Republik sollte "Die Partei, die Partei, die hat immer recht" erklingen, man sollte sich dabei entspannen, die Genossen sollten dazu das Tanzbein schwingen. Eins, zwei, drei / immer recht, / eins, zwei, drei, / dumm und schlecht usw.

Die Mitteilung paßt wie die Faust aufs Auge der Causa Fürnberg und verleiht ihrer aktuellen Wiederaufwärmung einen eigenartigen Reiz. Auch die neue Linkspartei und der Zeitgeist, der sie trägt, sind gegenwärtig ja eher auf Walzer denn auf Marsch eingestellt. "Nicht alles im real existiert Habenden", so die nicht unverbreitete Meinung, "war ganz schlecht, und ein bißchen SED-Walzer könnte dem neoliberalen Marschgetöse gar nicht schaden".

Dem wäre entgegenzuhalten: Erstens, man sollte nicht auf jeden PR-Gag im Fernsehen hereinfallen, Schleichwerbung ist dort zu Hause. Zweitens: Auch Ignoranten, Blockwarte und alle möglichen Hartköpfe tanzen manchmal Walzer, von politischen Parteien zu schweigen, welche bekanntlich sogar Boogie-Woogie tanzen, wenn sie glauben, daß sie damit Pöstchen ergattern können.

Und drittens: Man sollte endlich wieder auf die Proportionen achten. Wenn im selben Maße, wie der MDR Louis Fürnberg gefeiert hat, Horst Wessel gefeiert würde, würden die verantwortlichen Redakteure sofort im Knast verschwinden. Und dabei ist doch Wessels "Die Fahne hoch" verglichen mit "Die Partei, die Partei, die hat immer recht" reinster Mozart.


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