© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

Redford wirkte zu selbstsicher
DVD: "Die Reifeprüfung" mit Dustin Hoffman
Werner Olles

Benjamin Braddock (Dustin Hoffman), ein ziemlich unselbständiger junger Mann aus gutbürgerlichem Elternhaus, der gerade erst das College abgeschlossen und noch keine Vorstellung davon hat, welche berufliche Karriere er einschlagen will, nutzt seine Freiheit zu ersten erotischen Abenteuern mit einer älteren Frau. Mrs. Robinson (Anne Bancroft) und ihr Mann sind mit Benjamins Eltern befreundet, dennoch verführt sie Braddock nach allen Regeln der Kunst und trifft sich mit ihm regelmäßig in einem Hotel. Allerdings bleibt ihr Umgang auf eine rein sexuelle Beziehung beschränkt. Später wird Benjamin sein Verhältnis zu ihr mit den bezeichnenden Worten beschreiben: "Wir hätten uns genausogut die Hände schütteln können!"

Auf nachdrückliche Bitten seiner Eltern, die nichts von seiner Beziehung zu Mrs. Robinson ahnen, verabredet er sich mit deren Tochter Elaine (Katharine Ross). Sie gehen ein paar Mal miteinander aus, und Benjamin verliebt sich in das hübsche Mädchen, das so ganz anders ist als ihre Mutter. Mrs. Robinson jedoch zerstört aus Eifersucht ihre Verbindung, verkuppelt sie mit dem Jugendfreund Carl. Schließlich arrangieren die Eltern sogar eine Hochzeit mit Carl.

Doch Benjamin findet heraus, wo die Trauung stattfindet. Während er auf der Kirchenempore verzweifelt ihren Namen ruft, entschließt sich Elaine, nicht den Fehler ihrer Mutter wiederzuholen und einen ungeliebten Mann zu heiraten, nur weil sie schwanger ist. Nach kurzem Kampf mit Carl und ihren Eltern (Mrs. Robinson: "Es ist zu spät!" - Elaine: "Nicht für mich!") flieht sie mit Benjamin aus der Kirche. In einem Bus fahren beide einer ungewissen, aber gemeinsamen Zukunft entgegen.

Der in Berlin geborene und 1939 aus Deutschland emigrierte Regisseur Mike Nichols erhielt 1968 für "The Graduate" (Die Reifeprüfung, 1967) einen Oscar für die beste Regie. Tatsächlich ist "The Graduate" eine temporeiche Gesellschaftssatire, die gleichermaßen die überholte und verkalkte Moral des amerikanischen Establishment wie die Weltfremdheit der jungen Generation auf die Schippe nimmt. Allerdings schlägt er sich dabei deutlich auf die Seite der unangepaßten Söhne und Töchter und wirkt so für damalige Verhältnisse durchaus revolutionär. Zudem wurde hier wohl zum ersten Mal gezielt Popmusik eingesetzt, um die Stimmung einzelner Szenen hervorzuheben. Der von Simon & Garfunkel eingespielte Soundtrack mit den Hits "Sound of Silence", "Mrs. Robinson", und "Scarborough Fair" wurde für das Duo zu einem Welterfolg.

Zwar war ursprünglich Robert Redford für die Rolle des Benjamin vorgesehen, doch weil er nicht die nötige Unsicherheit ausstrahlte, wurde schließlich Dustin Hoffman engagiert. Der erwies sich in seiner ersten großen Rolle als Glücksfall und wurde prompt mit dem Bafta Award als bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet. Die bei Arthaus kürzlich mit neu restauriertem 5.1-Ton erschienene Doppel-DVD bietet als Bonusmaterial unter anderem Interviews mit Dustin Hoffman und Charles Webb, dem Autor der Romanvorlage "The Graduate" (1963).


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