© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

Geschwollene Füße
Umweltpolitik: Eine aktuelle Studie über die schwierige Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch
Thomas Moritz

Hielten wir an den herkömmlichen Verbrauchsmustern fest, würde sich der globale Ressourcenverbrauch innerhalb der nächsten 20 Jahre vervielfachen." So die Herausgeber der "Umweltdaten Deutschland 2007" in ihrem Vorwort. Umweltbundesamt (UBA), Statistisches Bundesamt und Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe stellen in ihrer Broschüre eine umfangreiche Datensammlung zur Verfügung: zur Bereitstellung verschiedener Ressourcen und ihrer Verwendung in Produktion und Konsum, zu Kreislaufwirtschaft und zum Zusammenhang von volkswirtschaftlicher Leistung und Ressourcenverbrauch. Damit will man Anhaltspunkte zur Formulierung von Instrumenten zur "Dematerialisierung" der Wirtschaft liefern, also für die Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch.

Dabei konnten bereits eindrucksvolle Erfolge erzielt werden: So ist Deutschland etwa weltweit führend bei der Wiederverwertung von Metallen, der Wasserverbrauch lag 2004 um 22 Prozent unter dem von 1991, und der Anteil erneuerbarer Energie am Primärenergieverbrauch legte immerhin zwischen 1998 und 2005 von 2,2 auf 4,6 Prozent zu. Andererseits weitet sich beispielsweise mit 114 Hektar pro Tag die Siedlungs- und Verkehrsfläche nach wie vor rasant aus. Der Kraftstoffverbrauch im Güterverkehr nahm seit 1991 um 38,2 Prozent zu. "Ein Anfang ist gemacht, das Einsparungspotential ist gewaltig, aber es geht eben alles sehr schleppend", meint Rüdiger Rosenthal, Pressesprecher des Bundes Umwelt- und Naturschutz (BUND).

Die Ersparnis wird oft vom Wachstum aufgezehrt

Die Bundesregierung steckt sich ehrgeizige Ziele zur Dematerialisierung: Bis 2020 soll etwa der zur Erzeugung von 1.000 Euro nötige Rohstoff- und Energieeinsatz gegenüber 1994 halbiert werden. Allerdings geht steigende Ressourceneffizienz nicht notwendigerweise mit einem sinkenden Verbrauch einher. Die Ersparnis wird zumeist vom Wachstum aufgezehrt - Effizienzsteigerungen in Einzelbereichen setzen sich um in eine Vergrößerung des Gesamtsystems: Es wird nicht gleichviel mit weniger erzeugt, sondern mit dem gleichen Ressourceneinsatz - oder gar einem höheren - einfach mehr. Für die Vergangenheit ist das etwa in den "Umweltdaten" dokumentiert. Genau dieser Zusammenhang, der über Jahrhunderte das materielle Wachstum beflügelt hatte, soll nun aufgelöst werden, die Effizienzsteigerungsrate soll über dem Wirtschaftswachstum liegen. So sehen es die nationale Nachhaltigkeitsstrategie und die der EU vor. Jedoch werden die Ziele verfehlt: Die EU visiert drei Prozent mehr Ressourceneffizienz pro Jahr an, schafft aber nur die Hälfte.

Auch Deutschland wird seine entsprechenden Ziele aller Voraussicht nach nicht erreichen, so das Statistische Bundesamt oder das mit Effizienzfragen befaßte Wuppertal-Institut ("Faktor Vier"). Gleichzeitig wird im "Lissabonprozeß" das Wirtschaftswachstum in der EU vorangetrieben. Wie vertrackt die Lage ist, zeigt der "Living Planet Report" des Umweltverbandes WWF: Die Studie geht der Frage nach, wieviel von der Tragfähigkeit des Planeten - eine durchaus wandelbare Größe - die Menschen in Anspruch nehmen. Dieser "Ökologische Fußabdruck" der Menschheit ist seit den 1980er Jahren größer als die nutzbare Fläche der Erde, derzeit um etwa ein Viertel.

Damit zehren wir von der Substanz. Längerfristig beeinträchtig dies die Nutzbarkeit von Ökosystemen und kann zu ihrem Kollaps führen, so der WWF. Bei gleichbleibender Entwicklung wüchse bis zur Jahrhundertmitte der Bedarf auf zwei "Erden" an - kaum eine länger durchhaltbare Situation. "Der ökologische Fortschritt ist eine Schnecke", sagt leicht resignativ dazu der BUND-Pressesprecher.

Die UBA-Studie im Internet: www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3244.pdf

"Living Planet Report": www.faktor-x.info


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen