© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Nur eine Mogelpackung
Andreas Mölzer

Nachdem sie schon 1683 bei der Entsatzschlacht am Kahlenberg unter ihrem König Johann III. Sobieski Wien vor den Türken gerettet haben, hätten die Polen durch ihren Widerstand gegen die EU-Verfassung auch diesmal wieder Europa retten können.

Zwar waren die Motive der Kaczyński-Brüder durchaus nationalistisch und egoistisch, auch sind die antideutschen Ressentiments abzulehnen, doch allein die Tatsache, daß durch ein polnisches Veto die zentralistische Verfassung hätte verhindert werden können, wäre den Polen hoch anzurechnen gewesen. Doch es kam anders, aus dem polnischen Schlachtruf "Quadratwurzel oder Tod!" wurde nicht viel mehr, als daß sich die Polen - wie auch alle anderen kleinen EU-Länder - nun erst ab 2017 endgültig der doppelten Mehrheit beugen müssen.

Selbst Altbundespräsident Roman Herzog hatte Anfang diesen Jahres in einem Welt-Artikel ausführlich vor der EU-Verfassung gewarnt, auch eine abgespeckte Form führe zwangsläufig zum zentralistischen europäischen Bundesstaat. Die Souveränität der Mitgliedsstaaten sei stark gefährdet - und deshalb muß man diesen Verfassungsvertrag bekämpfen. Denn was die EU-Nomenklatura ohne große demokratische Prozedur entscheiden will, ist für die Zukunft Europas alles andere als förderlich. Auch wenn noch kein detaillierter Vorschlag für ein neues EU-Vertragswerk vor liegt - das, was vorige Woche in Brüssel von den Staats- und Regierungschefs ausgehandelt wurde, entspricht zu 95 Prozent dem alten Vorschlag für eine Verfassung. Der "abgespeckte" Entwurf ist nichts anderes als eine Mogelpackung mit einigen Etikettenänderungen und ein paar unterschiedlichen Fristenläufen beim Inkrafttreten der Abstimmungsmodalitäten.

Die immerhin minimal vorhandene Klarheit des alten Verfassungsentwurfs ist einem konfusen, unübersichtlichen Vorschlag für ein neues "Reformwerk" gewichen. Vor allem die Grundrechts­charta wird im neuen Vertrag ein wichtiger Bestandteil bleiben und im Bereich der Antidiskriminierungsrichtlinien und der sozialen Grundrechte große Probleme für Europa ergeben. Dies haben nur die Briten für sich verhindert, denn auf der Insel werden die Grundrechte keine Gültigkeit erhalten - ein weiterer Punkt, der für Verwirrung sorgt.

Dieser Verfassungsentwurf weist also ganz deutlich in Richtung "europäischer Superstaat". Zwar gibt es nur einen EU-"Außenminister", der nicht so heißen darf, und eine Verfassung, die nicht so genannt wird. Jedoch sind neben dem neu eingeführten EU-Präsidenten die bindenden Grundrechte eben eine klare Unterwanderung des Subsidiaritäts-Prinzips.

Dies steht alles in allem diametral zu den freiheitlichen Forderungen nach einem nationalstaatlich dominierten Staatenverbund, einem "Europa der Vaterländer", wie es sich die meisten Bürger Europas eigentlich wünschen. Mit Spannung erwarten wir die Antwort auf die Frage, ob die österreichische Bundesregierung wieder entgegen den Interessen der Österreicher handelt oder ob sie doch noch mit einer ordentlichen Ratifizierung in Form einer nationalen Volksabstimmung dem Willen der Bürger und den Vorgaben der Bundesverfassung der Republik gerecht wird. Dies gilt natürlich auch für die Regierungen anderer EU-Mitgliedsstaaten.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen