© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/07 29. Juni 2007

Schilderstreit zwischen den Meeren
Sprachpolitik: Der Vorstoß von Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Austermann, flächendeckend zweisprachige Ortstafeln zuzulassen, sorgt für Verwirrung
Hans-Joachim von Leesen

Das "kulturelle Selbstverständnis" soll erweitert werden, argumentierte der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Dietrich Austermann (CDU) und griff eine Initiative von Heimatvereinen auf, zweisprachige Ortstafeln möglich zu machen. Die im Plattdeutschen Rat sowie im Schleswig-Holsteinischen Heimatbund (SHHB) zusammengeschlossenen Heimatvereine dachten aber an die Möglichkeit, neben den offiziellen hochdeutschen Namen auch traditionelle niederdeutsche Ortsbezeichnungen auf die Schilder setzten zu dürfen, so daß etwa auf dem Ortsschild der heutigen Dithmarscher Stadt Heide auch die alte Bezeichnung "Heid" zu finden ist oder daß die im Ostholsteinischen gelegene Stadt Lütjenburg sich auch "Lüttenborg" nennen könnte. Das sollte, so Willy Diercks, Sprecher des Plattdeutschen Rates und Landesgeschäftsführer des SHHB, "ein Signal für die Bevölkerung" sein, "daß sie in einer plattdeutschen Region mit einer plattdeutschen Kultur lebt".

Dabei konnten sich die Antragsteller auf eine Empfehlung des Europarates stützen, der empfohlen hatte, den Gebrauch der Ortsnamen der jeweiligen Regional- und Minderheitensprachen in Verbindung mit den Namen der Amtssprache zu verankern. So hat man in Brandenburg und Sachsen bereits Ortstafeln aufgestellt, auf denen zusätzlich zu den deutschen Bezeichnungen auch sorbische Namen zu finden sind, aber natürlich nur dort, wo auch Sorben leben. In den Gebieten der Friesen - in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen in Ostfriesland - findet man Ortstafeln, auf denen neben der deutschen Bezeichnung der friesische Namen zu finden ist.

In Schleswig-Holstein ist zweisprachige Beschilderung stets verbunden mit der im nördlichen Landesteil lebenden dänischen Minderheit, die immerhin auf etwa 50.000 Angehörige geschätzt wird. Damit aber nicht genug: Nördlich der deutsch-dänischen Grenze lebt im ehemaligen Gebiet Nordschleswig die rund 20.000 Menschen starke deutsche Minderheit; man war immer gut gefahren, wenn Minderheitenfragen in gegenseitiger Abstimmung geregelt wurden.

Erhebliche Unruhe in den dänischen Medien

Forsch überging diesmal die Landesregierung in Kiel diese Problematik, als Minister Austermann verkündete: "Der neue Erlaß bezieht sich generell auf alle Regional- oder Minderheitensprachen, also auch Dänisch." Darüber schütteln manche Schleswig-Holsteiner den Kopf, ist doch damit der Weg frei gemacht, auch dort deutsch-dänisch beschriftete Ortstafeln aufzustellen, wo überhaupt keine Angehörigen der dänischen Minderheit leben, was im weitaus größten Teil des Landes der Fall ist. Darauf angesprochen, ließ der Verkehrsminister antworten, die Regelung solle auch "ein Aushängeschild für ein erweitertes sprachliches und kulturelles Selbstverständnis in Schleswig-Holstein werden". Nun wird gerätselt, was das bedeuten soll. Man kann wohl davon ausgehen, daß keine Kommune außerhalb des schmalen Streifens, in dem die dänische Minderheit lebt, auf die Idee kommt, etwa aus touristischen Gründen zu beschließen, den deutschen Ortsnamen mit einem konstruierten dänischen Namen zu zieren.

Die deutsche Minderheit im dänischen Nordschleswig hat unter Hinweis auf die Empfehlung des Europarates die Gelegenheit genutzt, öffentlich vorzuschlagen, wenigstens die dänischen Namen der vier größten Städte mit traditionellen deutschen Bezeichnungen auf Ortsschildern zu ergänzen: Aabenraa/ Apenrade, Tönder/Tondern, Haderlev/ Hadersleben, Sönderborg/Sonderburg. Der Vorschlag hat in den dänischen Medien für erhebliche Unruhe gesorgt. Will die deutsche Volksgruppe damit etwa die Eindeutschung des Gebietes anstreben? wurde gefragt. Der Hauptvorsitzende des Bundes deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgens, wiegelt ab. Die Volksgruppe will nun erst einmal eine interne Debatte darüber führen.

Aber auch auf anderem Gebiet droht Ärger. Ein Ortsname darf nur in zwei verschiedenen Sprachen genannt werden. Was aber, wenn in dem betroffenen Ort sowohl "Plattdeutsche" leben als auch Angehörige der dänischen Minderheit? Schon macht sich Anke Spoorendonk, Vertreterin der Dänen-Partei SSW im Landtag, Sorgen, daß man auf diese Weise die Sprachen gegeneinander ausspielen könne.


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