© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Grün flaggt die Wüste
Politische Zeichenlehre XXV: Die Farbe des Propheten
Karlheinz Weissmann

Der Konflikt in den Palästinen­sergebieten zwischen der säkularen Fatah und der islamistischen Hamas ist auch ein Symbolkampf, wobei die Nationalflagge Palästinas in dem Maß verdrängt wird, in dem sich die radikalen Moslems durchsetzen. Deren Farbe ist Grün, man sieht sie auf Fahnen und Wimpeln, an Turbanen und Baseballmützen, zukünftige Selbstmordattentäter tragen sie als Bauchbinde oder als Stirnband.

Die Vorstellung von Grün als "Farbe des Islam" ist heute so verbreitet, daß es eines ausdrücklichen Hinweises auf ihr geringes Alter bedarf. Denn der Zusammenhang ist nicht ursprünglich, die Vorstellung, daß bereits Mohammed unter einer grünen Fahne gekämpft hat, verkehrt. Die ältesten Kriegszeichen islamischer Heere waren einfache schwarze und weiße Banner.

Allerdings mag früh eine Rolle für die Symbolik gespielt haben, daß im Koran das Paradies als eine grüne Gartenlandschaft ausgemalt wird (Sure 55) und es heißt, daß die Erlösten grüne Gewänder tragen (Sure 18), außerdem soll Mohammed einen grünen Mantel besessen haben. Nach einem legendären Bericht hat sein Neffe Ali diesen übergeworfen, um Feinde des Propheten zu täuschen, und diesem damit das Leben gerettet.

Nachdem Ali zum Nachfolger Mohammeds aufgestiegen war, verwendeten er und seine Dynastie - die Fatimiden - Grün als Parteifarbe im Kampf gegen die konkurrierenden Omajaden, die Weiß wählten, während sich die dritte Gruppe, die Abbassiden, für Schwarz entschied. Allerdings griffen die Fatimiden für ihre Herrschaft in Ägypten auf rote Fahnen zurück, was schon zeigt, daß von eindeutiger Festlegung keine Rede sein kann (Eine Spätwirkung dieses Nebeneinanders von Schwarz, Weiß, Grün und Rot war die Schöpfung der "Panarabischen Farben" zu Beginn des 20. Jahrhunderts).

Immerhin hat sich die Vorstellung vom grünen Mantel des Propheten als Abzeichen der Kalifen allgemein durchgesetzt, und ein entsprechendes Kleidungsstück galt bis in die Endzeit des Osmanischen Reiches als Insignie des Sultans. Der führte auch eine "islamische Flagge" - grün mit Halbmond und Stern - (seit dem 17. Jahrhundert?), die allerdings in erster Linie religiöse, kaum politische Bedeutung hatte. Der begrenzte Rang kam weiter darin zum Ausdruck, daß die Armeen des Mahdi, die am Ende des 19. Jahrhunderts eine Erhebung gegen die westlichen Kolonialmächte im Sudan versuchten, nebeneinander verschiedene einfarbige Banner mit Koransuren darauf verwendeten, die in formaler Hinsicht den ursprünglichen islamischen Feldzeichen ähnelten.

Erst nach dem Wiedererstarken der arabischen Welt infolge des Ersten Weltkriegs wurde Grün zum wichtigsten politischen Symbol des nordafrikanischen und orientalischen Raums. Schon das unabhängige Ägypten wählte ganz bewußt Grün als neue Grundfarbe der Nationalflagge, die ansonsten der erwähnten "islamischen Flagge" der Osmanen glich.

Ähnliches gilt für das von den Wahhabiten gegründete Königreich Saudi-Arabien, das sich einer ganz traditionellen Auffassung des Islam verpflichtet fühlt und Grün zur einzigen Farbe seiner Nationalflagge bestimmte. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte das Grün als selbständiges Symbol eine wichtige Rolle für die Nationalflaggen islamischer Staaten, die wieder aufgenommen wurden oder neu entstanden (Mauretanien, Algerien, Pakistan, Turkmenistan).

Der bisher letzte Schritt dieser Entwicklung vollzog sich mit der "Islamischen Renaissance" seit den siebziger Jahren, die einen "Islamismus" hervorbrachte, der grüne Embleme als Ausdruck seiner noch radikaleren Zielsetzungen zeigt. Dabei reicht die Spannweite von der eher nationalistisch orientierten "grünen Revolution" im Libyen Gaddafis bis zu den theokratischen Konzepten der "Gottesstaaten" im Iran oder Afghanistan. Jedenfalls verwenden islamische "Gotteskrieger", ganz gleich in welchen Ländern sie auftreten, heute Grün als selbstverständlichen Ausdruck ihrer Überzeugungen.

Pierre C. Lux-Wurm, der die maßgebliche Untersuchung zur Geschichte der Fahnen des Islams geschrieben hat ("Les Drapeaux de l' Islam", Paris: Buchet & Castel 2001), wies darauf hin, daß diese Weltanschauung heute die meisten neuen Nationalflaggen überhaupt hervorbringt - eine Art symbolischer Indikator für Huntingtons "Kampf der Kulturen".

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

Foto: Fahne von Saudi-Arabien: Traditionelle Auffassung des Islam


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