© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/07 22. Juni 2007

Untergang der Fatah
Israel: Der Hamas-Sieg stellt das Militär vor ein Dilemma
Oren Geller

Israel will die am Sonntag vom palästinensischen Autonomie-Präsidenten Mahmud Abbas im Westjordanland ernannte "Notstandsregierung" unterstützen. So sollen etwa 300 bis 400 Millionen Dollar ausgezahlt werden, die aufgrund der Regierungsbeteiligung der islamistischen Hamas eingefroren waren. Auch die EU-Direktzahlungen an die Palästinenser-Regierung sollen wieder aufgenommen werden, die USA wollen ihren Boykott beenden.

Ein Kern der israelischen "Palästina-Politik" wird sich aber ändern: Bislang galten der Gazastreifen und das Westjordanland als Einheit. Nach dem Sieg der Hamas wird Gaza als ein separates "feindliches Gebilde" angesehen. Im Vorfeld des US-Besuchs von Premier Ehud Olmert betonte dieser, "eine palästinensische Regierung, die keine Hamas-Regierung ist, ist ein Partner". In den letzten Tagen habe sich "eine Gelegenheit für politische Entwicklungen aufgetan wie seit langem nicht mehr. Was uns betrifft, werden wir versuchen, mit all unserer Stärke diese Gelegenheit auszunutzen." Auch beim Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte Olmert, daß die Uno nicht den Fehler begehen solle, zwischen der Hamas und der Fatah (Abbas' Partei) zu schlichten. Israel werde die Grenzen für humanitäre Hilfe öffnen.

Moderate Palästinenser als auch Israelis befürchten aber, daß die Hamas-Islamisten nach ihrem paramilitärischen Sieg nun auch den Rest der Palästinenser-Territorien kontrollieren wollen. Das israelische Militär steht daher vor einem Dilemma: Einerseits soll guter Wille gezeigt und einige der zahlreichen Kontrollpunkte gestrichen werden, die das alltägliche Leben der Palästinenser erschweren. Andererseits würde so den palästinensischen Kämpfern mehr Bewegungsfreiheit gegeben. Denn das Westjordanland ist gerade wegen der starken israelischen Präsenz relativ ruhig und sicher.

Eine Palästinenser-Expertin der Ha'aretz schrieb, daß die sich bekämpfenden Palästinenser-Parteien die Schuld an der Bürgerkriegssitutation in "verräterischen" Strömungen der jeweiligen Gegenseite suchen. Ironischerweise hätten beide Seiten recht: "Laut Hamas unterminierte die Fatah die gewählte Hamas-Regierung und anschließend auch die Einheitsregierung. Laut Fatah halte die Hamas an der Regierung fest, ohne dabei der Verschlechterung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Lage ins Gesicht zu schauen."

Ein führender Kommentator der größten israelischen Tageszeitung Yediot Achronot brachte die jüngsten dramatischen Entwicklungen auf den Punkt: "Die Fatah, eine verrottete und nutzlose Organisation, ist ein Teil jener 'nationalen Befreiungsorganisationen', die in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wie Pilze aus dem Boden schossen." Etwas resignierend schreibt er weiter: "Der Wahlsieg der Hamas unterstreicht den selbstverständlichen Abgang der Fatah von der Geschichtsbühne. Der Untergang konnte nicht aufgehalten werden, jedoch hätte man Rahmenbedingungen schaffen können, in denen der Nachfolger nicht die Hamas, sondern eine moderate palästinensische Partei gewesen wäre."


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