© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/07 15. Juni 2007

Sarkozys Blankoscheck
Frankreich: Mehrheitswahlrecht bringt der Präsidentenpartei Zweidrittelmehrheit
Alain de Benoist

Nicolas Sarkozy wollte eine "handlungsfähige Mehrheit". Der neue Staatspräsident wird sie bekommen. Die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen hat erwartungsgemäß das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen (JF 20/07) weitgehend bestätigt, wenn nicht gar verstärkt. Am 22. April bekam Sarkozy 31,2 Prozent der Stimmen, die Sozialistin Ségolène Royal 25,9 Prozent. In der Stichwahl am 6. Mai siegte Sarkozy mit eindeutigen 53 Prozent. Vergangenen Sonntag erreichte die UMP des neuen Präsidenten zusammen mit ihren kleinen Verbündeten über 45 Prozent der Stimmen. Die verbündete Linke strich mit zusammen weniger als 40 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1969 ein.

Immerhin 109 UMP- bzw. verbündete Kandidaten - darunter Premierminister François Fillon und sechs der elf angetretenen Minister - gewannen bereits in der ersten Runde eine absolute Mehrheit und damit einen Parlamentssitz. Das gelang nur wenigen Sozialisten wie dem ehemaligen Vizepräsidenten des Generalrats des Département Pas-de-Calais, Michel Lefait.

Wenn sich diese Tendenz im zweiten Durchgang am nächsten Sonntag durchsetzt, könnte der UMP-Block zwischen 380 und 500 von 577 Volksvertretern in die Nationalversammlung entsenden. Noch niemals in der französischen Geschichte hatte eine einzige Fraktion so viele Sitze - und noch niemals konnte eine Partei schon in der ersten Runde der Parlamentswahlen einen derart durchschlagenden Erfolg erzielen.

Mit 24,8 Prozent liegen die Sozialisten (PS) zwar knapp über dem Ergebnis von 2002 - aber unter dem ihrer Präsidentschaftskandidatin Royal und weit hinter den angestrebten 30 Prozent. Sie dürften es diesmal auf 60 bis höchstens 170 Mandate bringen (2002: 141).

Auch die neue Partei des mit 18,6 Prozent drittplazierten Präsidentschaftskandidaten François Bayrou (UDF/Mouvement Démocrate) wurde von Sarkozys "blauer Welle" weggeschwemmt. Sie kam insgesamt nur auf 7,6 Prozent und hat so nur die Aussicht auf drei oder vier Abgeordnete. Bayrou, der in seinem Wahlkreis im Département Pyrénées-Atlantiques auf 37,3 Prozent kam, droht am 17. Juni in der Stichwahl sogar ein "Triangulaire", ein Dreikampf mit dem UMP-Mann Jean-Pierre Marine (25,9 Prozent) und dem Sozialisten Marie-Pierre Cabane (23,3 Prozent) - denn alle drei Kandidaten erreichten über 12,5 Prozent der Stimmen aller Wähler.

Eine faktische Wende zum Zweiparteienstaat

Während mit Bayrou die Mitte wegbricht (dank Wahlabkommen mit der UMP erreichte die UDF 2002 29 Sitze), ist von den politischen Rändern kaum etwas übrig. Die Kommunisten (PCF) haben keine Chance mehr, im nächsten Parlament erneut in Fraktionsstärke (mindestens 20 Abgeordnete) vertreten zu sein. Die Grünen werden es bestenfalls auf drei Mandate bringen. Die ohne Absprachen angetretenen und zerstrittenen Trotzkisten (LCR/LO) bleiben trotz Stimmenzuwachs auf 3,3 Prozent erneut draußen.

Nicht anders ist es um Jean-Marie Le Pens rechten Front National (FN) bestellt, der mit 4,3 Prozent das niedrigste Ergebnis seit zwanzig Jahren erzielte, nachdem er 1997 auf 15 Prozent und 2002 immerhin noch auf 11,3 Prozent kam. Wie schon bei der Präsidentschaftswahl konnte Sarkozy dem FN die Stimmen regelrecht "abgraben". Dadurch wird der FN fast zwei Drittel der staatlichen Parteienfinanzierung verlieren. Einziger Lichtblick: Marine Le Pen, die Tochter des Parteichefs, erzielte in der Arbeiterstadt Hénin-Beaumont (Pas-de-Calais) 24,5 Prozent. Dennoch wird ihr nur eine geringe Chance eingeräumt, im zweiten Durchgang ihren PS-Rivalen Albert Facon (28,2 Prozent) zu besiegen. Umfragen im Vorfeld der Wahlen hatten dem FN zwar weniger als fünf Prozent vorhergesagt. Kurioserweise ging daraus ebenso hervor, daß 29 Prozent der Franzosen sich den FN stark genug wünschten, um in der Nationalversammlung eine Fraktion zu bilden.

Allem Anschein nach vollzieht Frankreich eine faktische Wende zum Zweiparteienstaat. Diese wird jedoch insofern künstlich herbeigeführt, als sie aus einem Repräsentationsprinzip resultiert (romanisches Mehrheitswahlrecht in zwei Runden), das die relativen Sieger begünstigt und die Zweit- und Drittplazierten völlig ausschließt. Mangels jeglicher Komponente einer Verhältniswahl (wie in Italien oder Deutschland) findet der Wille von Millionen Wählern keinerlei Berücksichtigung. Somit reflektiert die Zusammensetzung des Parlaments nicht das tatsächliche Meinungsspektrum.

Die absolute Mehrheit von etwa 70 Prozent der Sitze, über die die UMP im Parlament wahrscheinlich verfügen wird, kommt einem Blankoscheck gleich. Beispielsweise hat Sarkozy seit langem angekündigt, seinen Entwurf eines "vereinfachten Vertrags" als Ersatz für die gescheiterte EU-Verfassung nicht, wie dies 2005 geschah, der Bevölkerung, sondern nur dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen. Er kann also davon ausgehen, daß dieser Entwurf, dessen Inhalt bislang noch niemandem bekannt ist, problemlos ratifiziert wird - ohne daß die Verfassungsgegner, die vor zwei Jahren in der Mehrheit waren, zu Wort kommen.

Foto: Präsident Nicolas Sarkozy mit Ehefrau Cécilia bei Stimmabgabe: Dem FN Stimmen "abgegraben"


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