© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/07 08. Juni 2007

Roter Einstieg bei den Heuschrecken
China: Die Anzeichen für einen echten Börsenkrach verdichten sich / Suche nach neuen Dollaranlagen
Albrecht Rothacher

Die US-Beteiligungsgesellschaft Blackstone gewann in Deutschland einige Bekanntheit, als sie im April 2006 für fast 2,7 Milliarden Euro einen 4,5-Prozent-Anteil der Telekom von der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erwarb. Damit wurden die New Yorker angesichts fallender Kurse zwar nicht reich, dennoch sucht der 1985 von Stephen Schwarzman ("Black") und Ex-Handelsminister Peter Peterson ("Stone") gegründete "Heuschrecken"-Fonds jetzt bei einem Börsengang 7,8 Milliarden Euro neues Kapital aufzunehmen. Das dürfte den Gesamtwert der Blackstone Group auf 34 Milliarden Dollar steigern. Sensationell ist an dieser Meldung die Beteiligung Chinas. Mit drei Milliarden Dollar - einem bescheidenen Teil seines mittlerweile auf 1,3 Billionen Dollar aufgelaufenen Devisenschatzes - will China bei Blackstone einsteigen.

Bislang hatte die Volksrepublik ihre Devisenreserven nahezu ausschließlich in US-Schatzbriefen angelegt. Damit finanzierte sie den anhaltenden Kauf- und Importrausch der überschuldeten Amerikaner (deren Produkte bei einem jährlichen Leistungsbilanzdefizit von 800 Milliarden Dollar immer weniger exportfähig sind) - und den 500 Milliarden Dollar teuren Irak-Krieg, der den hochdefizitären US-Staatshaushalt enorm belast. Die chinesischen (und japanischen) Dollarkäufe halten den Kurs des Yuán (und des Yen) für weitere Exportoffensiven nach Europa und Nordamerika künstlich niedrig. Nun plant China mit seiner neuen staatlichen Investitionsgesellschaft SIC insgesamt 20 Prozent seiner Devisenvorräte - etwa 250 Milliarden Dollar - in den höherrentierlichen Beteiligungsgesellschaften anzulegen. Der Schritt vom Sparbuchbesitzer zum Investmentfondsteilhaber soll jedoch sanft ausfallen. Gerüchte über einen chinesischen Ausstieg aus den US-Treasury Bonds würden den Dollar in den freien Fall stürzen, die chinesische "Volkswährung" (Rénmínbì) auf- und den verbliebenen Dollarvorrat entwerten. Das sucht China im eigenen Interesse zu vermeiden.

Für die US-Fonds kommt die Aussicht auf die frischen China-Milliarden im richtigen Moment. Denn die "Heuschrecken" finden auf den abgegrasten Firmenmärkten immer weniger Nahrung. Wie soll etwa Cerberus den verläßlichen Verlustbringer Chrysler (JF 23/07) mit seinen milliardenschweren Pensionsverbindlichkeiten und unverkäuflichen Modellen, an dem sich gestandene Automobilbauer aus Sindelfingen jahrelang die Zähne und Milliarden ausbissen, mit Hilfe einiger Finanzjongleure mit aggressiven Zielvorgaben zu einem Gewinnträger mit attraktiven Produkten und den erwarteten "10 Prozent+X"-Renditen verzaubern? Blackstone, Cerberus & Co. haben die Kunst der Alchemisten, aus Dreck Gold zu schaffen, noch nicht gemeistert. Die Branche sammelt weiter gutgläubiges Geld ein, gerät aber mit der Übernahme hochverschuldeter Firmen bei steigenden Zinsen immer mehr unter Druck, die erwarteten Renditen zu finanzieren und auszuschütten. Mit den chinesischen Milliardenspritzen gewinnen die "Heuschrecken" zunächst Zeit und frisches Spielgeld.

Unternehmenshüllen und hochdefizitäre Staatsbetriebe

Die Freude dürfte nicht von Dauer sein, sind doch die boomenden chinesischen Kapitalmärkte, die Börsen von Schanghai, Schenzen und Hongkong, und die Immobilienspekulationsblasen der chinesischen Küstenstädte ebenfalls wie Kasinos organisiert. Seit Anfang 2006 haben sich die Kurse verdreifacht. Kein geringerer als der Ökonomieprofessor Cheng Siwei, Vizepräsident des Chinesischen Volkskongresses, meinte kürzlich, daß nur 30 Prozent der chinesischen AGs wirklichen Investitionswert haben. Die meisten bestehen aus Unternehmenshüllen und bunten Prospekten oder hochdefizitären Staatsbetrieben mit fiktiven Bilanzen. Die chinesischen Börsen haben die Hauptaufgabe, jene Staatskonzerne weiter mit Geldspritzen am Leben zu erhalten. Für chinesische Sparer gibt es kaum andere Anlageformen, als sich an jenem Glückspiel zu beteiligen. Fast 100 Millionen Aktiendepots existieren bereits. Täglich werden 300.000 neu eröffnet. In jener klassischen Milchmädchen-Hausse deckt sich jeder Chinese, der kann, mit Aktien ein. Oft kaufen sie mit Bankkrediten oder nach dem Gang zum Pfandleiher, was die Lage zusätzlich verschärft.

Mittlerweile repräsentieren die drei Börsen Firmenkapitalisierungen von insgesamt 3,6 Billionen Dollar, eine wahrhaft astronomische Spekulationsblase. In der Dimension ist sie vergleichbar mit jenen elf Billionen, die die viel größere japanische Finanz- und Immobilienwirtschaft 1992 bis 2002 verlor. Als die chinesischen Behörden in der Vorwoche die Stempelsteuer von 0,1 auf 0,3 Prozent für alle Börsentransaktionen verdreifachten, fielen die Kurse in Schanghai kurzfristig um sechs Prozent. Nach einigen Schreckensstunden geht jedoch die Hausse weiter.

Ex-US-Notenbankchef Alan Greenspan meint, bei einem Platzen der Blase würden hauptsächlich chinesische Anlieger getroffen, der Rest der Welt sei kaum betroffen. Auch für William Gamble von Emerging Market Strategies ist das Krachen der chinesischen Börsen- und Immobilienblase nur noch eine Frage der Zeit - und der Frage, welche anderen Finanzdominos im Fall mitgerissen werden.

Zu den sicheren Absturzkandidaten zählen die vom chinesischen Aufschwung hochgetriebenen Rohstoffpreise und die davon abhängige russische Wirtschaft, die Börsen anderer Schwellenländer und der US-Dollar, dessen Guthaben die chinesische Führung zur Rettung ihrer Börsen und Banken, des eigenen Reichtums und zur Besänftigung der erzürnten chinesischen Mittelschichten auf den Markt werfen dürften. Die US-Notenbank müßte dann zur Rettung ihrer Währung die Zinsen für Dollarkredite drastisch erhöhen. Dies würde dem schuldenfinanzierten Konsum- und Immobilienboom in den USA das Lebenslicht ausblasen. Von den US-Finanzartisten bliebe dann wenig übrig. All jene, die noch heute glauben, man brauche nur die wertschöpfende Arbeit nach China und Indien auszulagern, um sich dann zum Kouponschneiden je nach Bildungslage als smarter Finanzschieber oder als Sozialtransferempfänger auf europäischen Hängematten sorglos zu vergnügen, sähen sich dann grausam getäuscht.

In der Tat ist die Höhe der Krisenbewältigungskosten kaum zu unterschätzen. Im Fall der japanischen Krise gelang es, ihre Auswirkungen ausschließlich auf das Inselreich zu begrenzen. Die Sanierung der Banken und der Bauwirtschaft kostete den japanischen Fiskus dann mit 1,3 Billionen Dollar und 270 Prozent des BIP fast drei Jahresleistungen der japanischen Volkswirtschaft. Die chinesische Regierung verfügt längst nicht über diese Mittel. Die chinesische Wirtschaft ist mit den Weltmärkten auch ungleich intensiver verflochten. Anders als in Japan bleibt bei der kommenden chinesischen Krise nur der Griff zu den Dollarreserven und der weltweite "Crash".

 

Dr. Albrecht Rothacher war bis 2006 Direktor an der Asien-Europa-Stiftung (Asef) in Singapur. Kürzlich erschien sein neuestes Buch "Mythos Asien? Licht- und Schattenseiten einer Region im Aufbruch", Olzog Verlag, München 2007, broschiert, 400 Seiten, 29,90 Euro.

Foto: US-Finanzwerbung in China: Die Milliarden für die "Heuschrecken" bringen Zeit und frisches Spielgeld


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